Dank RNA-Interferenz

Neue Therapie: Spritze senkt Blutdruck 6 Monate

Wissenschaft
03.08.2023 11:55

Weltweit 1,3 Milliarden Menschen leiden unter Hypertonie (Bluthochdruck), die der Hauptrisikofaktor für Herzinfarkte, Herzschwäche, Nierenschäden und Schlaganfälle ist. Forscher haben nun eine völlig neue Therapieform entwickelt - eine Spritze alle sechs Monate, die dauerhaft den Blutdruck senkt.

Ein amerikanisch-britisches Wissenschaftlerteam hat im „New England Journal of Medicine“ eine klinische Studie der Phase I mit dem Wirkprinzip der RNA-Interferenz bei Hypertonie publiziert. Der Effekt einer einzigen Injektion eines Angiotensinogen-Hemmers namens Zilebesiran hielt demnach ein halbes Jahr an. Angiotensinogen ist ein sogenanntes Vorläufer-Protein, das für die Blutdruckregulation wichtig ist.

Trotz prinzipiell gut wirksamer Medikamente aus den Wirkstoffklassen der ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptor-Blockern, Diuretika, Kalziumantagonisten und Betablockern sind bei weitem nicht alle Patienten optimal versorgt. Neue Wirkprinzipien zur Behandlung der Hypertonie könnten die Situation künftig verbessern. 

Kurze künstliche RNA-Sequenzen
Das US-Biotech-Unternehmen Alnylam Pharmaceuticals hat sich der Entwicklung völlig neuer Arzneimittelsubstanzen verschrieben. Das Prinzip: Bei den Wirkstoffen handelt es sich um kurze künstliche RNA-Sequenzen, welche die körpereigene Produktion jeweils eines Proteins zielgerichtet blockieren. 

Die Forscher sprechen von RNA-Interferenz (RNAi), weil die künstlichen RNA-Ketten die für die zelleigene Proteinproduktion notwendigen RNA-Teile beschädigen. Sie können dann von den Ribosomen (in denen Proteine hergestellt werden, Anm.) nicht abgelesen und in das jeweilige Eiweiß übersetzt werden. 

Was ist RNA-Interferenz?

RNA-Interferenz ist ein natürlicher Mechanismus zur Stilllegung von Genen, was sehr schnell abläuft und schnell auch wieder beendet wird. Für Arzneimittel muss das Prinzip für lange Zeit wirksam gemacht werden.

Nach der Zulassung erster derartiger Medikamente zur Behandlung von Seltenen Erkrankungen wurde das Prinzip jetzt erstmals auch bei der Entwicklung von Zilebesiran zur Behandlung des Volksleidens Hypertonie eingesetzt. Zilebesiran ist eine RNA-Sequenz, die durch einen chemischen Trick langlebig gemacht wurde und sich in der Leber ansammelt. 

Verhindert Bildung von Angiotensinogen
Zilebesiran zielt auf die Verhinderung der Bildung von Angiotensinogen in der Leber ab. Der Wirkort Angiotensinogen ist die einzige Vorstufe der Angiotensin-Peptide ACE-I und ACE-II, welche ganz zentral für die Blutdrucksteuerung bzw. Blutdruckerhöhung verantwortlich sind. Damit ist Angiotensinogen ganz weit vorn an der Ursache für Bluthochdruck. 

„Zilebesiran (...) inaktiviert die Angiotensinogen-Synthese und führt nach einer einmaligen subkutanen (unter die Haut erfolgenden; Anm.) Injektion von 200 Milligramm oder mehr zu einer über 24 Wochen anhaltenden Reduktion des Angiotensinogen-Spiegels im (Blut-)Serum und zur Normalisierung des Blutdrucks“, schrieb die deutsche „Pharmazeutische Zeitung“.

Wirksamkeit erstmals in Studie belegt
Der Effekt des potenziellen neuen Medikaments wurde erstmals in der Phase-I-Studie belegt. Bei den Probanden zeigte sich insgesamt eine Verringerung des Angiotensinogen-Spiegels im Blutserum von 90 Prozent und mehr, wenn die Wirkstoffdosis 100 Milligramm oder mehr betragen hatte. „Nach Einzeldosen von Zilebesiran von 200 Milligramm oder mehr wurden in Woche acht eine Senkung des systolischen Blutdrucks um mehr als zehn mmHg (
Millimeter-Quecksilbersäule, Anm.) und des diastolischen Blutdrucks um mehr als fünf mmHg beobachtet“, so die Forscher.

Bei den acht Patienten, die 800 Milligramm Zilebesiran erhalten hatten, wurde in Woche 24 ein systolischer Blutdruck von minus 22,5 mmHg und ein diastolischer Blutdruck von minus 10,8 mmHg verglichen mit den Ausgangswerten gemessen“, resümierte die deutsche Apothekerzeitschrift. Eine salzarme Ernährung erhöhte den Effekt noch zusätzlich.

Kopfschmerzen als Nebenwirkung beobachtet
Unerwünschte Ereignisse, die bei mindestens fünf Prozent der Patienten auftraten, waren Kopfschmerzen, Reaktionen an der Injektionsstelle und Infektionen der oberen Atemwege. Die meisten dieser Probleme waren leicht oder mittelschwer. 

Eine Injektion gegen die Hypertonie alle sechs Monate aber könnte wahrscheinlich vielfach zu einer besseren Blutdruckeinstellung bei Patienten führen. Die herkömmlichen Medikamente gegen hohen Blutdruck müssen ja täglich geschluckt werden. Darauf wird oft vergessen.

Bis zu einer allfälligen Zulassung des neuen Wirkprinzips müssen aber noch klinische Studien der Phasen II und III (Wirksamkeit und Verträglichkeit im Vergleich zu herkömmlicher Standardtherapie bei vielen Probanden, Anm.) erfolgen. Das US-Biotech-Unternehmen Alnylam arbeitet mit dem Schweizer Pharmakonzern Roche zusammen.

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