Zweifel, Hoffnung, Mut und Freundschaft - auf ihrem famosen dritten Album „Danke, gut“ versammelt die Wiener Sängerin und Theaterregisseurin Anna Mabo Geschichten aus dem Leben und kleidet sie in eklektische Soundgewänder zwischen Wienerlied, Punkrock und Rap. Im „Krone“-Interview gibt die 26-Jährige Einblicke in ihr Seelenleben und analysiert, wie sich Musik mit Neugierde, Hoffnung und Selbstliebe vermischt.
„Krone“: Anna, dein schönes neues Album heißt „Danke, gut“. Eine Floskel, die man immer als Antwort auf die Frage, wie es einem denn gerade geht verwendet. Wie oft verwendest du sie in deinem Alltag?
Anna Mabo: Seit das Album da ist, glaubt mir keiner mehr, dass es mir gut geht. (lacht) Der Albumtitel löst sogar bei mir immer wieder eine kurze Reflexion aus. Man sagt das oft und denkt nicht viel darüber nach, aber ich versuche es jetzt vielmehr zu hinterfragen.
Passiert es dir öfter, dass du erst beim Songschreiben diverse Alltagssituationen oder Erlebnisse reflektierst?
Meistens erst nach dem Schreiben. Ich habe selten einen Plan oder eine Idee von dem, was werden soll. Ich setze mich hin, mache es und verstehe die Welt dann oft erst im Rückblick. Wenn man sich ein Album erstmals gemeinsam in Ruhe anhört, dann erkennt man, welche Themen einen in diesem Jahr bewegt haben.
Passiert dir dann auch ein konzeptioneller Unterbau, oder kann man das schon im Vorfeld ein bisschen lenken?
Die Lieder entstehen meist in einem Zeitraum von etwa einem Jahr. Es gab hier ursprünglich 22 Lieder und von dort schaut man dann, welche Lieder verbunden sind. In diesem Jahr waren Freundschaft, Angst und Mut große Themen. Dieses Dreieck hat mich dann zu vielen Gedankensituationen gebracht und es begleitet mich länger als nur ein Jahr. Man lernt erst später zu sehen, dass die Dinge zusammenhängen, in der Retrospektive.
In der Presseinfo ist die Rede von einem Album „voller Zweifel und Hoffnung“. Bedingt das eine das andere und bist du per se ein zweifelnder Mensch?
Zweifel und Hoffnung sind keine Gegensätze. Zweifel sind das Gegenteil von Sicherheit und die Sicherheit ist das Gegenteil von Hoffnung. Ich würde sagen, man betrachtet eine Sache einmal positiv oder negativ. Entweder hofft man, dass es gut geht oder zweifelt daran. Man muss ein Leben lang lernen, mit Ungewissheiten umzugehen. Es wird nie so, wie man glaubt, dass es wird und man hat nur minimale Kontrolle über das Leben. Man hat nur in der Hand, wie man anderen Leuten begegnet. Ich kann weder was gegen die Klimakrise, noch gegen das Sterben geliebter Menschen machen, aber ich kann mich entscheiden, wie ich den Leuten begegne, die in mein Leben treten. Egal, ob es flüchtige Bekanntschaften oder enge Freunde sind. Das einzige, das in meiner Macht steht, ist Respekt und Liebe auszustrahlen. Entscheide ich mich dagegen, habe ich alles verwirkt. Es geht am Album auch um die Angst, um den Kontrollverlust.
Der Mensch versucht immer Dinge zu verändern, die er gar nicht verändern kann. Hast du die Tatsache des Kontrollverlustes über die Jahre erlernt?
Manchmal ist es lustig, sich über Dinge zu ärgern, die man nicht ändern kann. Wenn man über das Wetter schimpft, tut man niemandem weh. Ich habe gelernt, mich über Zufälle zu freuen. Mir macht das Gefühl der fehlenden Kontrolle nicht mehr so viel Angst. Man muss einfach aufstehen, freundlich sein, spazieren gehen und schauen, was es so gibt in der Welt. Wenn man das macht, lässt man sich öfter überraschen und das entspannt. Setzt man sich zu viele Ziele, werden sie vielleicht nichts und man ist dann traurig. Wenn man einfach schaut, was so passiert, ist man vielmehr Partner des Lebens als Gegner.
Tritt man als Selbstständige, wie du eine bist, dem Leben wacher gegenüber, weil einem die Sicherheiten fehlen?
Das kann schon sein. Vor allem, weil die langfristige Planung in anderen Berufen leichter ist. Viele Leute wissen, dass sie in fünf Jahren wahrscheinlich in derselben Firma sind, das geht bei mir natürlich nicht. Die Arbeit ist ja nur ein Aspekt des Lebens, es gibt auch genug andere Dinge, die passieren. Man kann sich stark überraschen lassen von Dingen, man darf nur nie die Neugierde verlieren. Es treibt mich an, dass ich über die Welt immer mehr wissen will. Auch wenn ich weiß, nie alles wissen zu können. Zweifel sind nichts Schlechtes. Ich zweifle sehr viel, aber das Problem entsteht erst, wenn man glaubt, dass die Zweifel berechtigt sind oder sie einen davon abhalten, etwas zu probieren. Ich zweifle, mache aber dennoch alles, was ich machen will.
Die irrationale Angst ist etwa in einen Raum zu gehen und zu denken, dass mich alle hassen. Aber wann passiert das? Und warum soll es dieses Mal so sein? Alle Zweifel und alle Ängste zeigen eher, dass man empathische Wahrnehmungen für andere Menschen hat und über den eigenen Tellerrand hinausschaut. Ich würde mich hüten, gegen Zweifel anzukämpfen. Damit hinterfragt man Dinge und wer das nicht macht, hält sich sowieso für den Besten und bleibt stecken. Ich kenne nur Leute, die zweifeln. Menschlich und künstlerisch.
Hängt diese Einstellung mit dem Außenbild ab? Ist es dir wichtig, dass sich die Menschen denken, Anna Mabo ist eine sympathische Person?
Das weiß ich gar nicht, weil es mir auch niemand sagt. Mir ist vielleicht manchmal zu wichtig, zu wissen, wie es anderen geht. Ich fühle mich immer verantwortlich und das nervt andere oft. In meiner Macht steht, dass andere Menschen sich in meiner Gegenwart nicht unwohl fühlen. Auch da kann man sich entspannen, denn es gelingt einfach nicht immer.
„Danke, gut“ ist musikalisch sehr vielseitig ausgefallen. „Hallo“ ist wie Punkrock á la Die Ärzte, „Kleiner Matrose“ geht klar im Refrain nach vorne und bei „Paket“ gibt es beatlastigen Sprechgesang. Hattest du große Lust am Experimentieren?
Hat man ein Ziel und arbeitet stringent dahin oder lässt Dinge passieren? Bei mir passiert eher Zweiteres. Meine Musiker und Produzenten kommen aus dem Jazz und dem Punk und ich lege viel Wert auf die Texte. Die Lieder, die ich alleine schreibe, sind auf eine Gitarre limitiert, aber sobald jemand dazukommt, der mehr kann, verändern sie sich stark und es eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten der Kommunikation. Der eklektische Mix passte gut zum Thema. Im Großen und Ganzen geht es auf dem Album um „scheiß dich nicht an, mach einfach“. Das haben wir auch musikalisch probiert. Ich bin weder eine Punkrockerin, noch bin ich eine Rapperin, noch Whitney Houston. Ich fände es komisch, jetzt ein Punkrock- oder Rap-Album herauszubringen. Mit welcher Kompetenz? Es geht daher immer um den Text und der trägt verschiedene Kleider.
In „Kleiner Matrose“ gibt es die Textzeile „Geh raus, schaust du scheiße gut aus“. Ist das eine Selbstermächtigungshymne? Ein Ansporn, sich zu trauen und einfach zu tun?
Bei dem Song nervt mich manchmal, dass der Refrain so wenig Text hat. (lacht) In dem Song sagt man dem kleinen Matrosen, dass er so gut aussieht und es ein Verlust für die Welt wäre, würde er sich immer nur im Zimmer einschließen. Geh vor die Tür. Und wenn du es nicht für dich machst, mach es für die Leute, die dich gerne anschauen. Da geht es darum, dass man anderen wichtig ist und sie sich freuen, einen zu sehen. Das verkennt man oft.
Sagst du dir das auch immer wieder selbst oder ist diese Situation bei anderen beobachtet?
Na sicher, aber es ist sehr schwer, es sich selbst zu sagen. Es ist schon hilfreich, wenn man jemanden hat, der einem das sagt. Man macht sich selbst auch keine Komplimente, deshalb ist es gut, wenn Leute da sind, die an einen glauben. Ich schreibe sehr oft aus der Selbstperspektive und versuche dann damit nach außen zu gehen. So werden die Lieder meist besser.
Dadurch schiebst du den Inhalt aber auch wieder ein bisschen von dir weg.
Die Lieder sind schon dezidiert meist auf andere Personen gerichtet, doch selbst wenn etwas aus meiner Perspektive passiert ist, versuche ich es aus einer anderen Warte aus zu beobachten. Man redet mit sich nie wie mit einem besten Freund. Man ist zu anderen immer freundlicher als zu sich selbst, aber das ist okay, denn jeder hat Selbstzweifel. Es ist schwer, an sich selbst zu glauben, aber wenn jeder an jemand anderen geglaubt, gleicht sich das aus. Deshalb ist Freundschaft so wichtig. Self-Care und Self-Love sind wichtig, aber es ist auch wichtig, anderen zu vertrauen. Wenn man sich nicht immer selbst liebt, ist es auch okay. Man geht sich manchmal auch am Nerv, das ist völlig legitim. Man muss sich nicht immer selbst so mögen wie die besten Freunde. Solange die aber was in dir sehen, wird es schon passen.
Der Selbstoptimierungswahn in der Gesellschaft kennt seit geraumer Zeit keine Grenzen mehr. Das führt dann unweigerlich dazu, dass man im Self-Care-Bereich viel zu streng mit sich ist.
Absolut. Du würdest deinem besten Freund nicht sagen, er solle sieben Kilo abnehmen und dieses bestimmte Buch lesen. Warum verlange ich so etwas von mir und finde die anderen aber eh gut, so wie sie sind? Man begreift sich selbst oft als Arbeit und die anderen nicht. Es hilft sicher, sich selbst durch die Augen der besten Freunde zu sehen, weil sie einen besseren Blick auf einen haben. Man wird sich eh nicht los und hat sich immer dabei. Man muss sich daher nicht immer selbst lieben und optimieren. Das ist doch traurig und einsam. Es geht auch nicht um Selbstaufgabe, aber man entwickelt sich nur, wenn andere da sind. Durch Begegnungen und Gespräche.
Das Album ist stellenweise sehr persönlich geraten. In „Hallo“ kommt dein Bruder Jakob vor, dazu gibt es Samples, wo du und Jakob noch Kinder seid und euer Vater mit euch spricht.
Nicht alles ist persönlich, aber diese Personen sind in meinem Leben vorhanden und wichtig. Zu meinem Bruder habe ich eine ganz enge Beziehung. Über die Jahre wurden wir zu besten Freunden und wir sind uns nicht selbstverständlich. Wir telefonieren viel und sind füreinander da. Verstehen uns, ohne viel erklären zu müssen. Wenn ich über Freunde rede, denke ich auch an meinen Bruder. Er ist quasi der Superlativ einer Freundschaft.
Wer ist „Louise“, die du im gleichnamigen Lied besingst?
Das ist ein zwölfjähriges, real existierendes Mädchen. Ich hoffe, sie mag das Lied. Sie war schon auf zwei meiner Konzerte und es sind auch Zitate von ihr im Lied. Sie ist eine sehr wichtige Person und es geht in dem Lied um das Thema Kindheit und das Erwachsenwerden. Das Lied ging von ihren Zitaten aus und von dort weg habe ich es weiter ausgearbeitet. Mein Bruder ist Pfadfinderlagerleiter und hat mir erzählt, was er dort so erlebt. Kinder haben eine ganz andere Art, die Welt zu sehen. Ein kleiner Bub hat Jakob an einem regnerischen Lagertag mit leuchtenden Augen beschrieben, wie sehr er sich auf ein Marmeladenbrot freut, wie er es zubereitet und was dabei alles wichtig ist. In allen Details. Als Kind begeistert man sich für alle Kleinigkeiten und hat große Freude daran. Das geht aber irgendwann verloren.
Vermisst du manchmal diese Kindheitsperspektive, die es irgendwann nicht mehr gibt?
Einerseits vermisst man das, andererseits ist in der Kindheit aber auch alles viel trauriger. Meine kleine Cousine kann sich auf etwas konzentrieren, aber alles ist entweder das Schönste auf der Welt oder die größte Tragik. Bei dem einen Buben löst der Gedanke an das Marmeladenbrot so eine Freude aus wie bei uns eine vierwöchige Gratisreise nach Kalifornien. Als meine Mama meinem Bruder mal die Haare schnitt und abglitt, war das für meinen Bruder, der damals Skater war, das Ende der Welt. Man erlebt alle Emotionen viel intensiver und ich weiß nicht, ob ich das möchte. Ich bin schon froh, dass ich mich von gewissen Dingen distanzieren kann und nicht jeder Rückschlag zum Schreikrampf führt.
Als Erwachsene pendelt man sich auf einer lauwarmen Ebene ein. Das ist manchmal hilfreich, manchmal aber auch schade. Am ehesten spüre ich diese unbändige Freude, wenn ich neue Sachen mache. Ich lerne gerade Spanisch, weil ich meinen Bruder in Südamerika besuche, und wenn ich merke, dass ich ganze Sätze sagen kann, begeistert mich das total. Macht man etwas zum ersten Mal, kommt man dem kindlichen Gefühl von Aufregung am nächsten.
In den Songs „Hallo“ und „Niemand und nichts“ verwendest du gleich zweimal die Metapher von einer Hand im Gesicht. Ist das zufällig passiert?
Das weiß ich gar nicht genau. Es ging ein bisschen darum, dass dieselbe Sache manchmal extrem nervig und manchmal ganz schön sein kann. Eine Begrüßung kann sich so anfühlen, wie ein Zeigefinger in der Nase. Das war bei „Hallo“ so. Bei „Niemand und nichts“ ist das eher schön gemeint. Das jemand den Kopf hält und stützt. „Niemand und nichts“ gab es vorher. Das Thema war also zuerst nett gemeint und dann erst anders.
In „I.M.D.E.N.“ singst du „ich sag’s dir als Gedicht, ich mag dich einfach nicht“. Wir alle wissen, es kann vorkommen, dass man mit jemanden überhaupt nicht auskommt. Kannst du das dem- oder derjenigen wirklich so direkt sagen?
Das habe ich noch nie gemacht. (lacht) Manchmal weiß man, dass man mit dem Gegenüber nicht zusammenkommt und man weiß, warum man ihn nicht mag. Manchmal aber passt eigentlich alles und trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass es irgendwo hakt. Man kann es aber nicht festmachen. Ich will mich mit dem Song selbst dazu ermutigen, dass ich es einfach sagen kann. Man sollte es vielleicht öfter sagen, aber es ist nicht leicht.
Je älter man wird, umso wertvoller ist den Menschen die Lebenszeit, um sie nicht mit Menschen zu verbringen, die man nicht mag. Kommt diese Abhärtung mit den Jahren?
Ich bin erst 26, aber ich merke schon, dass ich in der Schule oder beim Studium viel stärker dazu gezwungen war, mich mit anderen zu arrangieren. Mit fortlaufendem Alter wird es immer mehr meine eigene Entscheidung, mit wem ich Zeit verbringe und mit wem nicht.
Das Album endet mit dem Lied „Alles wird gut“. Ist das Zweckoptimismus oder teilst du diese Grundeinstellung in deinem Leben?
Es ist zu 100 Prozent wahr, dass alles gut wird, aber es wird dann auch wieder schlecht. (lacht) Das Gute bleibt nicht für immer. Das Leben ist oft scheiße, aber dann wird es wieder gut. Das wiederholt sich andauernd und irgendwann stirbt man. (lacht) Man kann fast sicher sagen, dass sich das Leben immer wieder einpendelt, aber das Pendel auch in die andere Richtung ausschlägt. Es ist Fakt, dass kein Gefühl und kein Empfinden unendlich sind. Wenn ich mir Tagebücher von vor ein paar Jahren durchlese, dann kenne ich mich oft gar nicht mehr wieder und vier Seiten weiter kann ich mich voll damit identifizieren. Wichtig ist, dass man sich an schlechten Tagen darauf verlassen kann, dass es wieder besser wird.
Kannst du dich immer auf dich selbst verlassen?
Nein. Ich falle immer wieder auf mich selbst rein und wiederhole Dinge, die nicht gut sind. Ich versuche niemandem mutwillig zu schaden und damit ist man, was Entscheidungen betrifft, halbwegs auf der sicheren Seite. Auch aus den negativen Momenten schaut immer was Gutes raus. Wäre ich dort und da nicht hingegangen, hätte ich diese Person nicht kennengelernt - so zum Beispiel. Deshalb glaube ich auch, dass man aus allem lernen kann. Ich bin generell sehr schlecht im Treffen von Entscheidungen, denn es passiert alles sowieso.
Wir haben das wichtige Wort hier schon öfters angesprochen: Neugierde. Diese verlieren die Menschen mit steigendem Alter und stumpfen daher ab. Ist es dir wichtig, dir diese Neugierde in allen Facetten zu bewahren?
Unbedingt. Ich spüre totale Begeisterung bei Dingen, die ich das allererste Mal mache. Minigolf war dann nichts für mich, aber immerhin habe ich es gemacht. Im Alter hat man schon viel gemacht und so wird es schwieriger, neugierig zu bleiben. Es ist aber auch arrogant zu glauben, dass man mit 50 schon die Welt ausgespielt hat. Es gibt immer etwas Neues zu entdecken, man muss es nur zulassen. Mir macht es ganz viel Spaß, neugierig zu sein, aber im Lockdown war es schon sehr schwierig. Dort habe ich eine Sprache gelernt, Sachen auf der Gitarre geübt oder bin auf Berge gegangen. So übersteht man dann auch schwierigere Tage. Es gelingt keinem immer lernfreudig zu sein. Mein Vater ist 81 und sehr neugierig. Er geht noch immer zu Punk-Konzerten und ist geflasht, was es da alles gibt. Er war auf ganz vielen meiner Konzerte, vergisst aber auch, dass er dieses oder jenes Lied schon gehört hat. So freut er sich dann immer wieder aufs Neue, wenn er eine Nummer hört, weil er sie als neu wahrnimmt. Er gibt mir Hoffnung, dass man sich Neugierde auch im Alter bewahren kann.
Einerseits bist du Musikerin, andererseits inszenierst du Theaterstücke. Du bist also im Rampenlicht und abseits davon. Gefallen dir beide Welten gleichermaßen?
Die romantische Antwort ist natürlich, dass ich beides gleich gerne mag. (lacht) Es sind ganz andere Arten von im Rampenlicht stehen. Ich erzähle gerne Geschichten und erfinde gerne Sachen. Bei der Musik kann ich auf der Bühne stehen und vortragen. Schauspieler versetzen sich im Theater in die Geschichten. Man betritt technisch gesehen in beiden Welten eine Bühne, aber wie man dort agiert, das sind zwei grundverschiedene Welten. Schauspielerei wäre für mich nichts. Es geht mir um das Erzählen und das geht in der Musik leichter. Dort stehe ich dort als die, die ich bin. Ich übernehme Verantwortung für mich selbst, gehe hin und spiele meine Lieder. Ich kann damit leben, wenn mich dafür jemand kritisiert. Als Schauspielerin bin ich verantwortlich für alle anderen Personen auf der Bühne, muss mich an Abmachungen halten und dem Kollektiv folgen. In der Regie ist das dann wieder umgekehrt, weil ich Dinge erarbeiten und finden kann.
Von Sängerinnen erwartet man Authentizität und Echtheit, Schauspielerinnen stellen dar. Das sind schon per se zwei grundverschiedene Welten.
Im Theater ist es oft eine Frage der Inszenierung und man muss sich in die Rolle reinfühlen. Inwiefern ist man authentisch, sobald man auf einer Bühne steht? Das ist auch als Musikerin schwer zu beantworten. In der Schauspielerei spielt man natürlich Bühnenfiguren, aber auch als Sängerin ist man sicher nicht zu 100 Prozent so, wie man privat ist. Das passiert dann einfach und man schaltet unbewusst um. Dafür habe ich die Lieder selbst geschrieben habe und das ist natürlich authentisch. Die schlimmsten Konzerte sind jene, wo man das Gefühl hat, die Lieder so gut zu kennen, dass man sie vorsingt. Ich will die Lieder immer leben. Das ist anstrengender, aber auch authentischer.
Ziehst du als Theaterregisseurin etwas von hinter den Kulissen mit, dass du als Sängerin vor den Kulissen anwenden kannst?
Eine gute Frage. Ich weiß nicht, ob ich mir von Schauspielern etwas abschaue. Eher nicht, weil es dort klar definierte Rollen gibt. Man kriegt unbewusst mit, wie Leute auf einer Bühne stehen und die Dramaturgie aufbauen. Im Theater kann man beobachten, dass Pausen oft die besseren Worte sind. Einen richtig guten Schauspieler macht aus, dass er Luft und Raum lässt und damit punktet. Selbstironie ist wichtig und eben zur richtigen Zeit nichts zu sagen. Darauf achte ich nicht bewusst beim Musikmachen, aber wenn man das analysiert, sind die besten Konzerte immer die, wo man zur richtigen Zeit was sagt oder eben nichts sagt und die Lieder korrekt ordnet. Das ist die hohe Kunst, die für Theater und Musik gilt.
Bei der Art der Zusammenarbeit habe ich eher von der Musik fürs Theater gelernt. Im Theater gibt es den einen Chef, das machte mir große Angst. Woher habe ich die Kompetenz zu sagen, was jetzt geschehen soll? Erst durch die Zusammenarbeit mit der Band in der Musik habe ich verstanden, wie man da agiert. Beides ist nicht ganz basisdemokratisch, sondern nach Kompetenzen aufgeteilt. In der Musik ist das klar. Der Schlagzeuger spielt nicht Gitarre, damit ist das geklärt. Im Theater ist das nicht so. Da gibt es immer noch oft die „Genies“, die keine andere Meinung zulassen und alle anderen arbeiten nach. Das ist schade, weil man dadurch viele Kompetenzen verschenkt. Seit ich weiß, dass ich im Theater nicht alles wissen muss, habe ich viel mehr Spaß beim Inszenieren.
Da sind wir wieder beim Teamplayer-Modus. Du hast auch schon mit unterschiedlichsten Künstlern wie Garish, Kahlenberg und anderen gearbeitet. Was reizt dich an diesen Kooperationen?
Es geht primär um die Menschen und zweitrangig um geschmackliche Fragen. Das ist aber auch in der Band so. In der Musik verbringt man so viel Zeit miteinander, dass die menschliche Komponente die wichtigste ist. Selbst wenn es der beste Musiker der Welt ist, will ich keine Zeit mit ihm verbringen, wenn sich die Zusammenarbeit nicht nett anfühlt. Wenn wir uns in meiner Band nicht alle gut verstehen würden, würden wir das nicht machen. Die Lebenszeit ist knapp und ich will nicht Hoffnung auf kommerziellen Erfolg haben in einem Umfeld, in dem ich mich unwohl fühle.
Was sind nach Veröffentlichung dieses Albums denn nun die nächsten Projekte, die du im Kopf hast?
Im Jänner bin ich wieder am Theater. Dazwischen mache ich im Dezember mit den Gebrüder Moped ein Jahresrückblick-Kabarett. Wir haben aber noch nicht geprobt und deshalb tue ich so, als wäre noch nichts. Ich bin da viel zu ängstlich und traue mich nichts zu sagen, wenn ich noch nicht geprobt habe. (lacht) Davor gibt es noch ein paar Konzerte und im Oktober und November bin ich drei Wochen bei meinem Bruder in Südamerika. Ich weiß aber noch nicht genau wo, weil er dort herumpendelt. Es wird wahrscheinlich ein Wanderexzess und ich freue mich sehr darauf.
Anna Mabo live
Mit ihrem neuen Album „Danke, gut“ kann man Anna Mabo sehr oft live sehen. Etwa am 9. September beim Waves Festival, am 4. und 6. Oktober im Wiener Rabenhoftheater und schlussendlich am 5. Dezember im Wiener Konzerthaus. Unter www.annamabo.com gibt es alle weiteren Infos zu den Live-Highlights in diesem Herbst und Winter.
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