Der neue Bullen-Trainer Gerhard Struber (46) im Interview: Wie er mit Kritikern umgeht, was ihm der Job bedeutet, ob er sich neue Spieler wünscht
„Krone“: Gerüchten zufolge soll schon im Winter mit Ihnen über die mögliche Nachfolge von Matthias Jaissle gesprochen worden sein. Was ist dran?
Gerhard Struber: Das stimmt nicht! Gleichzeitig weiß man aber, dass ich mit dem Verein seit Jahren im Austausch bin. Es ist kein Geheimnis, dass Christoph Freund und ich eine Freundschaft pflegen und uns immer wieder über den Klub, aber auch die Möglichkeit unterhalten haben, Spieler in New York den nächsten Schritt machen zu lassen. Um Vertragsgeschichten zwischen uns ging es da nie. Die ersten ernsthaften Gespräche gab es dann am Freitag vor zwei Wochen, als mich Stephan Reiter angerufen hat. Da kam alles ins Laufen, was auch für mich überraschend war.
Sie bezeichnen Salzburg als Ihren Herzensverein. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie den Vertrag als Cheftrainer unterschrieben haben?
Es war etwas Besonderes. Wenn man über einen längeren Zeitraum im Ausland war, kommt die Sehnsucht auf, auch wieder zurückzukehren. Ich kann wieder mehr Zeit mit meiner Familie verbringen und gleichzeitig nur 25 Kilometer von daheim entfernt – und nicht Tausende – bei einem der coolsten Klubs Europas arbeiten. Hier gibt“s Standards, die man selbst bei Topklubs nicht vorfindet. Das schätze ich sehr. Ich habe vieles gesehen und weiß daher, dass das, was wir hier haben, das oberste Regal ist.. Ich weiß aber auch, welche Verantwortung und welche Verpflichtung das ist.
Wie hat Ihre Familie reagiert?
Sehr positiv! Mein Sohn spielt ja in der U15 in der Akademie. Ich sehe meine Tochter wieder öfter, auch für meine Frau ist es eine besondere Sache. Als Cheftrainer braucht es aber immer diese Flexibilität, da verschwimmen Grenzen ein Stück weit. Das kann man auch für die Zukunft nicht ausschließen. Jetzt habe ich aber das Glück und die Riesenchance, Dinge hier in Salzburg voranzubringen.
In sozialen Medien wehte Ihnen vor Ihrer Bestellung ein rauer Wind entgegen. Wie sehr haben Sie das wahrgenommen?
Ich habe das schon ein Stück weit verfolgt. Es gibt immer unterschiedliche Zugänge und Meinungen. Alle, die hinter mir standen, aber auch alle, die das kritischer gesehen haben, möchte ich überzeugen. Es gibt immer Kritiker, die will man auch zufriedenstellen. Ich nehme das kämpferisch an und will hier jeden Tag überzeugen, um zu zeigen, dass ich der richtige Mann bin.
In New York waren Sie in eine Rassismus-Debatte involviert, weil einer Ihrer Spieler einen Gegner rassistisch beleidigte. Hinterher haben Sie eingeräumt, dass Sie Ihren Schützling sofort vom Platz nehmen hätten sollen. Wie sehen Sie den Fall mit einigen Monaten Abstand?
Ich habe meine Lehren daraus gezogen und wurde ein Stück weit Passagier in diesem extremen Fall. Ich habe das aber gut mit meinem Umfeld reflektiert, das Thema ist für mich erledigt.
Sie haben sich, was für einen Trainer ungewöhnlich ist, nach Ihrem ersten Spiel mit Mikrofon an die Fans gerichtet. Was hatte es damit auf sich?
Didi Ziesel (Stadionsprecher, Anm.) hat mir das Mikro überreicht, das passierte ad hoc. Ich habe einen Rückhalt gegen Wattens gespürt, der sehr cool war. Daher habe ich den Moment genützt und meine Dankbarkeit ausgedrückt.
Vor sechs Jahren wurden Sie Teamchef in Liefering, heute sind sie Cheftrainer bei Red Bull Salzburg. In welchen Bereichen haben Sie sich seither besonders weiterentwickelt?
In vielen Bereichen, denke ich! Man wird mit den Jahren gelassener, aber auch entscheidungssicherer. In der Fußballidee bin ich vielseitiger als damals. Ich spiele auf einer größeren Klaviatur und kann schwierigere Momente gut begleiten und führen. Durch die Erfahrung steigt die Souveränität. Ich habe vieles erleben dürfen, etwa im Abstiegskampf mit Barnsley, hatte aber auch coole Spiele mit dem WAC in der Europa League oder habe es in New York immer in die Play-offs geschafft. Das war für uns etwas ganz Großes. Diese Jahre haben mich sehr geprägt.
Welche Tugenden, abgesehen vom Red-Bull-typischen Pressing, muss die Mannschaft auf den Platz bringen?
Jeder hier muss am Heimweg nach einem Spiel spüren, dass wir alles in die Waagschale geworfen haben. Es geht um den unmissverständlichen Willen, alles zu tun, um den Zweikampf zu gewinnen, alles in ein Duell zu werfen. Es ist wichtig, ein Miteinander zu schaffen, sodass ein X-Faktor entsteht und wir gefühlt mehr laufen können als der Gegner. Die Stimmung muss gut sein, die positive Haltung muss da sein. Wir dürfen nicht hadern, es braucht einen klaren Plan. Und wir müssen die Jungs wirken lassen. Sie dürfen mutig sein, sie dürfen Fehler machen. Wir müssen zugleich aus Fehlern lernen und es nächstes Mal besser machen. Ich will keine Fehlervermeider, sondern Jungs, die Mut zum Risiko haben.
Die zweite Halbzeit gegen die WSG Tirol war stark, gegen Inter gab es einen Schlagabtausch. Wieviel Struber-Fußball steckte da schon in den Bullen?
Am Ende wollen wir gewinnen, das ist klar. Ich will eine stabile, gut organisierte Mannschaft haben. Das ist mir ganz wichtig. Wir wollen effizient im Pressing sein und viele Tore schießen. Speziell daheim wollen wir dominant sein und den Jungs auch Freiheiten im letzten Drittel geben, um ihre Fähigkeiten zu entfalten. Ich will ihnen einen großen Rahmen geben, sie aber auch kontrolliert und dominant in dieses letzte Drittel führen.
Apropos „Null halten“. In der Bundesliga führt ihr die Tabelle an, punkte- und torgleich mit Sturm. Wie nehmen Sie den Zweikampf wahr, glauben Sie, dass es auch andere starke Konkurrenten gibt?
Ich finde die Liga in Österreich sehr positiv. Es gibt einige Vereine, die international unterwegs sind. Wir haben gemeinsam Punkte für die UEFA-Wertung in den letzten Jahren gesammelt, Red Bull Salzburg hatte dabei den Löwenanteil. Ich glaube, dass es in der Meisterschaft ein harter Kampf wird. Neben Sturm gibt es auch andere interessante Klubs. Austria Wien macht gute Schritte, der LASK hat richtig viel investiert in seinen Kader. Einige Mannschaften haben zugelegt, aber unser Blick ist in erster Linie auf uns gerichtet.
Jeder erwartet Titel. Bedeutet das Druck oder Ansporn?
Es ist ein Druck, der mich anspornt. Wir haben eine große Chance, mit dieser Mannschaft wieder Titel einzufahren. Die letzten Jahre waren für Red Bull Salzburg nicht immer leicht, man muss alles in die Waagschale werfen, um es am Ende so hinzubekommen, wie man möchte. Denn auch die anderen Klubs in Österreich legen zu und machen gute Transfers.
Die anderen legen zu, aber Salzburgs Kader ist noch besser aufgestellt. Viele sind aufgrund von Verletzungen noch gar nicht fit. Wie viel Luxus und wie viel Qual der Wahl ist dabei, wenn Sie sich den Kader vor Augen führen?
Es ist ein Luxus, aber gleichzeitig eine große Herausforderung, Personalentscheidungen gut zu moderieren und zu kommunizieren. Das Wichtigste ist, den richtigen Mix zu finden. Es gibt Stamm- und Ankerspieler, die sehr oft am Platz stehen werden. Aber es gibt so viele junge Talente, die zu Spielzeit kommen werden und dann ihre Möglichkeiten nutzen sollen.
Haben Sie schon den perfekten Überblick, um sagen zu können, welche Kaderwünsche Sie noch haben?
Ich habe einen guten, aber keinen perfekten Überblick über die Kaderstruktur und Qualität. So wie wir im Moment aufgestellt sind, bin ich sehr glücklich. Gleichzeitig schauen wir immer, ob sich am Markt etwas Spannendes anbietet. Aber wir haben gar keinen Druck, noch unbedingt etwas zu machen. Augen und Ohren sind trotzdem offen.
Sehen Sie noch Bedarf?
Ich sehe im Moment wenig bis gar keinen. Wir sind in allen Linien gut unterwegs. Falls Bedarf besteht, gibt es unsere Kooperationsspieler beim FC Liefering. Man muss halt schauen, wer reif genug für den nächsten Schritt ist.
Piatkowski wird noch gehen?
Es geht in diese Richtung.
Mit Solet und Koita rechnen Sie fix?
Ja, das ist der Stand der Dinge.
Früher waren Sie für die Austria aktiv, jetzt für Red Bull Salzburg. Wie gehen Sie an das Stadtderby im Cup heran?
Ich muss ehrlich sagen, dass ich mich mit dem Thema noch gar nicht beschäftigt habe. Ich weiß, dass wir gegen die Austria spielen, aber wir haben noch so viele Dinge dazwischen abzuhandeln. Wenn es so weit ist, bereite ich mich professionell darauf vor.
Es sind noch drei Wochen bis zur Champions-League-Auslosung. Haben Sie einen Wunschgegner?
Ja, den gibt es. Der ist gar nicht so weit weg von Salzburg. Bayern München würde ich gerne haben. Ein Duell mit dem zukünftigen Klub von Christoph Freund wäre etwas ganz Besonderes.
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