Für die einen ein vertrieben geglaubtes Monster aus grauer Vorzeit, für die anderen ein höchst schützenswerter und essenzieller Teil des Ökosystems: Der Wolf spaltet weiterhin die oberösterreichischen Geister. Rund um den Dachstein wendet sich die Meinung mit jedem weiteren Riss gegen die Raubtiere.
Ein plötzlicher Wintereinbruch war während der vergangenen 300 Jahre der einzige Feind von auf Almen weidenden Schafherden. Doch seit einiger Zeit schleicht wieder ein grauer Schatten durch die alpinen Wälder: der Wolf. Aus Angst vor weiteren Rissen wurde rund ein Drittel aller 600 auf dem Dachsteinplateau grasenden Schafe schon jetzt ins Tal abgetrieben – einen Monat früher als gewöhnlich.
Bürgermeister spricht von Blutrausch
„Das Problem ist, dass der oder die Wölfe um den Dachstein nicht nur ein Tier erlegen, von dem sie sich dann eine Zeit lang ernähren“, schildert der Obertrauner Bürgermeister Egon Höll. „Stattdessen geraten die Raubtiere beim Anblick der Herden in einen Blutrausch, töten und verletzen gleich viele Tiere auf einmal“, ist der Ortschef überzeugt. Die Schafe wiederum, die seit 300 Jahren keine Fressfeinde in der Gegend hatten, zerstreuen sich in blinder Panik, verirren sich oder stürzen ab. Die Abschussverordnung ist erteilt, doch bisher verstecken sich die Raubtiere erfolgreich.
Verfolgungsjagden gibt es nicht
„Das Areal umfasst 20.000 Hektar teils schwer begehbares Gelände. Unsere Jäger halten Ausschau, und wenn sich eine Gelegenheit ergibt, werden sie den Wolf entnehmen“, weiß der Gmundner Bezirksjägermeister Johann Enichlmair. „Wilde Verfolgungsszenarien, wie sie in manchen Köpfen stattfinden, gibt es in der Realität natürlich nicht.“ Für eine friedliche Koexistenz von Mensch, Schaf und Wolf sehen sowohl Höll aus auch Enichlmair leider schwarz.
Service für Almwirte
„Die Entnahme ist ein Service für die Bergbauern und Almwirte“, führt Enichlmair weiter aus. „Die meisten machen das nurmehr aus Liebe oder Tradition, Geld verdienen kann man mit Almwirtschaft und dem klassischen Auf- und Abtrieb heutzutage nicht mehr. Außerdem schadet der Wolf auf lange Sicht auch dem Tourismus - schon jetzt ist auch so manchen Einheimischen nicht wohl dabei, unbewaffnet in den Wald zu gehen.“
Raubtier spaltet die Geister
Diese Sorge ist vorerst allerdings noch unbegründet, Angriffe auf Menschen haben in Oberösterreich noch nicht stattgefunden. Gegner der Abschussverordnung loben den Wolf als ausgleichenden Faktor in der Nahrungskette des Waldes, der Wildpopulationen im Zaum hält und damit einen Teil der Aufgaben der Jäger übernimmt. Befürworter argumentieren, dass das Ökosystem, welches der Wolf früher reguliert hat, gar nicht mehr in dieser Form existiert - Ihnen zufolge hat der Wolf keinen Platz mehr in oberösterreichischen Wäldern.
Neun Schafe tot, 25 vermisst
Ein vorzeitiger Almabtrieb kann zu Verbuschung und Verholzung der über Jahrhunderte hinweg kultivierten Weideflächen führen, erklärt Michaela Langer-Weninger. Bisherige Zwischenbilanz am Dachsteinplateau: Neun tote und zwei verletzte Schafe, weitere 25 Schafe und ein Kalb sind abgängig.
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