Österreich ist bei der 19. Leichtathletik-WM in Budapest (19. bis 27. August) mit zumindest sieben Aktiven vertreten. Neben den Medaillenhoffnungen Lukas Weißhaidinger (Diskus) und Victoria Hudson (Speer) sowie der in bestechender Form laufenden Susanne Gogl-Walli (400 m) und Marathon-Rekordlerin Julia Mayer, die sich schon früh direkt ein Ticket für Budapest gesichert hatten, kamen über das höchst komplizierte Ranking-System nach Qualifikationsschluss am vergangenen Sonntag nach langem Bangen doch noch drei Athleten hinzu. Ein größeres rot-weiß-rotes WM-Team hatte es zuletzt 1999 mit zehn Aktiven gegeben, als freilich die Qualifikationen noch etwas leichter waren als jetzt.
Über die sogenannte „Road to Budapest“, jenem Quali-System, das den Athleten die WM-Teilnahme äußerst schwierig gemacht hat, schafften bei den Männern noch Markus Fuchs (100 m) und Raphael Pallitsch (1500 m) sowie bei den Frauen Lena Pressler (400 m Hürden) die Teilnahme in Budapest. Selbst ein Markus Fuchs, der heuer den 35 Jahre alten 100-m-Rekord des später der Dopings überführten Andreas Berger (10,15) auf großartige 10,08 gedrückt hatte und in der vergangenen Woche noch zweimal windunterstützte 10,14 gelaufen war, musste bis zu Toresschluss um seinen WM-Start zittern. Er saß quasi auf dem Schleudersitz, rutschte aber gerade noch als 48. und letzter Sprinter ins 100-m-Feld von Budapest. Auch bei Pallitsch (53. von 56) und Pressler (39. von 40) war die Quali ähnlich knapp…
Neben den vom Leichtathletik-Weltverband jetzt bestätigten sieben Österreichern besitzen auch noch Ricci Klotz (Stabhoch) und Sarah Lagger (Siebenkampf) eine minimale, aber wohl eher theoretische WM-Chance. Im Falle von einigen internationalen Absagen könnten sie noch nachrücken.
Bisher nur vier WM-Medaillen
Österreichs Leichtathletik hat in der 40-jährigen Geschichte seit der glanzvollen Premiere in Helsinki 1983 bei den bis jetzt 18 Weltmeisterschaften nur vier Medaillen gewonnen. Aufgrund der Papierform 2023 haben in Budapest einzig Lukas Weißhaidinger und Victoria Hudson die Möglichkeit, nach Silber von Steffi Graf (800 m/2001) sowie jeweils Bronze durch Hochspringerin Sigrid Kirchmann (1993), Siebenkämpferin Verena Preiner und Lukas Weißhaidinger (jeweils 2019) weiteres Edelmetall für Rot-Weiß-Rot hinzuzufügen.
Schließlich sind diese beiden Spitzenwerfer in den aktuellen Weltjahresbestenlisten mit ihren bereits Mitte Mai erzielten Topleistungen hoch gereiht. Lukas Weißhaidinger rangiert mit seinem ersten, so heiß ersehnten 70-m-Wurf (70,68 m am 19. Mai in Schwechat) an vierter Stelle der Diskuswelt 2023. Nur Titelverteidiger Kristjan Ceh (Slo/71,86), Olympiasieger Daniel Stahl (Sd/71,45) und Europameister Mykolas Alekna (Lit/71,00) liegen vor ihm. Victoria Hudson ist mir ihren 64,05 m von Eisenstadt (16. Mai) Fünfte. Angeführt wird die Weltjahresbestenliste von der Japanerin Haruka Kitaguchi (67,04).
Was ist die Frühform wert?
Lukas Weißhaidinger hat nach seinen Erfolgsjahren mit jeweils Bronze bei der WM in Doha 2019 und bei Olympia in Tokio 2021 in der vergangenen Saison herbe Rückschläge erlitten. Bei der WM in Eugene belegte er nur Platz zehn, wenig später bei der EM in München nur den neunten Rang. Gemessen an den eigenen, berechtigt hohen Erwartungen waren dies Enttäuschungen, die er heuer in Budapest wettmachen will.
Sowohl bei Lukas Weißhaidinger als auch bei Victoria Hudson muss sich erst erweisen, was die Frühform mit ihren Fabelwürfen letztendlich bei der WM wert ist. Hudson hat ihre vier weitesten Würfe 2023 in Eisenstadt alle schon am 16. bzw. 20. Mai in Eisenstadt erzielt. Wirft sie bei der WM wieder in diesem Bereich um 63 bis 64 m, ist sie auch vorn dabei. Zu bedenken gibt aber, dass sie bei ihren beiden WM-Starts 2019 und 2022 jeweils in der Qualifikation gescheitert ist. So wie Lukas Weißhaidinger wurde aber auch sie von ihrem gemeinsamen Trainer Gregor Högler in letzter, harter Arbeit gezielt für die WM vorbereitet. Weißhaidinger machte sich heuer international rarer als zuletzt, startete 2023 bisher auch bei keinem Meeting der Diamond League. Alle Konzentration gilt Budapest.
Garant an Beständigkeit
Susanne Gogl-Walli strebt wie bei der WM im Vorjahr über 400 m das Semifinale an, wo sie in 52,37 (Vorlauf 52,18) gesamt den 23. Platz belegt hatte. Seit Wochen läuft sie in bestechender Form, hat erstmals in ihrer Karriere die 51-Sekunde-Barriere unterboten. Das gleich doppelt. Ihren 50,90 von Chorzów ließ sie Mitte Juli in Székesvehérvár exzellente 50,87 Sekunden folgen, womit sie sich (wie schon zuvor Lukas Weißhaidinger) sogar direkt für Olympia 2024 qualifizierte. Trotzdem kann selbst das Überstehen des WM-Vorlaufs hart für sie werden. Aber als ein Garant an Beständigkeit bei Großveranstaltungen ist ihr sogar zuzutrauen, dass sie sich weiter dem Uralt-Rekord von Karoline Käfer (50,62/1977) nähert.
An Tradition anknüpfen
Von dem Quartett, das sich frühzeitig fix für Budapest qualifiziert hatte, hat nur Julia Mayer keine WM-Erfahrung. Die Marathon-Rekordlerin betritt sogar absolutes Neuland für Österreich. Sie ist die Erste, die für Rot-Weiß-Rot einen Frauen-Marathon bei einer WM bestreitet. Auf dem 10-km-Rundkurs vom Heldenplatz über die Andrássy út, die Kettenbrücke und das Burgviertel könnte sie durchaus ihren heuer beim Vienna City-Marathon erzielten österreichischen Rekord von 2:30:42 verbessern. Ihre Vorbereitung schien perfekt verlaufen zu sein.
In allen Bewerben, in denen rot-weiß-rote Aktive durch das Quali-System noch einen Startplatz erhielten, hat Österreich schon WM-Erfahrung. Über 100 m der Männer ist Markus Fuchs nach Andreas Berger, Martin Lachkovics und Ryan Moseley der vierte ÖLV-Sprinter bei Weltmeisterschaften. Den größten Erfolg feierte Andreas Berger bei der WM 1987 in Rom, als er im Semifinale das Finale hinter dem mit 10,37 zeitgleichen Lee McRae (USA) nur um zwei Tausendstel verpasste. Ob Fuchs eine Runde weiterkommt, steht in den Sternen. Er brennt darauf, vor einer großen Kulisse in dem 35.000 Zuschauer fassenden, eigens für die WM erbauten schmucken Stadion am Start zu stehen…
Auch über 1500 m der Männer reiht sich Raphael Pallitsch in eine ÖLV-Tradition, die 1983 mit Robert Nemeth begonnen hatte und durch Werner Edler-Muhr bis Andreas Vojta (2011 und 2013) fortgesetzt wurde. Über 400 m Hürden tritt Lena Pressler, die heuer mit neuem Rekord von 55,94 Sekunden Dritte der U23-EM in Espoo geworden war, in die Fußstapfen von Gerda Haas. Sie hatte in Rom 1987 in 58,65 den 20. Platz belegt.
Österreichs größte Erfolge bei Weltmeisterschaften:
2. Steffi Graf Edmonton 12.08.2001 800 m 1:57,20
3. Sigrid Kirchmann Stuttgart 21.08.1993 Hoch 1,97
3. Lukas Weißhaidinger Doha 30.09.2019 Diskus 66,82
3. Verena Mayr Doha 02./04.10.2019 Siebenkampf 6560
6. Ljudmila Ninova Stuttgart 15.08.1993 Weit 6,73
6. Theresia Kiesl Stuttgart 22.08.1993 1500 m 4:08,04
6. Ivona Dadic London 05./06.08.2017 Siebenkampf 6417
7. Klaus Bodenmüller Rom 29.08.1987 Kugel 20,41
7. Valentina Fedjuschina Tokio 15.08.1991 Kugel 19,27
7. Ljudmila Ninova Tokio 25.08.1991 Weit 6,72
7. Hermann Fehringer Tokio 29.08.1991 Stabhoch 5,60
7. Steffi Graf Sevilla 24.08.1999 800 m 1:57,92
8. Dietmar Millonig Helsinki 14.08.1983 5000 m 13:36,08
8. Gerhard Mayer Berlin 19.08.2009 Diskus 63,17 m
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