Schwere Vorwürfe

Von zwei Spitälern abgewiesen: Frau verliert Baby

Wien
26.01.2012 10:49
Eine schwangere Frau, die Mitte Jänner plötzlich mit starken Blutungen aufwachte, ist in Wien von gleich zwei Spitälern abgewiesen worden und hat schließlich ihr Kind verloren. Weder das Krankenhaus Göttlicher Heiland noch das AKH sehen sich in der Verantwortung. Gesundheitsminister Alois Stöger fordert lückenlose Aufklärung: "Es kann nicht sein, dass man in einzelnen Bereichen meint, man ist für die Versorgung der Menschen nicht zuständig."

Die 26-jährige Sandra W. fuhr laut "Kurier" am 12. Jänner in der 13. Schwangerschaftswoche zunächst ins Spital Göttlicher Heiland. Dort wurde sie zwar untersucht, aber anschließend "trotz fortdauernder Blutungen wieder heimgeschickt".

Tags darauf ging die verängstigte Frau hilfesuchend ins AKH. Sie wollte die Ursache für ihre laut eigenen Angaben immer noch starken Blutungen erfahren. Doch dort wollte man die 26-Jährige dem Bericht zufolge nicht einmal untersuchen, weil es bei der Patienten-Anmeldung zu einem Fehler gekommen sei.

In ihrer Verzweiflung wandte sich Sandra W. schließlich an die Rudolfstiftung, wo es erstmals eine Diagnose gab: Offenbar hatte sich ein Hämatom in der Plazenta gebildet und so die Sturzblutung verursacht. Die Schwangere wurde ins Spital aufgenommen, verlor aber am vergangenen Sonntag ihr Baby. W. ist am Boden zerstört und klagt im "Kurier" an: "Warum bin ich erst im dritten Spital aufgenommen worden? Warum hat mich im AKH niemand untersucht?"

Abwarten für medizinisch angemessen erachtet
Das Krankenhaus Göttlicher Heiland teilte am Donnerstagvormittag per Aussendung mit, man habe Frau W. nicht abgewiesen. "Gemäß den Untersuchungen wurde entschieden, dass ein stationärer Aufenthalt nicht indiziert ist. Die Blutungen waren zu diesem Zeitpunkt nur leicht", hieß es von der Spitalsleitung. Häusliche Bettruhe, Medikation und Abwarten einer Besserung seien für medizinisch angemessen erachtet worden. Man habe aber für den nächsten Tag einen Termin vereinbart, den W. "leider nicht wahrgenommen" hat.

Weiters hieß es, dass Blutungen in der Frühschwangerschaft häufig vorkommen würden und "in ihrer Intensität oft sehr unterschiedlich wahrgenommen" würden. Eine "stationäre Aufnahme hätte diesen Verlauf nicht verhindern können". Allerdings wurde eingeräumt, dass in einer solchen Situation für die Mutter "der psychologische Beistand unabdingbar" sei und "wir hier etwas besser machen hätten können".

"Kein Allheilmittel" gegen Verlust des Babys
Vom AKH hieß es, die Frau habe sich in der Schwangerenambulanz zur Geburtsanmeldung und nicht als Notfall vorgestellt. Zudem bezweifle man, dass der Verlust des Kindes hätte verhindert werden können. Man wolle den Fall zwar noch genauer prüfen, "gegen den Verlust eines Kindes in der Frühschwangerschaft gibt es allerdings kein Allheilmittel", erklärte Martin Langer, Oberarzt für Frauenheilkunde im AKH. Das sei bedauerlich, aber schicksalhaft.

Das AKH sei in dem Fall "völlig korrekt" vorgegangen. "Nachdem die Universitätsfrauenklinik zur Betreuung von Risikoschwangerschaften vorgesehen ist, nehmen wir vornehmlich/ausschließlich Patientinnen zur Geburt an, die festgelegte Kriterien der Risikoschwangerschaft erfüllen", hieß es in der Stellungnahme. "Soweit der damals verantwortlichen Oberärztin erinnerlich ist, hat die Patientin - wenn überhaupt - von einer leichten Blutung gesprochen. Eine leichte Blutung in der Frühschwangerschaft ist ein häufiges und oft harmloses Phänomen, das für sich genommen kein Zeichen für eine Risikoschwangerschaft darstellt."

Dem hielt allerdings Wilhelm Marhold, Generaldirektor des Krankenanstaltenverbundes, entgegen. Ihm zufolge habe es sich um einen "gynäkologischen Notfall" gehandelt habe, der auch entsprechend zu behandeln gewesen wäre. Das Argument, nur für Risikoschwangerschaften zuständig zu sein, ließ Marhold nicht gelten: "Das ist medizinisch, rechtlich und humanitär nicht haltbar."

Stöger will Schuldhaftigkeit "objektiv" prüfen
Stöger selbst sagte, er sei mit Schuldzuweisungen vorsichtig, da er den gesamten Sachverhalt noch nicht kenne. Es könne aber nicht sein, dass ein Spital eine Position einnehme, nur für Spitzenmedizin zuständig zu sein. Das AKH sei ein Krankenhaus, das die gesamte Medizin abdecke, auch die Gynäkologie. Aber auch das Spital Göttlicher Heiland habe nicht die geeigneten Maßnahmen getroffen.

Die Belastung und der Verlust der Frau sei "unwiederbringlich". "Die Schuldhaftigkeit muss jetzt objektiv geprüft werden", ergänzte Stöger. Die zuständige Magistratsabteilung habe sich der Causa angenommen, der Sachverhalt werde genau untersucht. Auch Gesundheitsstadträtin Sonja Whesely forderte umfassende Aufklärung und eine disziplinarrechtliche Prüfung. Die Patientenanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen.

Ärztekammer ortet Symptom für Engpässe
Die Österreichische Ärztekammer sieht in dem Vorfall "ein Zeichen für durch Sparmaßnahmen verursachte Engpässe in den Krankenhäusern", sagte der Bundesobmann der angestellten Ärzte, Harald Mayer. Die gegenwärtige politische Diskussion, die eine Einsparsumme von 1,8 Milliarden Euro zum Gegenstand habe, ist für den hohen Ärztevertreter vor dem Hintergrund dieses aktuellen Falls "äußerst widersprüchlich". Man könne nicht von den Spitälern verlangen, alle Bürgerinnen und Bürger zu betreuen, wie dies Gesundheitsminister Stöger verlange, wenn gleichzeitig "an allen Ecken und Enden eingespart wird, dass es nur so kracht", sagte Mayer.

Auch der Vorsitzende des Betriebsrat der AKH-Ärzte, Thomas Szekeres, warnte, dass es sich hier vermutlich um eine erste Konsequenz von Personalreduktionen handle: "Solche Fälle werden sich, fürchte ich, häufen, wenn weiter Personal abgebaut wird." Die Ärzteschaft hätte darauf hingewiesen, dass die Leistungen auf der Strecke bleiben, wenn man das Personal abbaut. Seit Anfang 2011 seien bereits rund 100 Stellen eingespart worden. "Es ist aber kein Ende in Sicht", so Szekeres.

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