Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) muss sich wie zwei Vertraute wegen Falschaussage vor Gericht verantworten. Der Beschuldigte bleibt wie sein Lager entspannt. Man verstehe das „Theater“ nicht. Die Ankläger stünden auf „tönernen Beinen“.
Nun ist es also amtlich. Nach rund drei Jahren der Ermittlungen durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) steht das längst Erwartete fest: Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) muss sich wegen mutmaßlicher Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss vor Gericht verantworten. Er habe in Bezug auf die Besetzung des Chefpostens der ÖBAG nicht die Wahrheit gesagt. Darauf stehen drei Jahre Haft. Kurz ist unbescholten. Im Fall einer Verurteilung wird er nicht ins Gefängnis müssen. Erfahrene Ermittler sprechen süffisant von „drei Tagen Fernsehverbot“. Apropos drei: Der Hauptakt ist trotz langen Vorspiels auf nur drei Tage angesetzt. Prozessbeginn 18., erstes Urteil 23. Oktober.
Urlauber Kurz gibt sich entspannt
Neben Kurz müssen sich auch sein ehemaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli und die ehemalige Kurz-Vertraute und Casinos-Managerin Bettina Glatz-Kremsner wegen Falschaussage verantworten. Kurz urlaubt gerade. Und ist entspannt. Er ist überzeugt, dass sich die Vorwürfe vor Gericht in Luft auflösen werden. Tatsächlich gehen die Ankläger ein Risiko ein.
WKStA muss Vorsatz nachweisen können
Denn abgesehen vom objektiven Beleg der Falschaussage zu Angaben im U-Ausschuss und in Chats muss die WKStA einen Vorsatz nachweisen. Aus dem Lager des Ex-Kanzlers hört man von Anklagepunkten auf „tönernen Beinen“, wie es auch ÖVP-General Christian Stocker formuliert. Zudem verstehe man das „Theater“ nicht. „Es geht weder um Massenmord noch um Kriegsverbrechen.“ Die Vorwürfe seien konstruiert. Eine „rein semantische Debatte auf Basis von vier Stunden Aussagen vor dem Ausschuss, wobei sich Abgeordnete das herausgepickt haben, was ihnen passte für eine Anzeige“. Tatsächlich geht es um die Fragen, ob Kurz im Juni 2020 „involviert“ oder „informiert“, „nein“ oder „na“ gesagt hat.
Dennoch ist dieser Gang vor Gericht von enormer Symbolik. Die türkise Ära liegt nun endgültig auf dem Seziertisch der Justiz. Eine erstinstanzliche Verurteilung gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin wegen eines Nebenaspekts war erster Vorbote.
Strache und Schmid sind als Zeugen geladen
Was schwerer wiegen könnte, sind die Beschuldigungen gegen Kurz und weitere neun Personen in der Causa „Beinschab-Tool“. Geschönte Studien auf Steuerzahlerkosten dubios publiziert. Hier geht es um Untreue und Bestechung, bis zu zehn Jahre Gefängnis. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Vorab geht es um Falschaussagen. Als Zeugen geladen sind unter anderem Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache oder der potenzielle Kronzeuge Thomas Schmid. Richter ist der frühere Staatsanwalt im Eurofighter-Prozess – Michael Radasztics gilt als Vertrauter von Aufdecker Peter Pilz. Der Ex-Politiker nimmt mit Vorliebe ÖVP-Politiker ins Visier.
„Das Eis ist dünn“
Der an allen Verfahren unbeteiligte Grazer Strafrechtsexperte Gerald Ruhri sieht sehr wohl große Gefahren für Beschuldigte bei Prozessen wegen Falschaussagen. „Das Eis ist dünn. Es geht nicht um die Anzahl der Entlastungszeugen, sondern darum, wem der Einzelrichter glaubt. Es geht um die Macht seiner alleinigen Beweiswürdigung.“
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