Besondere Insolvenzen erfordern besondere Maßnahmen, dürfte sich das Landesgericht St. Pölten gedacht haben - und bestellte für das Debakel rund um Kika/Leiner Mitte Juni nicht nur einen klassischen Sanierungsverwalter, sondern auch einen Sondermasseverwalter.
Kommt höchst selten vor. Jedenfalls für diesen alleinigen speziellen gerichtlichen Auftrag bei Kika/Leiner: Er möge „die Ursachen des Vermögensverfalls“ und die „Durchsetzung von Ansprüchen aus der Verletzung von Gläubigerschutzbestimmungen“ prüfen.
Immerhin geht es um die größte österreichische Pleite seit zehn Jahren. Um das Schicksal von rund 2000 Mitarbeitern. Um drohende Verluste für die Steuerzahler in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro. Und um einen ehemaligen Eigentümer (René Benkos Signa-Gruppe, Anm.), der kurz nach dem überraschenden Verkauf von Kika/Leiner Ende Mai, nur wenige Tage vor der Pleite, erklärt hatte, für ihn sei Kika/Leiner „ein sehr gutes Investment“ gewesen.
„Verhandlungen mit der Signa-Gruppe“
Zwei Monate später steht fest: Die Signa-Gruppe von Kaufhausjongleur Benko wird Besuch bekommen. Vom gerichtlich beauftragten Sondermasseverwalter Stephan Riel. Das geht aus dem Protokoll einer vertraulichen Sitzung des Gläubigerausschusses hervor, der am 31. Juli am Landesgericht St. Pölten, Saal 216, unter Leitung des Insolvenzrichters zusammentrat. Riel berichtet gleich unter Tagesordnungspunkt 1 über „die bisherigen Erhebungen und Ergebnisse der Prüfung hinsichtlich allfälliger Insolvenzverschleppung, Mieten (marktkonforme Höhe); Zahlungen an verbundene/nahestehende Unternehmen“ sowie die „Verschmelzung der Rudolf Leiner GmbH mit der kika GmbH“, die rückwirkend zum 30. September 2021 erfolgte. Dann der Schlüsselsatz: „Der Sondermasseverwalter erläutert insbesondere die beabsichtigte weitere Vorgangsweise, wonach nunmehr Verhandlungen mit der SIGNA-Gruppe aufgenommen werden.“
Republik stundete Umsatzsteuereinnahmen
Offenbar ortet Riel Handlungsbedarf in Richtung Signa, die als Kika/Leiner-Eigentümer beispielsweise Mieten in Millionenhöhe Gruppen-intern von der Handelssparte in den Immobilienbereich transferierte. Von der Republik wurden darüber hinaus Umsatzsteuereinnahmen gestundet. Ein erster detaillierter Bericht der Insolvenzverwalter wird für 21. August erwartet.
Die Signa hatte das traditionelle Möbelhaus im Sommer 2018 unter tatkräftiger Mithilfe von ÖVP-Altkanzler Sebastian Kurz übernommen. Übrigens: Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer nimmt sowohl bei Signa als auch bei der Strabag als Präsident wesentliche Aufsichtsratsfunktionen wahr. Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner ist maßgeblicher Signa-Investor.
Als entscheidender Signa-Geldgeber gilt in Österreich die Raiffeisen-Bankengruppe, die der Signa-Gruppe laut „Spiegel“ in Summe etwa zwei Milliarden Euro geborgt haben soll. Zum Raiffeisen-Reich gehören auch Medienbeteiligungen, wie etwa der Kurier.
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