Salzburgs Geschäftsführer Stephan Reiter blickt im Interview mit der „Krone“ auf den Abgang von Ex-Coach Jaissle zurück, spricht über seinen Einfluss bei den Bullen und verrät, dass der Meister vor einem neuen Rekordumsatz steht.
„Krone“: Trainer Jaissle ist weg, Sportdirektor Freund am Sprung - Salzburg hat turbulente Wochen hinter sich. Wie haben Sie diese wahrgenommen?
Stephan Reiter: Der Sommer ist grundsätzlich eine intensive Zeit, diesmal besonders. Die beiden Personalien muss man voneinander trennen. Einerseits der bevorstehende Abschied von Christoph, wo es vom Management her einen guten Austausch gab, alles in gemeinsamer Abstimmung passiert ist und wir uns darauf vorbereiten konnten. Andererseits die relativ kurzfristige Veränderung beim Cheftrainer. Ich würde nicht sagen, dass es turbulente Wochen waren, aber doch sehr intensive, in denen wir für Schlagzeilen gesorgt haben, wie man das von uns nicht so oft sieht.
Christoph Freund wurde in seinem letzten Heimspiel gegen die Austria verabschiedet, dabei standen auch Ihnen Tränen in den Augen. Wie sehr berührt sie sein Weggang?
Es ist eine sehr spezielle Situation. Wir haben gemeinsam hunderte Transfers abgewickelt, hunderte Heimspiele erlebt. Ich habe ja schon mal von einer Lebensgemeinschaft gesprochen, man hat doch sehr intensive Jahre gemeinsam verbracht. Es gibt viele sehr positive Erlebnisse, die uns verbinden, es gab auch die eine oder andere große Herausforderung. Da geht einem einiges durch den Kopf. Wir hatten tolle Erfolge, wir haben die Coronazeit gemeinsam bewältigt, wir haben es gemeinsam in die Champions League geschafft, unser Leitbild umgesetzt, sehr ehrgeizig und zielgerichtet gearbeitet. So ein Abschied ist dann schon etwas sehr Emotionales und Spezielles. In meiner bald 30-jährigen Berufslaufbahn habe ich noch nie mit jemandem so intensiv zusammengearbeitet wie mit Christoph.
Nach Ihrer scharfen Ansage bei der Freistellung von Jaissle folgten bei der Vollzugsmeldung seines Wechsels nach Saudi-Arabien amikale Worte. Sind Sie menschlich enttäuscht von ihm?
Ich würde nicht sagen, dass ich menschlich enttäuscht bin. Es ging mir um das Timing und die Art der Kommunikation. Und auch, wie die Verhandlungsabfolgen waren. Das war für uns als Klub inakzeptabel. Da muss man klar festhalten, dass niemand über dem Klub steht. Mit der Freistellung war klar, dass Herr Jaissle nicht mehr unser Trainer sein würde. Eine Stunde später haben sich alle Beteiligten dann auch geeinigt. Was hängen bleibt, sind zwei tolle Jahre mit schönen Erfolgen und ein super Transfer. Er hat, was er wollte und wir sind wieder super aufgestellt. Am Ende der Causa gibt„s daher nur Gewinner.
Die Ablöse war entsprechend hoch?
Die war in Ordnung (lacht).
Gerhard Struber hat die ersten Spiele als Cheftrainer absolviert. In der Liga gewann man zweimal ohne Gegentor, gegen Inter gab es ein Spektakel. Wie sehen Sie seine ersten Arbeitswochen?
Ich spüre eine super Stimmung innerhalb der Mannschaft, generell im ganzen Klub. Er wurde von allen sehr, sehr gut angenommen. Man hat gesehen, dass wir mit unserem Pressing und Fußball wieder klar in Richtung unserer Philosophie gehen. Es geht sehr vieles in die richtige Richtung. Genau das haben wir uns erwartet. Es ist doch ein großer Vorteil, wenn ein Trainer unseren Klub, unsere Geschichte, unsere Philosophie und unser Leitbild kennt.
Der Trainer ist neu, der Sportdirektor bald ebenfalls. Steigt damit Ihr Einfluss innerhalb des Vereins?
Nein, daran wird sich nichts ändern. Man muss sich neu strukturieren und koordinieren, Christoph und ich haben uns sehr gut ergänzt. Was sich aber ändern wird: Ich werde öffentlich in Zukunft wieder weniger häufig auftreten.
Es ging mir um das Timing und die Art der Kommunikation. Und auch, wie die Verhandlungsabfolgen waren. Das war für uns als Klub inakzeptabel.
Stephan REITER über den Abschied von Ex-Salzburg-Trainer Jaissle
Ihr Vertrag läuft bis 2026. Können Sie den Fans garantieren, dass Sie ihn auch erfüllen?
(lacht) Mir macht es Riesenspaß hier. Wir haben eine extrem spannende Zeit und wollen mit dem neuen Führungsteam die gewohnten Erfolge weiterführen. Wer den Fußball kennt, weiß aber, dass man nie etwas ausschließen kann.
Der Zuschauerschnitt ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Was waren die wesentlichen Schritte dafür?
Dass wir unser Leitbild und die Vision, wie wir den Klub führen wollen, allen erklärt und aufgrund unserer Erfolge greifbar gemacht haben. Dazu spielt auch unser Motto “Treue lohnt sich„ (Dauerkartenbesitzer haben ein Vorkaufsrecht für Tickets bei internationalen Spielen, Anm.) eine Rolle. Es gab Diskussionen, aber auch das Sperren des Oberrangs in der Liga gibt uns ein Stück weit recht. Wir haben rund 10.000 Dauerkarten, viel mehr sollten es auch nicht sein. International sind wir fast immer ausverkauft, gegen Inter kamen knapp 23.000 Zuschauer. Insgesamt geht da viel in die richtige Richtung, daher werden wir unseren Kurs beibehalten. Generell bewegt sich was in der Liga, der LASK hat ein neues Stadion, bei Sturm steigen die Zahlen. Das ist für alle gut.
In den Anfangsjahren der Red-Bull-Ära war der Schnitt noch höher, allerdings holte man damals Stars, die jedermann kannte. Ist der Zenit mit der aktuellen Philosophie erreicht oder geht noch mehr?
Man muss bei Vergleichen immer aufpassen. Das Angebot für den Fußballfan, Familien und Sportbegeisterte hat sich über die Jahre enorm verändert. Digital ist etwa die Verfügbarkeit anderer Ligen eine ganz andere. Daher denke ich schon, dass die Zuschauerzahlen in der Meistergruppe mit 14.000 bis 17.000 Zuschauern angesichts unseres Einzugsgebiets einen Zenit erreicht haben. International freuen wir uns auf eine ausverkaufte Arena, da sind die 30.000 Plätze auch genau richtig.
Die Zuschauerzahlen sind gut, die Stimmung sorgt aber für Kritik. In Foren und Facebook-Gruppen heißt es, dass man von den gegnerischen Fans in Grund und Boden gesungen wird. Wie stehen Sie dazu?
Wir haben eine tolle Entwicklung. Ich würde Facebook-Einträgen von Einzelpersonen oder kleinen Gruppierungen nicht zu viel Bedeutung beimessen. Fakt ist, dass wir 2245 Fanklub-Mitglieder haben die Stimmung bei unseren Heimspielen vorwiegend gut ist.
Die “Gruppo Fanatico" ist kein Fanklub, hat aber auf der Nord für Stimmung gesorgt. Zuletzt hat sie ihren Support eingestellt.
Richtig, die Gruppo Fanatico ist kein offizieller Fanklub. Wir haben eine ganz klare Fanklub-Charta, die jeder unserer zurzeit 56 Fanklubs unterschreibt. Diese wurde auch gemeinsam mit ihnen erarbeitet und wird von allen respektiert. Die Gruppo Fanatico hat abgelehnt, diese Charta zu unterschreiben. Aktuell sind vier Personen derzeit aufgrund diverser Vorfälle und in Absprache mit der Polizei mit einem Stadionverbot belegt. Wir wollen ein Stadion haben, wo der Spielbesuch zum Familienevent wird. Wir wollen, dass man mit Frau und Kindern in die Arena gehen kann. Wir wollen Spieltage zelebrieren. Jeder Fanklub und jeder Fan, der sich an die Grundregeln im Stadion hält, ist gerne gesehen. Wer das nicht tut, der kann sich ein anderes Stadion oder einen anderen Klub suchen.
In wenigen Wochen kommt es zum mit Spannung erwarteten Cup-Derby gegen die Austria. Welche Rolle spielt es für Sie?
Ich habe mit Herrn Salzmann (Austria-Präsident, Anm.) telefoniert, wir sind im Austausch. Für uns ist es kein Cupspiel wie sonst auch, es wird schon eine spezielle Begegnung, bei der ein ganz besonderes Augenmerk dem Thema Sicherheit gilt.
Seit Ihrem Einstieg als Geschäftsführer hat sich die finanzielle Lage des Klubs deutlich gebessert. Die 100-Milliionen-Schallmauer beim Umsatz wird regelmäßig geknackt, teilweise wurden hohe Gewinne eingefahren. Welche Punkte waren ausschlaggebend?
Einen entscheidenden Anteil haben da die Transfereinnahmen, da agieren wir schon auf sehr hohem europäischen Niveau und verzeichnen enorme Umsätze. Natürlich sind auch die Investitionen für österreichische Verhältnisse dementsprechend hoch. Verglichen mit Klubs wie Benfica, AS Monaco oder Ajax sind diese jedoch vergleichsweise niedrig. Wenn man sich in weiterer Folge unsere administrativen Kosten ansieht, also alles, was nicht mit der Mannschaft zu tun hat, sind wir auf Augenhöhe mit anderen Klubs außerhalb der Top 5-Ligen Europas, in Österreich auch vergleichbar mit Rapid. Natürlich sind wir für einen österreichischen Bundesligisten insgesamt sehr gut aufgestellt sind, für einen Champions-League-Teilnehmer sind wir in Relation ein relativ kleiner Klub.
Jeder Fanklub und jeder Fan, der sich an die Grundregeln im Stadion hält, ist gerne gesehen. Wer das nicht tut, der kann sich ein anderes Stadion oder einen anderen Klub suchen.
Stephan REITER über die Fan-Charta und Zuschauer, die sich nicht an die Regeln halten
Die genannten internationalen Klubs kommen wohl nicht von ungefähr. Sind nicht genau jene Vereine inzwischen die Konkurrenz, mit der man sich auf dem Spielermarkt misst?
Absolut! Wenn es um einen Markt für junge Talente geht, sind wir in einem ganz anderen Wettbewerb, da geht es um genau jene Klubs, teilweise aber auch noch größere. Wir wollen in internationalen Bewerben Ausrufezeichen setzen und unseren Salzburger Weg präsentieren. Daher treffen wir Investitionen in die Zukunft. Und die Transfererlöse geben uns recht.
In wenigen Wochen werden die Finanzkennzahlen für die Saison 2022/23 veröffentlicht. Können Sie uns schon Einblicke geben?
Ich kann es noch nicht im Detail sagen, weil die Zahlen in der finalen Prüfung sind, aber wir werden den Rekordumsatz aus der Saison 2019/20 - damals lag er bei 183 Millionen Euro - voraussichtlich übertreffen. Wir bleiben noch deutlich unter 200 Millionen, nähern uns aber an. Bei den Transfereinnahmen sind wir knapp unter 100 Millionen, was vor einigen Jahren noch völlig undenkbar war. Wir werden zudem beim Gewinn das zweitbeste wirtschaftliche Ergebnis der Klubgeschichte einfahren. Das zeigt, dass unser Weg sportlich und wirtschaftlich erfolgreich ist.
Hypothetische Frage: Wäre der Klub in seiner aktuellen Form dauerhaft ohne Red Bull überlebensfähig?
Wir haben mittlerweile ein Eigenkapital von über 100 Millionen Euro, was eine gute Absicherung ist. Die Frage stellt sich für mich aber nicht. Red Bull ist ein super verlässlicher Partner, der ein ganz klares Bekenntnis zum Fußball abgegeben hat. Zudem haben wir mit Red Bull und auch etlichen anderen Partnern langfristige Verträge.
Sie haben zu Beginn mit den Mitarbeitern ein Leitbild entwickelt, das eine besondere Bedeutung für Sie hat. Welche Rolle hat es konkret gespielt bei der Entwicklung des Vereins in den vergangenen Jahren?
Es wird bei uns jeden Tag gelebt. Ob im Marketing, Spielerbereich oder Mitarbeiter-Recruiting - wir setzen das konsequent um. Wir haben es jetzt auch noch einmal überarbeitet, im Herbst wird es in leicht adaptierter Form unseren Mitarbeitern vorgestellt, weil wir mit den Frauen einen neuen Bereich bei uns haben, über den wir uns sehr freuen.
Salzburg ist Serienmeister, Stammgast in der Champions League und so dominant wie kein österreichischer Klub zuvor. Wie will man das in der Zukunft steigern?
Faktisch kann man das nicht steigern. Aber der Sport bleibt immer ein Stück weit unberechenbar. Bei Teams wie Sturm oder dem LASK passiert viel, ich hoffe, dass auch die Wiener Vereine wieder eine entscheidende Rolle spielen. Wir alle brauchen einen guten Wettbewerb, denn dadurch kannst du dich weiterentwickeln. Es geht für uns darum, den Wettbewerbsvorsprung zu halten oder vielleicht sogar auszubauen. Man sieht, dass andere Klubs Teile unserer Philosophie übernehmen - teilweise mit großem Erfolg. Wir müssen daher konsequent und kontinuierlich weiterarbeiten, um die Flughöhe und zugleich den Abstand zu den Mitbewerbern zu halten.
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