„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.
Mit Ende Juli war es endgültig so weit und die Kika-Filiale in der Ottakringer Sandleitengasse schloss für immer ihre Pforten. Das Restaurant darin schon etwas früher. Das Riesengeschäft ist längst ausgeräumt und wer durch die Scheiben schaut, sieht nur mehr einzelne Gerüste und ein leeres Flächenmeer, das einst von Wohnzimmergarnituren über Zimmerpflanzen bis hin zu Vorhängen alles bot, was das Wohnvergnügen der Wiener schöner oder praktikabler machte. Welch Möbel-Koloss hier noch bis vor kurzem stand, verrät auch die Hausnummer: 26-30. Gleich drei Nummern veranschlagte das opulente Gebäude, das nicht nur für die vielen Einwohner in Ottakring und Hernals ein jahrelanger Fixpunkt war, sondern auch als Warenabhollager für den Rest der Stadt galt.
Ein klein bedruckter A4-Zettel an der Eingangstür verweist schnöde auf die Partnerfiliale in der Favoritner Laxenburger Straße. Laut Google Maps sind das mit dem Auto mehr als zehn Kilometer und etwa 32 Minuten Entfernung. Wer die öffentlichen Verkehrsmittel nützt, braucht eine knappe Stunde - Sommerbaustellen und temporäre Ausfallgarantie der Wiener Linien noch nicht mit einberechnet. Das bedeutet nicht nur für ältere oder in ihrer Mobilität eingeschränkte Bürger eine mühevolle Umstellung. „Was da passiert ist, ist eine einzige Frechheit“, echauffiert sich eine ältere Dame vor dem geschlossenen Geschäft, während ich auf dem Weg zur Straßenbahnlinie 2 bin, „ich wohne im Sandleitenhof und ging oft ins Restaurant essen oder nahm mir eine Kleinigkeit mit. Wenn ich jetzt etwas brauche, muss ich erst einmal überlegen, wo ich überhaupt hinfahren muss.“
Der Kahlschlag bei der Kika/Leiner-Gruppe wurde medial in allen Details wiedergegeben, traf aber freilich nicht nur Mitarbeiter und Filialen, sondern auch die Kunden in einer Tragweite, die erst jetzt absehbar wird, wo die Geschäfte tatsächlich nicht mehr offen haben. Immer wieder bleiben vorwiegend ältere Anrainer stehen, um beim Flanieren oder dem Erledigen von Besorgungen einen Blick in die leere Erdgeschosshalle zu werfen. Teils aus Fassungslosigkeit, teils aus nostalgischem Empfinden. Gut frequentiert sei dieser Kika immer gewesen, behauptet die ältere Dame, an der Kassa hätte es sich am Nachmittag oft gestaut und sie habe sich oft darüber geärgert. „Ich hatte das Gefühl, dass alle zur selben Zeit einkaufen“, lacht sie, „aber ich bin in Pension und habe genug Zeit.“
Gerade das Kika-Restaurant sei für viele Anrainer ein Hort der Begegnung gewesen. Durch die vergleichsweise moderaten Preise in den Möbelrestaurants war es dazu auch noch für jene halbwegs erschwinglich, die ihre Münzen im Börserl aufgrund der krachenden Inflation ohnehin mehrmals umdrehen müssen. Der schleichende Untergang einer Dynastie hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Auswirkungen auf alle Beteiligten. Mit den Arbeitsplätzen gehen Sicherheiten verloren und die Menschlichkeit rückt weiter in den Hintergrund. Die ältere Dame ist froh, nicht mehr im Erwerbsleben zu stehen. „Wenn ich mir anschaue, wie viel Unsicherheit überall herrscht und wie schnell es mit der Arbeitslosigkeit gehen kann, bin ich froh, dass ich das alles hinter mir habe.“ Den „fleißigen und freundlichen“ Mitarbeitern der Filiale wünscht sie eine gute Zukunft. Fürs günstige Essen bleibt ihr noch das Interspar-Restaurant schräg gegenüber.
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