Totschnig zur „Krone“:

„Müssen Bevölkerung vor den Unwettern beschützen“

Tirol
25.08.2023 12:00

Nach den Unwettern in Tirol ist bei der Beseitigung des Windwurfs in den Wäldern Tempo gefragt. ÖVP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig erklärt im Interview mit der „Krone“ das Vorgehen und spricht über Beutegreifer, Tiertransporte sowie eine faire Entlohnung der Landwirte.

„Krone“: Herr Minister, nach den Unwettern steht der Borkenkäfer vor der Tür. Fachkräfte, um die Schäden zu beseitigen, sind Mangelware. Wie will man das Problem lösen?
Norbert Totschnig: Die Extremwetter-Ereignisse sind eine Folge des Klimawandels. Die große Aufgabe ist es, uns aufzustellen. Wir begegnen dem Problem mit speziellen Programmen in der Wildbach- und Lawinenverbauung. Vor allem das Negativ-Beispiel Osttirol zeigt uns, dass, wenn mehrere Ereignisse hintereinander folgen, es ein massives Problem mit dem Borkenkäfer gibt. Speziell, wenn Trockenheit dazukommt. Jetzt ist die Lage so, dass wir Sturmschäden haben, die es rasch aufzuarbeiten gilt. Im Rahmen eines Forstgipfels wurde das besprochen. Die Erkenntnis daraus war, dass die Kapazitäten da sind, um rasch zu beginnen.

Ist das alles schaffbar? 
Alles wird man heuer nicht aufarbeiten können, aber wir werden sicher weit kommen. Wenn wir es bis zum Frühjahr schaffen, werden wir in Nordtirol nicht jene Situation wie in Osttirol erleben. Insgesamt geht es um 550.000 Festmeter, Tausende wurden schon aufgearbeitet. Es läuft also. Aber ja, das ist auch ein Kampf gegen die Zeit.

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50.000 Kälber werden pro Jahr ins Ausland gebracht, es werden aber auch Hunderttausende bei uns in Österreich geboren.

Norbert Totschnig

Wie wird das finanziert? 
Wir stellen zusätzliche vier Millionen Euro zum bereits bestehenden Waldfonds zur Verfügung. Dieser umfasst insgesamt 350 Millionen Euro, auf Tirol entfallen 23 Millionen Euro. Dadurch können wir in die Wiederaufforstung, in Trockenlager, den Forstschutz und die Waldbrandprävention investieren. Durch die benötigten Schutzbauten wird es aber noch weitere Mittel benötigen. Dafür werden wir auch kämpfen, denn hier geht es um den Schutz der Bevölkerung. In Tirol haben wir 60 Prozent Schutzwald. Wenn es großflächig zu Waldschäden kommt, bedeutet das in der Wildbach- und Lawinenverbauung die zehn- bis hundertfachen Kosten im Vergleich zu den Pflegekosten, die normalerweise im Schutzwald anfallen. Bis diese Lücke geschlossen ist, dauert es 30 bis 50 Jahre.

Minister Norbert Totschnig im Gespräch mit Claus Meinert (rechts), Chefredakteur der „Tiroler Krone“, und „Krone“-Redakteur Manuel Schwaiger (links). (Bild: zeitungsfoto.at/Liebl Daniel)
Minister Norbert Totschnig im Gespräch mit Claus Meinert (rechts), Chefredakteur der „Tiroler Krone“, und „Krone“-Redakteur Manuel Schwaiger (links).

Am Mittwoch kritisierte der Verein gegen Tierfabriken, dass zwei Kälber ohne genügend Versorgung zwei Tage von Tirol nach Süditalien transportiert und dort geschlachtet wurden. Wie geht es Ihnen, wenn Sie das hören? 
Wir haben im Vorjahr eine Novelle im Tierschutzgesetz gemacht, wo in den Bereichen Schweine, Rinder und Tiertransport nachgebessert wurde. Wenn ich so etwas höre, ist das wahnsinnig ärgerlich und es tut uns weh. In Österreich haben wir sehr strenge Vorschriften. Das Problem ist: Wir sind in einem Binnenmarkt. Die Behörden sind bis zur Grenze zuständig. Danach sind andere Behörden zuständig. Rund 50.000 Kälber werden pro Jahr ins Ausland gebracht, es werden aber Hunderttausende hier geboren. Sehr viele werden also in Österreich ausgemästet und verwertet. Wenn bei jenem Teil, der exportiert wird, Missstände auftreten, ist das scharf zu kritisieren. Wir können nur auf EU-Ebene darauf hinwirken, dass schärfer gehandelt wird.

Beim Thema Wolf sucht Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig Partner in anderen EU-Staaten (Bild: Ralph Frank)
Beim Thema Wolf sucht Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig Partner in anderen EU-Staaten

Ein brisantes Thema ist der Wolf, der ein Schaf nach dem anderen reißt. Wie stehen Sie zum Abschuss der Wölfe? 
Ich beginne diese Debatte immer mit der Feststellung, dass der Wolf in Europa nicht mehr vom Aussterben bedroht ist. Es gibt mehr als 19.000 Individuen. Die Population ist gesichert und wächst jährlich mit einer Rate von 30 Prozent. Jetzt geht es darum, Regelungen zu schaffen, die das Wirtschaften auf den Almen ermöglichen und den Schutz der Bevölkerung garantieren. Hier braucht es eine Evaluierung auf EU-Ebene. Das haben wir vergangenes Jahr eingefordert. Für Herbst hat die Kommission eine Analyse der Problematik angekündigt.

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Wir sind gewohnt, dass alles sofort geht. Bei den Gesetzen dauert es aber hin und wieder auch mehrere Jahre.

Norbert Totschnig

Warum werden solche Dinge nicht sofort umgesetzt? Das verstehen viele nicht, die Bauern schon gar nicht. 
Wir haben in Europa ähnliche Problemlagen, aber auch völlig unterschiedliche Positionen bei den Regierungen. In Spanien zum Beispiel gibt es das Wolfsproblem genauso, aber dort hat die Regierung den Abschuss generell verboten. Ähnlich ist es in der Slowakei. Nur in wenigen Ländern wird das Thema so offensiv und aktiv angegangen wie in Tirol, Salzburg oder Kärnten. Wir müssen hier Allianzen bilden und uns weiterentwickeln. Da sind wir dabei.

Ist das nicht zu langsam? 
Wir sind gewohnt, dass alles sofort geht. Bei Gesetzen dauert es aber zum Teil mehrere Jahre. Kommende Woche wird es übrigens in Alpbach einen Gipfel zum Thema Wolf geben. Vorarlberg, Kärnten, Salzburg, die Schweiz, Südtirol, Tirol und Bayern werden vertreten sein. Auch der schwedische Landwirtschaftsminister.

„Ich liebe Fleisch, frage aber immer nach der Herkunft“, sagt Minister Norbert Totschnig (Bild: zeitungsfoto.at/Liebl Daniel)
„Ich liebe Fleisch, frage aber immer nach der Herkunft“, sagt Minister Norbert Totschnig

Immer wieder wird auch über faire Milchpreise diskutiert. Wie wollen Sie eine gerechtere Entlohnung der Landwirte sicherstellen? 
Der Agrarmarkt hat seit 1995 mit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation Weltmarktbedingungen. Dort erfolgt die Preisbildung. Unsere Aufgabe ist es, die Verarbeiter und die Bauern zu unterstützen, sodass sie eine Qualitätsstrategie fahren können und sich am Markt in ihren Produkten unterscheiden und so Wertschöpfung ermöglicht wird. Den Marktpreis können wir nicht gestalten, aber es gibt Umweltprogramme, mit denen wir die Landwirte unterstützen.

Wie oft isst der Landwirtschaftsminister Fleisch? 
Ich stehe zu gesunder Ernährung und Produkten aus der Region. Und ich liebe Fleisch. Ich schaue aber, dass es ausgewogen bleibt. Natürlich frage ich auch immer nach der Herkunft.

War es immer Ihr Wunschtraum, Minister zu werden? 
Ich habe schon immer gerne in der Politik gearbeitet. Es geht aber nicht darum, welche Positionen man sich wünscht, sondern um die Frage, was man einbringen kann. Das macht mir einfach Spaß. Dass man mir das Amt angeboten hat, hat mich selbst überrascht.

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