Alpin-Idol zu K2-Drama

Messner: „Anonymität wie in der Großstadt“

Ausland
10.08.2023 16:47

Der Tod eines Trägers am zweithöchsten Berg der Welt hat für einen Aufschrei gesorgt. Der Mann soll von etwa 70 Alpinisten kurz vor dem Gipfel zum Sterben zurückgelassen worden sein. Die Vorgänge sollen nun von einer Kommission untersucht werden. Bergsteigerikone Reinhold Messner übte harte Kritik: „Solidarität ist einem Egoismus gewichen.“

Der Unfall hatte sich am 27. Juli ereignet. Der 27-jährige pakistanische Höhenträger Muhammad Hassan lag in der gefürchteten Schlüsselstelle, der Flaschenhals-Traverse vom K2. Nach einem Sturz in den frühen Morgenstunden beim Montieren eines Fixseiles war der 27-Jährige offenbar zu schnell für tot erklärt worden.

Messner prangert einen „Tourismus am Berg“ an. (Bild: APA/dpa/Roland Weihrauch)
Messner prangert einen „Tourismus am Berg“ an.

Rund 70 Alpinisten, darunter laut Berichten mutmaßlich auch die norwegische Extrembergsteigerin Kristin Harila und ihr Sherpa-Team, stiegen beim Auf- und Abstieg über den leblosen Körper oder gingen knapp daran vorbei. Inzwischen tauchten Videos auf, die den Träger am Unglücksort noch am Leben zeigten.

Messner nicht überrascht
Für Bergsteigerlegende Messner sind die noch nicht erwiesenen Vorgänge keine Überraschung. Es handle sich um die Folgen des „Tourismus am Berg“, der den traditionellen Alpinismus, für den er sich ein Leben lang eingesetzt habe, zunehmend verdrängte. Man könne mittlerweile den K2 und andere höchste Berge „wie im Reisebüro buchen“ und werde anschließend „von den Sherpas auf Pisten hinaufgebracht“.

Videos in sozialen Medien zeigen, wie ein Mann in gelben Anorak im Schnee liegen gelassen wird: 

Diese „Expeditionen“ hätten hunderte Teilnehmer - entsprechend herrsche auf den Bergen auch eine „Anonymität wie in der Großstadt“. Das Ich stehe nun im Vordergrund: „Man kennt sich nicht mehr. Es schaut jeder nur auf sich. Es gibt keine Hilfsbereitschaft und Empathie, wie es früher noch selbstverständlich war. Damals sind sogar Weltklassebergsteiger abgestiegen, wenn jemand anderer Probleme hatte, um ihm zu helfen.“

Ohne Verantwortung, kein Mitgefühl?
Dadurch, dass man solche Himalaya-Besteigungen mittlerweile „buchen“ könne, gehe auch das Verantwortungsgefühl komplett verloren, so der Südtiroler, der natürlich auch den K2 erklommen hatte. Wenn einem die Verantwortung von vornherein komplett abgenommen werde, wie soll jemand dann in solchen Situationen ein Verantwortungsgefühl für andere entwickeln, fragte Messner. Die Folge sei Empathielosigkeit.

Messner betonte gleichzeitig, dass man bei solchen Berichten vorsichtig sein müsse, weil es sich oft auch um Kolportagen von Leuten handle, die solche Geschichten erfinden würden, weil sie den Gipfel nicht erreicht hätten. Aber in dem Fall scheine es aufgrund mehrfacher Schilderungen wohl zu stimmen.

„Jemand hätte dem armen Kerl helfen müssen“
„Es ist bedauerlich, dass niemand anhielt, um dem sterbenden Mann zu helfen“, sagte unterdessen Abu Zafar Sadiq, Präsident des pakistanischen Alpinclubs, der Nachrichtenagentur dpa. Mehrere Lawinen seien am Unglückstag an einem Engpass am K2 ausgelöst worden, der schwierigsten und tödlichsten Stelle vor dem Gipfel. „Einige der Bergsteiger wurden von den Lawinen getroffen, aber zum Glück wurde niemand mitgerissen“, sagte Sadiq weiter. „Wie auch immer die Umstände waren, jemand hätte dem armen Kerl helfen müssen.“

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