"Meisterleistung"

EU-Gipfel einig zu Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin

Ausland
31.01.2012 07:40
"Um verlorenes Vertrauen an den Finanzmärkten wiederzugewinnen, durch einen strikten Sparkurs die Staatsdefizite zu begrenzen und Fälle wie Griechenland künftig zu verhindern", hat sich der EU-Gipfel am späten Montagabend in Brüssel auf einen "Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin" geeinigt. "25 Mitgliedstaaten werden unterzeichnen", teilte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy mit. Nur Großbritannien und Tschechien machen nicht mit. Für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist der Pakt eine "wirkliche Meisterleistung".

Großbritannien hatte eine Teilnahme an dem Vorhaben bereits zuvor abgelehnt. Tschechien stimmt dem Abkommen EU-Diplomaten zufolge "im Moment" nicht zu, könnte jedoch nachziehen. Prag begründete seine überraschende Ablehnung mit verfassungsrechtlichen Gründen. Mit dem Vertrag verpflichten sich die Unterzeichnerländer zur Einführung einer Schuldenbremse. Die Grenze für das strukturelle Defizit wird auf 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts festgelegt (Details zu den Gipfel-Ergebnissen in der Infobox).

Der Entwurf für den neuen Fiskalpakt sieht auch vor, dass die Euro-Staaten mindestens zwei Mal im Jahr Gipfeltreffen abhalten. Bei zumindest einem Gipfel sollen auch jene EU-Staaten eingeladen werden, die den Pakt unterzeichnet haben, aber noch nicht Mitglied der Euro-Zone sind. Bei den Beratungen werde es um drei Themen gehen: die Wettbewerbsfähigkeit, Veränderungen in der globalen Strategie der Euro-Währung sowie künftige Reformen der Grundregeln für die Gemeinschaftswährung.

"Schuldenbremse in Verfassung"
Bundeskanzler Werner Faymann - im Bild oben mit Portugals Regierungschef Pedro Passos Coelho (links) und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso (Mitte) - betonte, dass er an einer Verankerung der im Pakt vorgesehenen Schuldenbremse in der Verfassung in Österreich festhält. Es sei klar, dass die Schuldenbremse eine Einrichtung sei, "die man nicht nach politischem Wohlgefallen wieder aufhebt". Faymann wolle sich nun insbesondere um die Unterstützung der Grünen bemühen.

Euro-Rettungsschirm ESM ab Juli
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich am Montag auch auf den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM verständigt. Der Mechanismus trete im Juli in Kraft, erklärten EU-Vertreter, der Vertrag müsse aber noch unterzeichnet werden. Der Fonds soll mit einer Kapazität von 500 Milliarden Euro ausgestattet werden und den bisherigen Rettungsschirm EFSF ablösen.

Impulse bei Wachstum und Jobs
Weiters einigte man sich auf die Setzung verschiedener Wirtschaftsimpulse. Eine entsprechende Erklärung zu Wachstum und Jobs sei angenommen worden, teilte Ratspräsident Van Rompuy mit. Bei den Initiativen geht es um einen wirksameren Einsatz vorhandener Mittel, etwa aus dem Europäischen Sozialfonds ESF, von dem bis 2013 noch 22 Milliarden Euro übrig sind.

Die acht Länder mit der höchsten Arbeitslosigkeit - Spanien, Griechenland, Slowakei, Lettland, Italien, Portugal, Litauen und Irland - verpflichteten sich zu einem Pakt "Jugend in Bewegung" zur Förderung der beruflichen Mobilität, den Kommissionspräsident Barroso vorgeschlagen hatte. Alle EU-Staaten sollen überdies in nationalen Aktionsplänen spezielle Jugendprogramme vorlegen.

Faymann gab Beschäftigungstipps
Als Vertreter des EU-Landes mit der zweitniedrigsten Jugendarbeitslosigkeit ging Kanzler Faymann in seiner Rede auf verschiedene Modelle zur Förderung der Beschäftigung ein. Faymann habe sich in seiner Wortmeldung auf das System der dualen Ausbildung, die überbetriebliche Lehrwerkstatt und die Verwendung von noch nicht zugewiesenen Mitteln konzentriert, hieß es.

US-europäische Freihandelszone in Planung
Die EU will auch den Handel mit den USA verstärken und die Einrichtung einer US-europäischen Freihandelszone prüfen. "Wir werden multilaterale und bilaterale Bemühungen vorantreiben, um Handelsbarrieren zu entfernen und einen besseren Marktzugang sowie angemessene Investitionsbedingungen für europäische Exporteure und Investoren zu sichern", heißt es in einer Erklärung.

Auf Expertenebene sollten Vertreter der EU und der USA "alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, um Handel und Investitionen" zwischen beiden Seiten zu fördern. Diplomaten zufolge gehört dazu unter anderem die Einrichtung der Freihandelszone.

"Relativ optimistischer Griechenland-Bericht"
Auch das vermeintliche "Nicht-Thema" Griechenland hatte sich in Brüssel wieder auf die Tagesordnung geschummelt. Das Krisenland ringt derzeit mit seinen Gläubigern um einen teilweisen Schuldenerlass. Der Gipfel habe am Montag aber einen "relativ optimistischen Zwischenbericht" durch Kommissionspräsident Barroso und den griechischen Ministerpräsidenten Lucas Papademos erhalten, erklärte Kanzler Faymann am späten Abend. Es sei über Struktur- und Verwaltungsreformen und die laufenden Verhandlungen mit den Privatgläubigern über einen Schuldenschnitt informiert worden, deren Abschluss schon viel früher als Mitte März erwartet werde.

"Aufseher" für Athen offensichtlich vom Tisch
In der brisanten Debatte um eine Finanzkontrolle Griechenlands (siehe Infobox) stellte sich Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gegen den deutschen Vorschlag, Griechenland die Hoheit über sein Budget zu entziehen. Das sei "unangemessen, undemokratisch und ineffizient". Der Vorstoß der deutschen Bundesregierung sieht unter anderem vor, einen Kommissar zur Haushaltsüberwachung einzusetzen. Zudem soll Athen mit Einnahmen zunächst Schulden tilgen, bevor andere Ausgaben getätigt werden. Der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, erklärte das Thema für erledigt. Es sei beim Gipfel nicht zur Sprache gebracht worden. "Mein Eindruck ist, dass diese Frage vom Tisch ist."

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