Der wahre Defender?

Ineos Grenadier: Es gibt da ein Missverständnis …

Motor
23.08.2023 05:00

Über den Ineos Grenadier herrscht ein großes Missverständnis vor, das teils sogar von der Fachpresse verbreitet wird: Er ist kein „Defender-Klon“, auch wenn auf Fotos der Eindruck entsteht. Doch in Wahrheit beschränken sich die Ähnlichkeiten rein auf die Optik. Und selbst dieser Schein trügt bei näherer Betrachtung.

(Bild: kmm)

Bei einem Event des German Car Awards ergab sich die Gelegenheit, den Wagen on- und offroad zu testen. Ich war vorbereitet auf ein Fahrerlebnis wie im klassischen Land Rover Defender, der nach fast 70 Jahren und rund zwei Millionen Exemplaren zum letzten Mal vom Band gelaufen ist. Kult, Automobilgeschichte, ein echter Arbeiter, selbst die Versionen mit V8 unter der Haube. Einer fürs Grobe, ebenso hart im Nehmen, wie es sein Fahrer sein sollte.

Sogar in natura betrachtet könnte man den Ineos Grenadier von Weitem mit dem Ur-Defender verwechseln. Doch als ich näherkam, fiel mir auf, dass jener viel größer und wuchtiger ist als dieser. Und das wurde spätestens beim Einsteigen klar, weil man ebenso großzügig wie bequem sitzt, ohne den fensterseitigen Arm abschrauben oder den Ellbogen bei geöffnetem Fenster auf der Türkante ablegen zu müssen.

Mit 1,93 Meter ist der Ineos 14 Zentimeter breiter als das schmalbrüstige klassische Vorbild, mit 4,90 Meter elf Zentimeter länger als der längste Defender, mit gut zwei Meter Höhe liegen sie gleichauf. Ich gebe zu: Die Zahlen haben mich überrascht - der tatsächliche Unterschied fühlt sich größer an. Es ist ein Klassenunterschied im Vergleich zum ersten Defender.

Der Innenraum ist eine Mischung aus Flugzeugcockpit, SUV und Maschinenführerstand. Mittelkonsole und Dachhimmel sind übersät von Schutzbügel-bewehrten Schaltern mit kleinen, Drehknöpfen und Tastern. Das wirkt cool und vermittelt eine gewisse Opulenz an Möglichkeiten. Jedoch befinden sich am Dach nicht nur vorsorglich mitbestellbare Schalter für Zubehör und Nebenaggregate (wie Seilwinde oder Zusatzscheinwerfer etc.), sondern auch so wesentliche wie die für die Differenzialsperren. Das ist unpraktisch.

Da, wo er hingehört, steckt der Hebel für die Untersetzung und das 50:50-Fixieren des Allradantriebs. Daneben: ein von BMW bekannter Automatikwählhebel. Den übernimmt Ineos samt der dranhängenden Achtstufenautomatik samt Dreiliter-Sechszylinder-Motoren als Diesel und Benziner.

Das Lenkrad stammt von Mini, was weniger irritiert als die Tatsache, dass man dahinter nur auf eine kleine schwarze Leiste blickt, die einige Kontrollleuchten beinhaltet. Alle weiteren Infos bekommt man über den aufgesetzten zentralen Touchscreen, von der Fahrgeschwindigkeit über die Drehzahl bis hin zu Navi und Geländefunktionen, von denen es jede Menge gibt. Natürlich auch entsprechende Fahrmodi.

Für bequemen Halt auch im wüstesten Gelände bei ambitionierter Fahrt im Rallye-Stil sorgen die Recaro-Sitze. Sollte man im Schlamm mal aussteigen müssen, kann man den Innenraum hinterher ausspritzen. Ein Wasserablass ist vorhanden. Die Materialien generell unempfindlich. Wasser bitte dennoch nicht höher als bis an die Sitzunterkanten!

Komfort und Nehmerqualitäten
Im Gelände wird der Ineos Grenadier seinem Vorbild locker hinterherkommen, denn er bringt die althergebrachten faktischen Offroad-Qualitäten mit, ohne konstruktive Defizite durch elektronischen Firlefanz ausgleichen zu müssen (wie der offizielle neue Defender), der im Fall eines Defekts am Ende der Welt kaum zu reparieren sein wird. Die Bodenfreiheit ist mit 264 mm sogar 15 mm größer als beim Urvater. Dazu kommt, dass der Grenadier verglichen mit dem Defender eine Sänfte ist. Trotz Leiterrahmen und Starrachsen. Das Fahrwerk umfasst massive Mehrlenker und einen Panhardstab vorn und hinten.

Die Wattiefe beträgt 80 Zentimeter. (Bild: Ineos)
Die Wattiefe beträgt 80 Zentimeter.

Das Komfortgefühl ist wohl der größte Unterschied zwischen Ur-Defender und Grenadier. Auf der Straße gibt der Ineos den Asphaltschmeichler und ermöglicht etwas, das das Vorbild nicht bieten konnte: ermüdungsfreie Langstreckenfahrten.

Einzig die Lenkung nervt, weil sie keinerlei Rückstellkräfte aufbaut. Was im Gelände noch Vorteile haben mag, ist auf der Straße im besten Fall gewöhnungsbedürftig. Aber da ist das letzte Wort der Verantwortlichen noch nicht gesprochen.

Feine Motoren
Über die angebotenen Motoren braucht man eigentlich nicht viel zu sagen Die BMW-Reihensechszylinder sind einfach nur erstklassig. Der Benziner liefert 286 PS und 450 Nm ab, der Diesel 249 PS und 550 Nm. Beiden wird ein Höchsttempo von 160 km/h zugestanden. Und sie sorgen auch für beachtliche Beschleunigung des ohne Fahrer rund 2,7 bzw. rund 2,8 Tonnen schweren Fünfsitzers: Der Standardsprint dauert beim Benziner 8,8, beim Selbstzünder 9,8 Sekunden.

Beim Verbrauch langt vor allem der Benziner hin: knapp 15 Liter nach WLTP. Der Diesel begnügt sich mit 10,5 bis 12,2 l/100 km.

(Bild: Ineos)

Ein britisches Auto?
Ursprünglich hätte der Grenadier ein zutiefst britisches Auto werden sollen, schließlich wollte sich Jim Ratcliffe, der reichste Mann auf der Insel, seinen persönlichen Defender-Nachfolger bauen. Doch der Offroader hat nicht nur keine britischen Komponenten, er wird nicht einmal in Großbritannien gebaut - sondern im ehemaligen Smart-Werk im Elsass. Entwickelt bei Magna in Österreich, Motoren von BMW aus Bayern, Getriebe von ZF aus Baden-Württemberg, Achsen von Carraro aus Italien, viele Teile der Elektronik von Bosch.

Fahrzit
Warum kommt so etwas nicht von Land Rover? Der Ineos Grenadier ist als Defender-Nachfolger deutlich legitimer als der offizielle, der mit Einzelradaufhängung, viel Elektronik und Plastikoptik kein klassischer Offroader, sondern ein geländepotentes SUV ist. Und das Design ist im besten Sinne eine Weiterentwicklung des Originals.

Beim Preis wird Ineos dann aber doch noch britisch-schrullig: Weder auf der Website noch in den Presseunterlagen wird angegeben, was der Wagen in Österreich inklusive NoVA kostet. Der Satz von über 50 Prozent beim Benziner ist dem Hersteller offensichtlich unangenehm. So auch der Basispreis, den man erst erfährt, wenn man im Konfigurator zur Kasse geht: Der Fünfsitzer namens Station Wagon kostet mindestens 126.000, der zweisitzige Utility Wagon mindestens 100.000 Euro. Immerhin nicht Pfund.

Warum?
Er ist der wahre Defender-Erbe
Offroadfähig und komfortabel

Warum nicht?
Faktisch ist hier nur die Lenkung zu nennen.
Und der Verbrauch.

Oder vielleicht ...
... Mercedes G-Klasse, Jeep Wrangler

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(Bild: KMM)



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