Attacke in U-Bahn

„Vernichtung des Gegenübers“: 15 Jahre Haft

Gericht
30.08.2023 12:40

„Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass diese Taten verachtungswürdig sind“ - das muss sogar der Verteidiger des 21-jährigen Angeklagten im Wiener Landesgericht einräumen. Einem Trafikanten war dieser in der U3 mit voller Wucht auf den Kopf gestiegen: ein Mordversuch, entscheiden die Geschworenen. Dafür muss er nun nicht rechtskräftig 15 Jahre ins Gefängnis.

Er sei ein Intensivtäter, habe eine explosive, emotional instabile Persönlichkeitsstörung. Die sich in den angeklagten Taten mehr als deutlich äußerte. Nur weil ein 62-Jähriger ihn in der Wiener U-Bahn aufforderte, nicht so breitbeinig dazusitzen, prügelte der Angeklagte ihn am 4. Jänner fast tot.

Der 21-Jährige im Landesgericht Wien. Er hat einen Trafikanten in der U-Bahn fast tot geprügelt. (Bild: Pratschner Sophie, Krone KREATIV)
Der 21-Jährige im Landesgericht Wien. Er hat einen Trafikanten in der U-Bahn fast tot geprügelt.

Drei weitere Opfer „sinnloser Gewalt“
Nicht die einzige Gewalttat, die den 21-Jährigen auf die Anklagebank im Wiener Landesgericht bringt: Drei weiteren Männern soll er ohne ersichtlichen Grund Faustschläge und Tritte versetzt, sie dabei teilweise schwer verletzt haben. „Sinnlose Gewalt“, muss auch sein Verteidiger Johannes Maximilian Fouchs eingestehen.

Biografie hat zumindest „Erklärungswert“
Zumindest einen Erklärungswert bietet laut Gerichtspsychiater Peter Hofmann die Biografie des Wieners. Er sei in einer „ungünstigen Familienkonstellation“ aufgewachsen, sein Vater sei die meiste Zeit im Gefängnis gesessen. „Er hatte keinen entsprechenden Rückhalt, Geborgenheit oder Wärme“, so der Sachverständige. Er erzählte weiter, wie die Mutter des Angeklagten diesen mit 17 Jahren vor die Tür gesetzt hatte.

Er attestiert dem jungen Mann eine nachhaltige und schwerwiegende Störung: „Wichtig ist, dass die Maßnahme nur innerhalb einer Anstalt stattfinden kann“, denn die Wahrscheinlichkeit, dass der 21-Jährige wieder gewalttätig werde, sei sehr hoch. Da halfen auch frühere Sanktionen nicht. Ein auferlegtes Anti-Aggressions-Training im Zuge einer Vorstrafe brach er ab. „Aus Bestrafung wird nicht gelernt“, so Hofmann.

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Das war ein Ablauf, den anderen zu vernichten. Den Feind mundtot zu machen. Er hat die maximale Gewalt angewendet, die man ohne Waffe ausüben kann. Da geht es um Vernichtung des Gegenübers.

Gerichtspsychiater Peter Hofmann

Zu dem Angriff auf den Trafikanten in der U-Bahn: „Das war ein Ablauf, den anderen zu vernichten. Den Feind mundtot zu machen. Er hat die maximale Gewalt angewendet, die man ohne Waffe ausüben kann. Da geht es um Vernichtung des Gegenübers“, bewertet der Psychiater die Gewaltexplosion des Angeklagten. Und empfiehlt die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum wegen Gefährlichkeit.

Anwalt Johannes Maximilian Fouchs verteidigt den 21-Jährigen. (Bild: Anja Richter)
Anwalt Johannes Maximilian Fouchs verteidigt den 21-Jährigen.

„Diese Taten sind verachtungswürdig“
Die der 21-Jährige laut der Staatsanwältin sehr verharmlost habe: „Er hat es stets auf die Drogen geschoben“ - die laut dem Sachverständigen zwar mitgespielt hätten, keinesfalls aber ausschlaggebend waren. Verteidiger Maximilian Fouchs muss in seinen Schlussworten einräumen: „Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass diese Taten verachtungswürdig sind.“ Den Mordvorsatz stellt er im Namen seines Mandanten aber weiterhin in Abrede.

Doch der ist für fünf von acht Geschworenen sehr wohl da gewesen: Die brutale Attacke auf den 62-jährigen Trafikanten bewerten sie als versuchten Mord. Wegen ebenfalls teilweise versuchter schwerer Körperverletzung wird er zu nicht rechtskräftigen 15 Jahren Haft verurteilt. Zusätzlich wird er in einer Anstalt untergebracht.

Schuldspruch wegen Mordversuch: „Knapper geht es nicht“
Mit gesenktem Kopf und auf den Boden starrend empfängt er das Urteil, erbittet sich und seinem Verteidiger Bedenkzeit. „Es war eine extrem knappe Entscheidung. Knapper geht es gar nicht. Für die Geschworenen war die Sache also auf keinen Fall eindeutig“, so Johannes Maximilian Fouchs. Denn hätte nur einer der Laienrichter noch gegen einen Mordversuch gestimmt, hätte - im Zweifel für den Angeklagten - ein Freispruch von dem Delikt erfolgen müssen.

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