Kein Attest nötig
D: Geschlechtseintrag bald einfacher zu ändern
In Deutschland wird es einfacher, den Vornamen und den Geschlechtseintrag zu ändern. Ein am Mittwoch vom Bundeskabinett nach Regierungsangaben beschlossener Gesetzesentwurf sieht vor, dass künftig eine Erklärung der Antragsteller ausreichen soll, dass sie sich der Bedeutung des Vorgangs bewusst sind. Damit wäre kein ärztliches Attest oder gerichtliches Gutachten mehr nötig.
Der Gesetzesentwurf muss erst beschlossen werden. Dieser richtet sich laut Familien- und Justizministerium an transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen.
„Das Grundgesetz garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Das gilt auch für die Geschlechter“, sagte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) am Mittwoch in Berlin. „Darüber selbstbestimmt entscheiden zu können, dieses Menschenrecht zu verwirklichen, das entspricht einem freiheitlichen Rechtsstaat.“ Künftig solle jeder Mensch in Deutschland sein Geschlecht und seinen Vornamen selbst festlegen und in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern können.
Einjährige Sperrfrist nach Änderung
Die Änderung des Eintrags zum Geschlecht oder der Vornamen soll drei Monate nach der Erklärung gegenüber dem Standesamt wirksam werden. Um ständige Änderungen bei einer Person zu vermeiden, gilt nach einer Neuregistrierung eine einjährige Sperrfrist für weitere Änderungen. Für Minderjährige bis 14 Jahre müssen die Obsorgeberechtigten eine Änderungserklärung abgeben, die bis zur Volljährigkeit ohnehin Änderungen zustimmen müssen.
Der deutsche Justizminister Marco Buschmann (FDP) sprach davon, dass der Staat Menschen, deren sexuelle Identität von ihrem biologischen Geschlecht abweicht, bisher wie Kranke behandelt habe. „Das ist keine Krankheit oder Abnormität. Das ist eben der Hauptkritikpunkt am Transsexuellengesetz gewesen“, sagte der FDP-Politiker. „Eine Kritik, die Verfassungsrang hatte. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz ja auch für verfassungswidrig erklärt.“ An diese Stelle trete nun ein Gesetz, bei dem die Menschen vom Staat so respektiert werden, wie sie seien.
Verfahren zuvor langwierig und teuer
Bisher galt das sogenannte Transsexuellengesetz. Dieses sieht vor, dass Betroffene Vornamen und Geschlecht erst nach einem psychologischen Gutachten und einer gerichtlichen Entscheidung offiziell ändern dürfen. Das Verfahren ist langwierig und teuer. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte mehrfach wesentliche Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt.
Queerbeauftragter: „Riesiger Fortschritt“
Der Queerbeauftragte der deutschen Regierung, Sven Lehmann, hat den Beschluss des Selbstbestimmungsgesetzes durch das Bundeskabinett als historisch bezeichnet. „Jeder Mensch hat das Recht auf Anerkennung seiner Persönlichkeit. Dieses Recht wird aber trans- und intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Menschen bisher vorenthalten“ sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. „Die nun geplante Abschaffung psychiatrischer Zwangsbegutachtung und langwieriger, teurer Gerichtsverfahren ist für diese Menschen ein riesiger Fortschritt.“ Der heutige Tag sei historisch.
CDU fürchtet Verlust von Schutzräumen für Frauen
Kritik am Selbstbestimmungsgesetz kommt immer wieder von Union und AfD. Schutzräume vor allem für Frauen, beispielsweise in geschlechtergetrennten Umkleidekabinen, würden durch das Gesetz faktisch verloren gehen, sagte der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings der „Rheinischen Post“. „Statt Rechtssicherheit schafft die Ampel mit diesem Gesetz maximale Verunsicherung.“
Raab: „Deutschland schießt über das Ziel hinaus"
Frauen- und Familienministerin Susanne Raab schließt eine ähnliche Gesetzesänderung für Österreich aus. „Die linke Ampelkoalition in Deutschland schießt hier deutlich über das Ziel hinaus“, betonte Raab in einer Stellungnahme gegenüber der APA. In Österreich gebe es aus guten Gründen Gutachten, die notwendig sind, um derart weitreichende Änderungen vorzunehmen. „Jeder Mensch soll nach seiner Facon leben können. Aber ich halte es für absurd, wenn man dann so tut, als sei es das Normalste der Welt, jedes Jahr sein Geschlecht zu ändern.“ Besonders bedenklich findet Raab, dass das neue deutsche Gesetz sogar für Minderjährige gelten solle.
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