Album „Road“

Altmeister Alice Cooper huldigt seiner Liveband

Musik
23.08.2023 09:00

Mit 75 will es Schockrocker Alice Cooper noch einmal wissen - sein 29. Studioalbum „Road“ spiegelt in 13 Songkapiteln die Liebe zu seiner Band, Liveauftritten und Konzerttourneen wider. Mit den Könnern an den Instrumenten klingt er frisch und juvenil wie eh und je.

(Bild: kmm)

So ganz genau kann die Zahl wohl von Alice Cooper selbst nicht mehr rekonstruiert werden, glaubt man aber der kundigen Rechercheplattform setlist.fm, dann hat der Altmeister des Schockrocks im Laufe seiner mehr als 50-jährigen Karriere rund 3.500 Livekonzerte gespielt. Bei einer solchen Anzahl sammelt sich nicht nur viel Erfahrung an, es passieren einem auch unzählige Dinge oder Absurditäten, an die man sich erinnert, bis der allerletzte Vorhang fällt. Nachdem Cooper die Pandemie genützt hat, um mit seinem letzten Studioalbum „Detroit Stories“ an seine Herkunftsstätte zurückzugehen und die international wenig populäre Stadt im gleißend-kantigen Rock’n’Roll-Licht zu präsentieren, ist das hier vorliegende 29. Studioalbum des unermüdlichen Gruselpapstes ein Manifest für seine Livekarriere. Schlicht „Road“ betitelt, geht es in 13 zeitlosen Songkapiteln um all die tollen Erlebnisse, Erinnerungen und Erfahrungen, die man als musizierender Weltenbummler so macht.

Topfit im Alter
Dass Alice aka Vincent Damon Furnier auch mit 75 handgezählten Lebensjahren noch eine Live-Macht ist, das bewies er erst vor wenigen Wochen mit den Hollywood Vampires auf der oberösterreichischen Burg Clam. Freilich - das Areal füllte die Anwesenheit von Schauspieler und Skandalnudel Johnny Depp, doch Cooper, seit mehr als vier Dekaden staubtrocken, befindet sich noch immer in beneidenswerter Top-Form und dirigierte das Publikum, während Depp und Aerosmith-Gitarrist Joe Perry links und rechts von ihm über die Bühne wankten. Die Inspiration, das neue Studioalbum konzeptionell an die Tourneen und Liveauftritte anzulehnen, kam ihm aber nicht über seine All-Star-Reise, sondern durch die Mitstreiter seines Brotjobs bei Alice Cooper.

„Selten im Leben passiert es, dass eine Band so gut funktioniert, dass man sie länger festhalten möchte“, gab Cooper in einem Interview vorab bekannt, „meine Band ist aber so gut, dass ich sie unbedingt gebührend feiern wollte. Und um ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten ins rechte Licht zu rücken, haben wir auf sämtliche Overdubs und technische Spielereien verzichtet.“ Alice Cooper ist oldschool und lässt sich von modernen Produktionstechniken nicht überrumpeln. So klingt „Road“ mit seinem langjährigen Freund und Haus-und-Hof-Produzenten Bob Ezrin zwar durchaus zeitgemäß, aber eben roh und ursprünglich genug, um sich auch noch halbwegs realistisch in die goldenen 70er-Jahre einfühlen zu können. Dort soff Alice zwar noch wie ein Loch, kreierte aber mitunter seine beste Musik.

Schnittige Präzision
Von kreativen Glanzleistungen ist der sympathische Rockstar zwar etwas entfernt, doch im Gegensatz zu vielen Alterskollegen braucht sich der Hutträger mit neuen Songs nicht zu verstecken. „Road“ ist eine wundervolle Ansammlung zeitloser Hard-Rock-Klassiker, die sich zwischen (Männer)Humor, eruptiven Riffscharaden und sanften Balladen befinden und dabei ganz gut das Sein und Wesen von Alice Cooper als Kunstfigur subsummieren. Besonders viel Platz räumt er seinem kundigen Gitarreistentrio ein. Tommy Henriksen, Ryan Roxie und die von einem eher mauen Demi-Lovato-Livegastspiel zurückgekehrte Nita Strauss riffen und gniedeln sich gegenseitig in Grund und Boden und treiben Songs wie „Dead Don’t Dance“ oder „Big Boots“ mit schnittiger Präzision voran. Coopers Hauptziel war es, die Band so klingen zu lassen, als würde man sich auf Tour treffen und gerade loslegen, was der trocken-semianalogen Produktion auch überraschend gut gelingt.

Bereits beim Eröffnungstrio treten Cooper und seine Spießgesellen das Gaspedal durch und zeigen, dass man nichts an Feuer und Frische eingebüßt hat. Beim Opener „I’m Alice“ wird die kultige Kunstfigur noch einmal breitenwirksam vorgestellt, „Welcome To The Show“ leitet die Hörer dann in das folgende Rocktheater und „All Over The World“ erinnert an das Nomadentum, das bei Rockstars in ihrem natürlichen Habitat mit einhergeht. In den einzelnen Kapiteln grast Alice verschiedene Stationen und Geschichten ab, die auf Tour so passieren. Die unverzichtbaren Groupies („Go Away“), der Trucker, dessen Zuhause die Straße geworden ist („White Line Frankenstein“), die unverzichtbaren Bühnenarbeiter und Crewmitglieder („Road Rats Forever“), die Regeln, wie man als junger Künstler auch finanziell möglichst gut davonkommt („Rules Of The Road“) oder die Tatsache, dass man auf Tour immer noch ein Scherflein drauflegen kann, auch wenn man schon am Zahnfleisch dahinkriecht („100 Miles More“).

Verneigung vor den Helden
Ganz am Ende verneigt sich Cooper beim The-Who-Cover „Magic Bus“ als Althase vor noch älteren Hasen, die ihm als Idol dienten. „Pete Townshend spielte die dreckigste Gitarre, die man sich vorstellen kann. Er hat mich unheimlich geprägt.“ „Road“ ist ein in Ton gegossenes Manifest für den Rock’n’Roll. Ein kräftiges Lebenszeichen einer lebenden Legende, die nicht nur noch immer voll im Saft steht, sondern auch mit Beharrlichkeit und Leidenschaft gegen den viel zu oft und viel zu vorschnell propagierten Tod der hemdsärmeligen Gitarrenmusik ankämpft. Das neuerliche Alterswerk Coopers revolutioniert nicht die Rockwelt, bringt noch nicht einmal eine neue Farbe aufs Parkett, aber es ist eine kurzweilige Verbeugung vor den alten Zeiten, als alles noch einfacher und trivialer erschien. Nach einer üppigen US-Tour kommenden Herbst mit Rob Zombie in den USA will Alice im Frühling auch wieder in Europa aufschlagen. Ein Wien-Termin ist zum Glück sehr wahrscheinlich. Das Album hätte viele Zuseher verdient.

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