Wir folgen im Alltag vielen Bewegungsabläufen - die meisten sind jedoch nicht gut für uns. Wie wir richtig sitzen und mühelos eine gesunde Körperhaltung einnehmen, zeigt die Alexander-Technik.
Eigentlich wissen wir es ja: Wir sitzen zu viel und meistens falsch - im Durchschnitt bis zu 8 Stunden pro Tag. Das ist nicht nur ungesund, sondern auch unnatürlich. Mit dem Schuleintritt fängt meistens die falsche Haltung an: ob am Schreibtisch, im Auto, im Restaurant oder auf der Couch - die Pose ist stets die gleiche: Der Rücken ist gekrümmt und der Nacken nach vorne gestreckt. Durch das stundenlange Sitzen verhärten die Muskeln an Knie, Hüfte und Rücken.
Langes und falsches Sitzen macht auf Dauer krank und hat negative Auswirkungen auf den Bewegungsapparat. So verspannt sich beispielsweise der große Hüftbeuger und wird mit der Zeit immer unnachgiebiger. Am Bein werden der Zwillingswadenmuskel und der Oberschenkelmuskel immer kürzer. Da beide Muskeln über das Knie verlaufen, erhöhen sie den Druck auf das Kniegelenk. Die Folge: Schmerzen oder sogar Knorpelschäden im Knie.
Vor 100 Jahren entwickelte der Rezitator und Schauspieler Frederick Matthias Alexander diese Methode aus einer Not heraus: Er litt an Stimm- und Atemproblemen, die aufgrund seiner falschen Körperhaltung auf sein Stimmorgan wirkten. Beim Rezitieren zog er den Kopf nach hinten, was Druck auf seinen Kehlkopf ausübte und seinen Brustraum einengte. Als er selbst darauf aufmerksam wurde und es ihm gelang, dieses Bewegungsmuster abzulegen, verschwanden seine Probleme. Er erkannte die bedeutsame Beziehung zwischen Kopf, Hals und Körper: Ein ausbalanciertes Verhältnis dieser Bereiche sorgt für eine freie Steuerung aller Körperbereiche.
Selbstwahrnehmung bringt Erfolg
Die Alexander-Technik hilft, übermäßige muskuläre Spannung zu reduzieren. Fehlhaltungen zu erkennen und sich gut zu spüren, ist wichtig, um alte Bewegungsmuster zu verändern und Verspannungen zu lösen. Oft belasten wir den Rücken oder den Nacken unnötig, spannen unsere Schultern in bestimmten Situationen an. Meistens empfinden wir unsere Gewohnheiten als normal, sodass es uns nicht auffällt, wenn sie sich in eine falsche Richtung entwickeln. Dabei müssen wir es uns nur bewusst machen: Wie halte ich gerade den Kopf? Wo sind meine Schultern? Wie geht es meinem Rücken? Sitze ich aufrecht? Was machen meine Arme und Beine?
Denken und handeln in Einklang bringen
Körperliche und seelische Faktoren miteinbeziehen, Schwachstellen und Blockaden lokalisieren - hier setzt die Alexander-Technik an. Man kann das Erlenen der Alexander-Technik mit dem Erlernen eines Musikinstruments vergleichen, wobei hier der Mensch selbst zum Instrument wird. Zu Beginn werden allgemeine Alltagssituationen unter die Lupe genommen: Stufensteigen, hinsetzen, aufstehen, Tasche tragen: Der Alexander-Lehrer unterstützt den Schüler dabei, Bewegungsmuster zu erkennen.
Auch ungünstige Denkgewohnheiten oder emotionale Reaktionsmuster sowie Angstzustände können Thema des Unterrichts sein. Viele Aufgaben des Lebens erfüllen wir mit einer unbewusst angezogenen Handbremse, diese Handbremse zu erkennen und zu lösen, wirkt sich positiv auf unser Empfinden aus. Auf mentaler Ebene passiert das durch gezielte Konzentrationsübungen und Visualisierungen.
Hier kann man sich beispielsweise vorstellen, beim Arbeiten am Computer den Nacken lang und „gelöst“ zu halten. Oder seine innere Einstellung „in sich ruhend“ im Konferenzraum beizubehalten. Eine gute mentale Ausrichtung bietet die Grundlage für koordinative Bewegungsabläufe.
Mit den eigenen Gewohnheiten auseinandersetzen
Als „ein Bewegen ohne ungünstige Muskelspannung, aber mit mehr Achtsamkeit“, erklärt Alexander-Technik-Lehrer, Dr. Christian Steineder aus Wien, die Methode. „Klienten erkennen recht rasch, wie wertvoll es ist, nicht einer Therapie ausgeliefert zu sein, sondern selbst zu lernen, mit sich vorteilhafter umzugehen, nachteilige Verhaltensmuster zu erkennen und zu vermeiden.
Sitzt man beispielsweise am Computer, hat man auf seinem eigenen Bewusstseins-Schirm nicht nur den Bildschirm, sondern auch, wie man soeben sitzt, ob man tief atmet usw.
Dr. Christian Steineder, Alexander-Technik-Lehrer
Sie merken recht rasch, wie eng dies mit einem gesteigerten Wohlbefinden im Alltag einhergeht. Sitzt man beispielsweise am Computer, hat man auf seinem eigenen Bewusstseins-Schirm nicht nur den Bildschirm, sondern auch, wie man soeben sitzt, ob man tief atmet usw. Man vergisst sich nicht in seiner Tätigkeit und beugt damit Ermüdung und Abgeschlagenheit vor.“
Dem Körper helfen, Energie zu sparen
Schmerzen verschwinden oft, sobald die Haltung verändert wird. Und dabei ist es egal, ob man zuerst die innere oder die äußere Haltung genauer unter die Lupe nimmt. Denn beide hängen miteinander zusammen: Jeder Gedanke erzeugt einen Muskeltonus und spiegelt sich im Körper wider. Das bedeutet, sich von beengten Denkmustern zu lösen: Es wird unter anderem gelernt, in eine entspannte, aufrechte und gelöste Grundposition hineinzudenken.
Und an „gesundem“ Gehen, Stehen, Sitzen und Bücken gearbeitet. Diese natürlichen Positionen und harmonischen Bewegungsabläufe helfen dem Körper, Energie zu sparen und mit seinen eigenen Ressourcen besser umzugehen. Ganz gleich, ob man Sport treibt, etwas liest oder ein Instrument spielt: eine verbesserte Koordination wirkt sich auf viele Bereiche und Tätigkeiten aus.
Eingesetzt wird diese Technik vor allem bei Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen sowie Gelenkschmerzen in Schultern, Armen und Beinen. Ebenso bei psychosomatischen und stressbedingten Beschwerden, wie Burn-out und Migräne. Aber auch bei chronischen Schmerzen nach Unfällen oder durch Krankheiten. Dr. Steineder: „Manchmal höre ich, dass der Alltag zu fordernd ist und für mehr Achtsamkeit einfach kein Platz ist.
Meiner Erfahrung nach ist das Gegenteil wahr: Ein bewussterer Umgang mit sich selbst sorgt für weniger Anstrengung und mehr Produktivität.
Dr. Christian Steineder, Alexander-Technik-Lehrer
Meiner Erfahrung nach ist das Gegenteil wahr: Ein bewussterer Umgang mit sich selbst sorgt für weniger Anstrengung und mehr Produktivität. So wie das Spielen eines Musikinstruments bereichernd ist und viel Freude bereitet, so ist es erst recht mit dem Umgang mit sich selbst - sich konstruktiver zu gebrauchen, ist ein Potenzial, welches viel Freude und Lebendigkeit mit sich bringen kann.“
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