Nach TV-Auftritt
Höcke: Der gefährlichste Politiker Deutschlands
Die AfD führt in einigen Teilen Deutschlands die Umfragen an. So auch in Thüringen. Dort durfte Landesparteichef Björn Höcke nun seine kruden Thesen mit Zuschauern des öffentlich-rechtlichen Fernsehens teilen: live und in Farbe. Der Auftritt verdeutlichte, warum der Politiker einer der düstersten Rechtsradikalen Deutschlands ist. Ein Porträt eines Gesprächs.
Deutschland debattiert aktuell über die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Der Streitpunkt: Ist der gebührenfinanzierte Rundfunk verpflichtet, einem Mann, der per Gericht als Faschist bezeichnet werden darf, eine Bühne zu bieten? Der MDR hat die Antwort in Form eines Sommergesprächs mit dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke gegeben.
„Ein Ausschluss der prägenden Figur der Thüringer AfD, die im Thüringer Landtag die drittgrößte Fraktion stellt, verträgt sich nicht mit unserem journalistischen Auftrag“, argumentierte der Sender auf seiner Website.
Höcke will Klassenzimmer von Behinderten und Migranten „befreien“
Die Rechnung folgte prompt. Was der Rechtsextremist als Bildungspolitik skizzierte, sorgt in Deutschland aktuell für Ekel. Der ehemalige Geschichtslehrer zählte im live gesendeten Gespräch „Belastungsfaktoren“ auf. Höcke stören vor allem zwei Personengruppen in deutschen Klassenzimmern: migrantische und behinderte Kinder.
Dieses Recht in Frage zu stellen, erachten wir als Tabubruch und schlicht als Skandal.
Ex-Bildungsministerin Ulla Schmidt
Bild: AFP
Inklusion sei nur eines der „Ideologieprojekte“, das Schüler nicht weiterbringen und „nicht leistungsfähiger“ machen würde. Davon müsse das Bildungssystem „befreit“ werden. Gewerkschaften und Behindertenvereine sind empört. Zum Hintergrund: Deutschland hat 2009 die UNO-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und sich damit zum Recht auf gleichberechtigte Teilhabe für alle Menschen bekannt.
„Dieses Recht in Frage zu stellen, erachten wir als Tabubruch und schlicht als Skandal. Angesichts dieser menschenfeindlichen Haltung können wir nur ahnen, wie Herr Höcke mit Menschen mit Behinderung umgehen möchte“, so die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gegenüber dem „Spiegel“.
Wirklich überraschend kommen die verbalen Entgleisungen von Höcke nicht. Der Rechtsextremist wirbt öffentlich auch schon mal mit der früheren SA‑Parole „Alles für Deutschland“- und beruft sich dann auf seine angebliche historische Unkenntnis. Oder wie es der ehemalige Geschichtslehrer nennt: „Fauxpas.“ Hier kam es mittlerweile zu einer Anklage.
Höcke selbst irritiert das wenig. Er will im Falle eines Wahlsiegs in die Regierungszentrale in Erfurt einziehen. „Wenn meine Partei mich auf dem Landesparteitag Ende des Jahres zum Spitzenkandidaten kürt und wenn wir dieses Ergebnis halten können und auch ausbauen können, das uns Umfragen prognostizieren, dann möchte ich selbstverständlich in die Staatskanzlei einziehen“, sagte er im MDR-Sommerinterview am Mittwoch.
Die AfD und ihre Verfassungsfeinde
Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Im Parlament ist die AfD vollkommen isoliert, alle anderen im Landtag vertretenen Parteien lehnen Bündnisse mit ihr ab. Eine Regierungsbeteiligung gilt derzeit als unrealistisch.
Dennoch: Umfragen sahen die AfD im Freistaat zuletzt mit Werten zwischen 28 und 34 Prozent als stärkste Kraft - noch vor der Linken von Ministerpräsident Bodo Ramelow. Faschisten und Neonazis sehen in Höcke einen Hoffnungsträger, der innerhalb der Partei als besonders einflussreich gilt. Deutsche Medien wie der „Spiegel“ nennen den Faschisten den „wahren Parteichef“.
Auch im Bund ist die AfD aktuell zweitstärkste Kraft:
Im gesamten Gesprächsverlauf mit dem MDR griff der AfD-Mann immer wieder auf rechtsextremes und NS-Vokabular zurück. Unter anderem warf er dem Bund vor, die Bildungspolitik mithilfe der Kultusministerkonferenz „gleichzuschalten“ und damit die Kompetenz der Bundesländer in der Bildungspolitik zu untergraben.
Vergleiche mit NSDAP-Umfragewerten
Höcke betonte: „Gesunde Gesellschaften haben gesunde Schulen.“ Und nach seiner Logik schließt das behinderte und migrantische Kinder aus. Denn Inklusion führe nicht dazu, „dass wir aus unseren Kindern und Jugendlichen die Fachkräfte der Zukunft machen“.
Hier lieferte die „Alternative für Deutschland“ auf ihrem kürzlich abgehaltenen Bundesparteitag eine „Lösung“: Angesichts des Fachkräftemangels setzt die AfD darauf, dass in Deutschland mehr Kinder gezeugt werden. Deutsche Kinder, versteht sich.
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa nannte die hohen Umfragewerte der AfD in einer Mitteilung am Mittwoch „mehr als ein erschreckendes Alarmsignal“ und zog Vergleiche zu den Werten der NSDAP bei der Reichstagswahl 1930.
Der geschichtsvergessene Geschichtslehrer
Höcke ruft seinen frenetischen Anhängern bei öffentlichen Reden gerne folgenden Satz zu: „Wir sind die Ersten von morgen.“ Dem Geschichtslehrer dürfte auch hier entfallen sein, dass jene Worte auf einer Todesanzeige für den NS-Kriegsverbrecher Rudolf Heß verewigt wurden - dem langjährigen Stellvertreter von Adolf Hitler.
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