Argumente der Ankläger gegen jene der Verteidigung. Experten erwarten ein offenes Rennen im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Und analysieren mögliche Entwicklungen.
Es ist der 18. Oktober 2023. Landesgericht für Strafsachen in Wien. Prozessauftakt gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen Falschaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss. Der Saal ist voll wie das Schweizerhaus am letzten schönen Tag im Oktober. So viel ist fix. Was am Ende der dreitägigen Verhandlung herauskommt, ist indes völlig ungewiss. Große Frage: Kann die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Kurz den (bedingten) Vorsatz nachweisen?
Kurz bestreitet alle Vorwürfe
Der Ex-Kanzler selbst hielt gegenüber den Behörden fest, dass seine Aussagen vor dem Ausschuss am 24. Juni 2020 „durchwegs meinem damaligen Wissens- und Erinnerungsstand“ entsprochen hätten: „Ich hatte nicht die geringste Absicht, falsche Aussagen zu machen, und habe dies auch nicht getan.“ In diesen Sätzen steckt die zentrale Argumentation von Kurz, dem vorgeworfen wird, über seine Rolle bei der Bestellung des Ex-Vertrauten Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef nicht die Wahrheit gesagt zu haben: Sollte es eine Falschaussage gewesen sein, was Kurz vehement abstreitet, dann ohne Absicht. Es stehen Chats gegen Aussagen im Ausschuss. Und entlastende Zeugenaussagen gegen die belastenden Schmids.
„Das Strafverfahren war angesichts der Faktenlage unausweichlich“, sagt Strafrechtsexperte Johannes Zink. Bedingter Vorsatz heißt auch schon, „wenn Kurz es in Kauf nahm, dass ihn die Abgeordneten falsch verstehen könnten“. Ein Argument pro Kurz könnte der „Aussagenotstand“ sein. Falsch aussagen ist straffrei, um strafrechtliches Ungemach von sich fernzuhalten.
So erreichte Oberstaatsanwalt Johann Fuchs (ebenfalls Vorwurf der Falschaussage im Ausschuss) einen Freispruch. Die WKStA hält jedoch fest, Kurz habe aus rein politischen und optischen Gründen falsch ausgesagt. Zink: „Ich sehe den Aussagenotstand für Kurz auch nicht. Zudem muss man davon ausgehen, dass neben der WKStA auch alle anderen Instanzen diese Möglichkeit geprüft haben.“
Showdown: Der Zeuge ist noch kein Kronzeuge
Alles letztlich eine Frage der Beweiswürdigung durch den Einzelrichter. „Es zählt, welcher Argumentation er folgt“, sagt auch der Grazer Anwalt Gerald Ruhri. Dies habe auch Vorteile. Bei Verurteilung kann man in der Berufung auch neue Beweismittel einbringen. Bei Laiengerichten, wo es um Strafen ab fünf Jahren geht, ist das nicht möglich. „Da kann man nur wegen formaler Gründe berufen.“
Zunächst gibt es den Prozess im Oktober. Und ein erstes Urteil. Fix ist auch: Einer der Zeugen ist Thomas Schmid. Die perfekte Dramaturgie für einen Showdown mit dem Mann, der die ÖVP auch in anderen Causen belastet, die ihn jedoch der Lüge bezichtigt, weil er Kronzeuge werden wolle. Sein Wunsch ist übrigens noch nicht erfüllt. Auf Anfrage sagt die WKStA, es gebe keinen Vorhabensbericht dazu.
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