„Nathan der Weise“, in der bildmächtigen Deutung Ulrich Rasches, überstrahlte wortgewaltig Bettina Herings letzte Saison.
Der letzte „Jedermann“ des Jahres hat es schon am Dienstag überstanden, zum nämlichen Termin ist auch „Die Wut, die bleibt“ verraucht. Um beide ist es nicht schade. Eher möchte man auf den „Jedermann“, der bleibt, verzichten.
Aber weil man die fabelhaften Protagonisten Michael Maertens und Valerie Pachner nicht einfach heimschicken kann, begleitet uns Michael Sturmingers Inszenierung noch mindestens ein Jahr.
2017 war der Perchtoldsdorfer Intendant nach einem internen Krach eingesprungen. Drei Titelhelden und fünf Buhlschaften lang hat er seither den „woken“ Katalog abbuchstabiert: Trug Jedermann im Vorjahr noch Minirock, schadete er heuer als Fresskapitalist dem Klima. Nächstes Jahr küsst er womöglich als Fußballpräsident die mittelstürmende Buhlschaft auf den Mund.
Kaum dramaturgische Handschrift erkennbar
Genau mit dieser Art Anbiederung scheiterte Bettina Hering, die nun das Amt der Schauspieldirektorin räumt: Immer wollte man für gute Absichten gelobt werden, immer suchte zudem der Sehnsuchtsblick das Feuilleton, dem man sich über Koproduktionen mit deutschen Stadttheatern anbiederte. Kaum die Spur einer Salzburger Dramaturgie, einer Handschrift war zu erkennen. Heuer eskalierte das Verfahren vollends.
Die Krawalldramatisierung des feministischen Thesenromans „Die Wut, die bleibt“ korrespondierte mit einem zähen Malheur nach Michael Hanekes Film „Amour“. Hier wurden Behinderte auf die Bühne geholt, besser: spekulativ vorgeführt. Ausnahme war ein Theaterwunder, das sich allen Banalitäten verweigerte: „Nathan der Weise“, von Ulrich Rasche auf die Pernerinsel gehoben, kümmerte sich weder um den Ukraine-Krieg noch um Multikulti-Unfug.
Man legte bloß jeden Lessing’schen Satz auf die Waage und befand ihn für Gold. Eine kühne, fordernde Wanderung, befeuert von der herrlichen Valery Tscheplanowa mit der Kraft des Wortes und des Gedankens.
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