Eine Bilanz zum 60er

Personalmangel auch bei Lebenshilfe Tirol Thema

Tirol
09.08.2023 13:00

Die Lebenshilfe Tirol versteht sich als Wegbegleiterin von beeinträchtigten Kindern und Erwachsenen unter anderem in den Bereichen Wohnen und Arbeit. Zum 60-jährigen Geburtstag am 13. August zieht man eine Bilanz und blickt in eine Zukunft, die Menschen mit Behinderung Selbstbestimmung bringen soll.

Als der Verein der Lebenshilfe am 13. August 1963 gegründet wurde, lag der Fokus auf dem Recht auf Arbeit für Jugendliche, die aus den Sonderschulen des Landes gekommen waren. Es folgten Kindergärten und weitere Betreuungsstrukturen, Frühförderung und Familienbegleitung sowie Angebote fürs Wohnen und zur beruflichen Integration.

Seitdem hat sich vieles verändert – für die Klienten der Lebenshilfe, aber auch für die Nichtregierungsorganisation selbst. Die Herangehensweise ist heute eine völlig andere, wie Peter Heidler, Präsident des Vereins Lebenshilfe Tirol, erklärt: „Die 10er-Jahre waren prägend für das heutige Bild der Lebenshilfe. Wir haben unser Angebot hinterfragt, erweitert, modernisiert – kurz, einer Wandlung unterzogen.“ Beispielsweise wurden die eigenen Kindergärten mittlerweile geschlossen – die Kinder mit Behinderung gehen in reguläre Gemeindekindergärten.

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Mit dem Begriff ‚Mitleid‘ erzeugen wir keine Augenhöhe. ‚Almosen‘ bedeuten nicht automatisch auch Wertschätzung.

Peter Heidler, Präsident Verein Lebenshilfe Tirol

Keine Institutionen, sondern Eigenständigkeit
Das Schlagwort lautet Selbstbestimmung. „Mit dem Begriff ‚Mitleid‘ erzeugen wir keine Augenhöhe, ‚Almosen‘ bedeuten nicht automatisch Wertschätzung“, verdeutlicht Heidler. Vielmehr sei die Lebenshilfe darum bemüht, Menschen so viel Eigenständigkeit zu verschaffen, wie sie haben möchten. Dazu tritt die Organisation bewusst in den Hintergrund und versucht wegzukommen von der klassischen Institutionsstruktur. Stattdessen betreuen Assistenten die Klienten individuell.

Zwei Drittel der Menschen, die von der Lebenshilfe in Wohnprojekten begleitet werden, leben heute in eigenen Wohnungen oder in Zweier-WGs und werden individuell begleitet. Auch das Thema Pflege wird immer wichtiger, denn heute begleitet die Lebenshilfe doppelt so viele Menschen über 55 Jahre wie noch vor zehn Jahren.

(Bild: Krone KREATIV, stock.adobe.com)

Fachkräftemangel macht in Zukunft große Sorgen
Die individuelle Betreuung und Pflege schlägt sich natürlich auch im Personalaufwand nieder. Auch Tirols achtgrößter Arbeitgeber kämpft mit dem Mangel an Fach- und Pflegekräften. Gegensteuern will man, indem man attraktive Arbeitsplätze schafft und die Einsatzplanung optimiert.

Lebenshilfe-GF Georg Willeit (Bild: Birbaumer Johanna)
Lebenshilfe-GF Georg Willeit

„Gehalt statt Taschengeld für Menschen mit Behinderung“
Im Interview mit der „Krone“ sprach Lebenshilfe-Geschäftsführer Georg Willeit über Zukunft und Finanzen.

„Krone“:  Herr Willeit, die Lebenshilfe ist sehr abhängig vom Land Tirol. Gibt es eine Initiative, sich unabhängiger zu machen? 
Georg Willeit: Das Land Tirol ist ein ganz wesentlicher Partner für uns, die gesetzliche Aufgabe des Landes ist es, für die Begleitung von Menschen mit Behinderung Sorge zu tragen. Gemeinsam haben wir einen Plan entwickelt, um die Kosten der Zukunft zu decken. Wir selber werden immer inklusiver, aber auch mit der Partnerschaft des Landes.

Wo soll es in den nächsten fünf Jahren hingehen? 
Massiv weiter in dem Thema Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, des nationalen und Tiroler Aktionsplanes, das heißt ambulant vor stationär, mobile Begleitungsmodelle, mobile Wohnformen, das Recht auf selbstbestimmtes Wohnen und Gehalt statt Taschengeld für Menschen mit Behinderungen im Arbeitsbereich. Eine große Sorge ist das Auseinanderdriften im Bereich der Pflege- und Behindertenhilfe.

„Wir spielen bewusst mit der Umkehrung des Bewerbungsprozesses“, erklärt Lebenshilfe-GF Georg Willeit den Gedanken hinter dieser Werbekampagne. „Die Menschen mit Behinderung sind bei uns der Boss. Sie bestimmen, wie sie begleitet werden möchten.“ (Bild: Birbaumer Johanna)
„Wir spielen bewusst mit der Umkehrung des Bewerbungsprozesses“, erklärt Lebenshilfe-GF Georg Willeit den Gedanken hinter dieser Werbekampagne. „Die Menschen mit Behinderung sind bei uns der Boss. Sie bestimmen, wie sie begleitet werden möchten.“

Wie wichtig sind private Spenden? 
Jede Spende ist herzlich willkommen, sie sind das Tüpfchen auf dem i. Mit privaten Spenden können wir noch individueller begleiten, kreativere Angebote oder zusätzliche Hilfsmittel bieten, die aus dem Standard-Budget möglicherweise nicht finanziert werden. Sie tragen also deutlich zur Qualität bei.

Merkte man in Zeiten der Teuerung einen Rückgang an privaten Spenden? 
Die Solidarität bei Spenden war in Tirol immer groß, nicht nur uns, sondern auch anderen Organisationen gegenüber. Leute verstehen, wofür wir arbeiten und sind auch in schweren Zeiten solidarisch.

Nicole Greiderer/Sebastian Meinert/David Rosenkranz, Kronen Zeitung

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