„Wurde unerträglich“

Was der Krieg mit ukrainischen Paaren macht

Ausland
29.08.2023 22:20

Seit Kriegsbeginn sind Hunderttausende Ukrainerinnen ins Ausland geflüchtet. Ihre Männer sind allerdings nach wie vor in der Heimat und verteidigen das Vaterland. Wie sind Liebesbeziehungen unter solchen Umständen möglich, beziehungsweise geht das überhaupt? Ukrainerinnen haben Einblick in ihr Privatleben gegeben - und die Geschichten könnten nicht unterschiedlicher sein.

Maria sah ihren Mann im März 2022 das letzte Mal. Die ersten Kriegsnächte standen sie noch gemeinsam durch. In Saporischschja im Keller. Bis das Paar den Entschluss fasste, dass Maria und ihr Sohn zu Verwandten des Mannes nach Deutschland ziehen sollten. Die Ehe hat das jedoch nicht überlebt. „Ich habe versucht, die Beziehung aufrechtzuerhalten“, schilderte Maria (der Name wurde geändert, Anm.) gegenüber n-tv.

„Aber im September sagte mir dann mein Mann, dass er mir nicht mehr vertrauen könne, da wir uns so lange nicht mehr gesehen haben.“ Nach 17 Jahren scheiterte ihre Ehe. Die Verwandten ihres Mannes hätten sie in Deutschland nicht unterstützt. Zudem sei ihr Mann krankhaft eifersüchtig gewesen. „Mein Mann hat versucht, jede meiner Bewegungen über eine Videoverbindung zu kontrollieren“, erzählt Maria. „Er wollte, dass ich mit dem Sohn oft in die Ukraine komme, um ihn zu besuchen. Aber ich fragte mich, von welchem Geld?“ Denn für die Wohnung allein hätte sie pro Monat 400 Euro hinblättern müssen und für das Leben dann nicht mehr viel übriggehabt. „Es wurde alles unerträglich“, lautete ihr Fazit.

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Mein Mann hat versucht, jede meiner Bewegungen über eine Videoverbindung zu kontrollieren … Er wollte, dass ich mit dem Sohn oft in die Ukraine komme, um ihn zu besuchen. Aber ich fragte mich, von welchem Geld.

Erfahrungsbericht von einer Ukrainerin, die anonym bleiben möchte

Partner verändern sich
Während Fernbeziehungen allgemein eine große Belastungsprobe sind, kommen hier noch andere Komponenten hinzu. Denn die Lebensumstände der Partner sind von großen Unterschieden geprägt. Die Männer, die in der Ukraine zurückgeblieben sind, erleben die Grauen des Krieges hautnah mit. Die Frauen müssen sich hingegen im Ausland ein komplett neues Leben aufbauen. Oft sprechen sie nicht einmal die Landessprache, sind finanziell schlecht aufgestellt und müssen große bürokratische Hürden bewältigen.

Auch die 22-jährige Viktoria (Name wurde geändert, Anm.) leidet sehr unter den Umständen. „Wir haben angefangen, uns oft zu streiten, da wir uns in dieser Zeit verändert haben.“ Ihr Freund kämpft als Soldat im Osten der Ukraine, sie lebt in Deutschland. „Deswegen haben sich unsere Interessen, Ziele und Pläne geändert.“ Zum Teil war ihr Freund tagelang in schwere Kämpfe verwickelt und nicht erreichbar. Wenn sie sich letztlich erreichten, hörte Viktoria im Hintergrund Schüsse. Sie sei fast verrückt geworden vor Sorge, gesteht sie in der Unterhaltung mit n-tv.

Urlaub in der Ukraine
Gäbe es die Ängste nicht, wäre die Beziehung trotzdem sehr kompliziert, so Viktoria. „Es ist schwierig, sich abzustimmen, da wir uns selten anrufen können, weil es oft Verbindungsstörungen gibt. Es nicht möglich, in Ruhe miteinander zu reden, alle Ereignisse zu besprechen, Ratschläge zu geben und zu erhalten.“ Sie hätten sich aber trotzdem darauf geeinigt, eine gemeinsame Zukunft aufbauen zu wollen. Um zumindest hin und wieder gemeinsam Zeit verbringen zu können, plant das Paar alle drei Monate einen gemeinsamen Urlaub in der Ukraine.

Veronika (Name wurde geändert, Anm.) will trotz aller Hindernisse mit ihrem Partner zusammenbleiben. „Unsere Beziehung war und bleibt eng“, sagt sie. Als der Krieg begann, bestand ihr Mann darauf, dass sie zu ihrer Schwester nach Kanada zieht. Er hatte große Angst um sie. „Ich habe immer viel Liebe und Fürsorge bei ihm gespürt. Ich weiß, wie wichtig ihm unsere Familie ist, und dafür liebe ich ihn noch mehr“, beschreibt sie ihre Beziehung. Sie sind täglich in Kontakt - mit Text- und Sprachnachrichten lässt sich das relativ gut bewerkstelligen. „Wir gehen manchmal gemeinsam spazieren - per Videoschaltung. Oder wir bestellen gleichzeitig Kaffee oder essen zusammen Abend.“

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Wir gehen manchmal gemeinsam spazieren - per Videoschaltung. Oder wir bestellen gleichzeitig Kaffee oder essen zusammen Abend.

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Sehnsucht nach Körperkontakt
Der Körperkontakt zu ihrem Mann fehle ihr jedoch sehr. Viktoria hat bessere und schlechtere Tage. Manchmal möchte sie einfach nur weinen und spürt eine tiefe Verzweiflung. „Wir haben uns beide verändert“, gesteht sie. „Er ist stärker und ernster geworden. Er hat neue Hobbys, neue Freunde.“ Aber auch sie selbst muss mit großen Veränderungen fertig werden. Alles ist neu - Job, Bekannte, das Land. Das alles hat Auswirkungen. „Natürlich hat der Krieg die Beziehung beeinträchtigt, manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich darüber nachdenke, ob es sich lohnt.“

„Wie lange hält man das aus? Und was bringt uns die Zukunft?“, fragt sich die 25-Jährige dann. „Aber wenn wir einen gemeinsamen Plan und gemeinsame Interessen haben, wenn wir uns gegenseitig unterstützen und gut kommunizieren, dann ist alles auszuhalten. Wir sagen oft, wie cool es wäre, unseren Enkelkindern erzählen zu können, wie gut wir es gemacht haben. Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir es schaffen werden, denn wir sind ein zu starkes Paar.“

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