Mit ihrem psychedelisch angehauchten Retro-Sound begeisterten die Texaner The Black Angels im Februar in der Wiener Arena, jetzt kehren sie für einen Gig beim Poolbar-Festival in Vorarlberg zu uns zurück. Gitarrist Christian Bland und Bandküken Ramiro Verdooren geben im Interview nähere Einblicke in eine der spannendsten Gitarrenbands der Gegenwart.
Mit der Gründung der unvergessenen The 13th Floor Elevators 1965 bekam auch der heute rundum bekannte Terminus „Psychedelic“ einen Wert in der Musikwelt. Acts wie eben Roky Erickson, die Byrds, Vanilla Fudge oder Velvet Underground waren auch hauptverantwortlich dafür, dass sich knapp 40 Jahre später in der südlichen US-Musikmetropole Austin ein Haufen befreundeter Kiffer zusammenfand, um ihren großen Helden zu huldigen. 2004 formierten sich The Black Angels, benannt nach dem kultigen Velvet Underground-Song „The Black Angel’s Death Song“, um in erster Linie stringtent den eigenen Heroen zu folgen. Noch mehr Beweise für die Würdigung nötig? Im Bandlogo der Black Angels hat man ein kontrastreiches Negativbild der zeitweisen Velvet Underground-Sängerin Nico veredelt.
Musikalische Schwämme
Bevor 2006 das Debütalbum „Passover“ in die Läden kam, sorgte man als Teil des Samplers „Psychedelica Vol. 1“ früh für Furore. Relativ passgleich bekam die Band 2005 einen enormen Boost durch die Popularität von - ja! - MySpace verliehen. „Es war eine Plattform der Verbindung und des Zusammenkommens“, erklärt uns das Bandküken Ramiro Verdooren im „Krone“-Talk, „als Band war die Plattform so wichtig wie wenig anderes. Ich finde neue Plattformen wie TikTok blutleer und wenig nachhaltig. Ich meine okay, wenn es dein großes Lebensziel ist, 15-Sekunden-Videos zu kreieren, dann viel Spaß.“ Über die Jahre entwickelten die Black Angels einen ganz eigenen Sound, der sich von Album zu Album zunehmend von der anfänglichen 60er-Jahre-Ehrerbietung entkoppelte. „In den frühen Jahren waren Psych-Bands und die Beatles als Einfluss essenziell“, erinnert sich Gitarrist und Gründungsmitglied Christian Bland zurück, „aber wir sind wie Schwämme und saugen auf unserem Weg alles auf, was wir dann im Studio auswringen.“
Als große Idole dienten den Black Angels später Radiohead, die sich zwischen „The Bends“, „OK Computer“ und „Kid A“ unheimlich schnell entwickelten und veränderten. „Sie sind das allerbeste Beispiel dafür, dass man auch mit fortschreitendem Alter spannend und zeitlos werden kann. Radiohead klingen manchmal so, als kämen sie aus der Zukunft. Wir wollen vor allem mit handgemachter Musik Menschen begeistern, es uns nachzumachen. Nehmt ein Instrument in die Hand, zündet eine Zigarette an und lasst euch einfach von euren Gedanken leiten. Es gibt nichts Schöneres.“ Bis zu ihrem im Herbst 2022 veröffentlichten Album „Wilderness Of Mirrors“ zogen fünf Jahre ins Land, was freilich auch der Pandemie geschuldet war. Dass man sich darauf wieder klanglich weiterentwickelt hat, ohne dabei die eigenen, in der Vergangenheit liegenden Stärken zu vergessen, versteht sich fast von selbst.
Von der Spontanität leiten lassen
„Die 60er-Jahre waren eine einzige kreative Revolution. Nicht nur in der Musik, sondern in der Kunst und Kultur generell. Wir wollen die magische Seele dieser Tage in die Gegenwart transferieren. Bands wie die Beatles oder die Ronettes liefen damals im Radio auf und ab - das wäre auf heute umgemünzt eigentlich unmöglich.“ Die Black Angels komponieren ihre Songs ohne großen Plan und Vorsatz, sondern lassen sich lieber von der Spontanität und dem Momentum leiten. Songs wie „Without A Trace“, „The River“ oder „Empires Falling“ wurden im Studio angespielt und dann im Kollektiv zu einem Ergebnis verwandelt. Das Albumthema ist natürlich an die Gegenwart angelehnt. „Der Titel spielt auf das Gefühl der Weltlage an“, so Bland, „als müssten wir uns durch einen gespiegelten Garten voller Narzissmus navigieren, um irgendwo wieder herauszufinden. Wir leben heute in einer ziemlich vernebelten Welt und möchten den Menschen mit unserer Musik einen kleinen Richtungsfaden zur Verfügung stellen.“
Das Kollektiv war den Black Angels schon immer wichtig. Zu den ersten Schritten gehöre einst 2005, gemeinsam in ein Haus zu ziehen. „Man probt viel und lernt sich dabei so richtig kennen. Jeder kennt jeden in- und auswendig und es gibt auf der Tour keine bösen Überraschungen mehr, weil die Grenzen bei jedem klar abgesteckt sind. Wir haben bis 2011 zusammengewohnt und in der Band eine unheimlich familiäre Dynamik, sind wie miteinander verheiratet. Wir sind jetzt, in leicht veränderter Konstellation, seit 19 Jahren gemeinsam unterwegs, was schon ziemlich verrückt ist. Mein Vater war Pfarrer und ich komme aus einer sehr christlichen Familie. Was ich von ihm mitgenommen habe, sind Offenheit und Toleranz. Die Band würde ohne meine frühere Erziehung gar nicht existieren. Musik ist für uns gleichermaßen Therapie wie Katharsis.“
Musikalische Hommage
Die Liebe zu den 60er-Jahren besteht bei den Black Angels nicht nur im Klang, sondern spiegelt sich auch in der Herangehensweise an die Musik wider. „Was Technik und Equipment anging, waren die Musiker damals unheimlich limitiert“, so Verdooren, „Brian Eno hat immer gesagt, dass er nicht ein Keyboard will, aus dem er 1000 Klänge herausholt, sondern lieber drei Keyboards, mit denen er 1000 verschiedene Songs schreiben kann. Es gibt heute sehr viele Bands, die sich so kleiden wie die Großen aus den 60ern und ihr ganzes Image nachmachen, aber sonst keine Seele für diese Zeit haben. Das war bei uns nie der Fall, unsere Hommage ist rein musikalischer Natur.“
Mit Roky Erickson spielte man 2008 als Backing Band und holte ihn 2015 auf das hauseigene Austin Psych Fest, das man ihm zu Ehren mittlerweile in Levitation Festival umbenannt hat. Das im Südwesten der USA populäre Psychedelic- und Stoner-Rock-Festival, das mittlerweile Außenstellen in Frankreich, Chicago oder Vancouver hat, wurde von den Ur-Mitgliedern der Black Angels ins Leben gerufen und ist eine weit wichtigere Einnahmequelle als die Band selbst, die mehr dem Spaß und der reinen Leidenschaft dient. Hauptsache handgemacht und mit viel Liebe. Bis zum nächsten Album werden auch keine fünf weiteren Jahre mehr vergehen. „Wir schrauben aktuell an ein paar Songs, vielleicht folgt auch eine EP. Jedenfalls stecken wir voller Energie und Kreativität.“
Live beim Poolbar
Die Black Angels sind nach ihrem gefeierten Auftritt vergangenen Februar in der Wiener Arena morgen Abend, am 8. August, beim Poolbar Festival im vorarlbergerischen Feldkirch zu Gast. Unter www.oeticket.com und auch an der Abendkassa wird es wahrscheinlich noch Karten für das kultige Retro-Highlight geben. Sollte man nicht verpassen, denn allzu oft ist das Kollektiv hierzulande nicht live zu sehen …
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