Wien und Wasser: Eine Millionenstadt, die flächendeckend mit Quellwasser versorgt wird. Heuer feiert die Erste Wiener Hochquellenleitung ihr 150-Jahre-Jubiläum. Dem kühlen Nass auf der Spur.
Es sprudelt nur so aus Hans Tobler heraus. Wenn es um das Thema Wiener Wasser geht, dann ist er dem Element, dem seine Leidenschaft und sein Beruf gilt, nicht unähnlich. „Wasser ist für mich mein Leben“, so Tobler, seines Zeichens Betriebsleiter des Quellgebiets Hirschwang der Abteilung „Wiener Wasser“. Seine Begeisterung für unser wichtigstes Lebensmittel ist ansteckend.
Und erfrischend ernüchternd wird man daran erinnert, wie selbstverständlich es doch für uns ist. Erst recht, wenn die amerikanische Begleitung begeistert erzählt, wie sie im Wiener Hotelzimmer voller Freude ständig zum Wasserhahn geht und sich ein Glas Wasser einschenkt. Wir haben einen Schatz vor der Haustür, von dem jeder Wiener täglich rund 130 Liter durchschnittlich verbraucht und sich – höchstwahrscheinlich – wenig Gedanken darüber macht. Ein Privileg, um das uns viele Städte weltweit beneiden. Eine ganze Großstadt wird mit kristallklarem Hochquellwasser versorgt.
Wie das Wasser in die Wiener Haushalte reist, darüber erfährt man allerhand im Wasserleitungsmuseum Kaiserbrunn. Seit nun schon 150 Jahren fließt es von den niederösterreichisch-steirischen Alpen bergab in die Wasserbehälter der Hauptstadt und schließlich in ihr weit verzweigtes unterirdisches Rohrnetz und versorgt fast zwei Millionen Menschen. Die Errichtung der Ersten Wiener Hochquellenleitung war eine technische Meisterleistung. Zu verdanken ist sie ihrem „Schöpfer“ Eduard Suess, Geologe und Politiker, der die Errichtung trotz zahlreicher Widerstände durchsetzte.
Nach nur vier Jahren Bauzeit konnte Kaiser Franz Joseph I. 1873 das Meisterwerk eröffnen und die Wiener sich an dem köstlichen Nass erfreuen. Das hochwertige Trinkwasser verbesserte maßgeblich die Lebensqualität der Stadtbewohner und vertrieb Krankheiten wie Cholera oder Tyhpus, die immer wieder die Stadt geißelten. Seit 150 Jahren versorgt die Hochquellenleitung, damals die längste Europas, nun schon Wien mit Trinkwasser.
Der 1. Wiener Wasserleitungsweg entlang der 1. Wiener Hochquellenleitung besteht aus zwei Teilstrecken - jeweils für eine Tagestour ausgelegt: von Kaiserbrunn bis Gloggnitz und von Bad Vöslau bis Mödling.
Mehr dazu unter: www.wien.gv.at/wienwasser/bildung/wanderweg/
TIPP: Unbedingt im Wasserleitungsmuseum Kaiserbrunn vorbeischauen.
Anlässlich 150 Jahre Weltausstellung laufen derzeit Ausstellungen. Sehenswert ist z. B.: „Wiener Weltausstellung 1873 revisited“ Ägypten und Japan als Europas „Orient“ - noch bis 22. 10. 2023 im MAK. mak.at
Ein bedeutendes Jahr für Wien
Im Jahr ihrer Eröffnung bescherte ein weiteres Ereignis der Stadt einen Wendepunkt in ihrer Geschichte: Die Weltausstellung von 1. Mai bis 31. Oktober 1873 ebnete Wien den Weg zur modernen Metropole. Ein Jubiläum, das heuer mit zahlreichen Ausstellungen in den Museen gefeiert wird.
Die Stadt wuchs, und so wurde 1910 zur Unterstützung die Zweite Wiener Hochquellenleitung gebaut, ihr Quellgebiet liegt in der Hochschwab-Region.
Wiener Hochquellwasser
Die Erste Wiener Hochquellenleitung wurde am 24. Oktober 1873 beim Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz durch Kaiser Franz Joseph I. eröffnet, die Zweite folgte 1910. Beide liefern auf einer Gesamtlänge von 330 Kilometern täglich rund 450 Millionen Liter hochwertiges Trinkwasser nach Wien. 130 Liter verbraucht jeder Wiener davon durchschnittlich am Tag (ohne Gewerbe, Industrie und Großverbraucher). Die Hochquellleitungen betreiben 16 Kraftwerke und erzeugen damit Strom für eine Kleinstadt der Größe Wiener Neustadts. Das unterirdische Wiener Wasserleitungsnetz erstreckt sich über 3000 Kilometer Wasserrohre. 1300 öffentliche Trinkbrunnen stehen den Wienern und Besuchern der Stadt zur Verfügung.
„Heute fließen durch die mittlerweile 150 km lange Erste Wiener Hochquellenleitung rund 220 Millionen Liter Wasser täglich, und das im freien Gefälle ohne Pumpen“, so Hans Tobler. Vom Ursprung bis zum Wasserhahn in 24 Stunden. So manch Tropfen schlummert dabei sogar bis zu 30 Jahre im Karstgestein der Wiener Alpen, bevor er an die Oberfläche sprudelt.
Wer also genau wissen will, wie Wien zu seinem hochgelobten Wasser kommt, muss rauf in die Berge. Dort kann er mit ihm auch „mitwandern“: Seit 1998 gibt es den
1. Wiener Wasserwanderweg, der aus zwei Strecken, die jeweils als Tagestour ausgelegt sind, besteht. Entlang der schönsten Abschnitte der Leitungstrasse. Wie durch das Höllental eingerahmt zwischen Schneeberg und Rax – ein kleines Paradies in den Wiener Alpen. Für Abkühlung sorgt die glasklare Schwarza, die ruhigen Buchten am Ufer rufen förmlich nach einem gemütlichen Päuschen. Am Ende einer Strecke wartet in Kaiserbrunn auch das Wasserleitungsmuseum und mit der Kaiserbrunnquelle auch der historische Ursprung der Wasserversorgung Wiens.
Das Meer der Wiener
Was das Trinkwasser betrifft, leben die Wiener auf einer Insel der Seligen. Einer anderen „Insel“ verdanken sie ebenfalls einen Grund für hervorragende Lebensqualität: Die Donauinsel, entstanden aus dem Aushubmaterial für das Entlastungsgerinne - der Neuen Donau -, das als Hochwasserschutz errichtet wurde, sucht in puncto Erholungsgebiet ihresgleichen in Europa. Die 21 Kilometer lange und rund 4 km2 große künstliche Insel ist heute nicht mehr wegzudenken aus der Stadt. Ebenso das Freizeitparadies an der Alten Donau.
Mitten in der Großstadt mit dem Boot oder mit einem anderen Wassergefährt herumschippern, direkt am Ufer Rad fahren – das alles und noch viel mehr bietet die Stadt damit ihren Bewohnern. Inklusive einiger kostenloser Wasserzugänge. Danach in eine der zahlreichen Lokalitäten einkehren. Von internationaler Küche im Bootshaus bis zum Steckerlfisch im Golfstüberl wird hier jeder Gaumen fündig.
So viel Möglichkeiten in einer kleinen Stadt. Wenig verwunderlich, dass Wien laut „The Economist“ erneut die Rangliste der 10 lebenswertesten Städte der Welt anführt. Warum sudern wir Wiener eigentlich so gerne? Erheben wir lieber das Glas auf Wien. Am besten mit frischem Leitungswasser. Möge es ewig fließen.
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