„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.
Das jährlich auftretende, traditionelle Sommerloch beschwört verlässlich so manch krudes Thema herauf, bei dem man entweder sofort oder spätestens mit Schulbeginn im Frühherbst wieder verwundert den Kopf schüttelt. Den Sommer 2023 nutzte die Regierungspartei ÖVP vordergründig nicht etwa dafür, um sich aktiv mit der grassierenden Inflation, dem sich rapide verändernden Klima oder der immer noch prekären Arbeitslosenstatistik zu befassen. Bundeskanzler Karl Nehammer ließ sich lieber auf Scharmützel mit der oppositionellen Konkurrenz von Rechtsaußen ein und propagierte trommelfeuerartig den notwendigen Erhalt des Bargelds. Finanzminister Magnus Brunner zog Anfang August nach und richtete eine eigene Taskforce Bargeld ein, die im September mit Experten und Kundigen zu einem Round Table führen soll.
Nun ist hinlänglich bekannt und diskutiert, dass das Recht auf Bargeld in der EU-Verfassung verankert ist und die heimische Politik mit Nebelgranaten schießt, doch des Österreichers Liebe zum Geld in Papier- und Münzenform ist tatsächlich eine ganz besondere, die sofort zu hochemotionalen Debatten führt. Dabei geht es bei den unterschiedlichen Diskursen mitnichten um die Abschaffung des Bargelds, sondern darum, Karten- bzw. Handyzahlung als zusätzliche Option anzubieten. Was von Island über Polen bis nach Südspanien europaweit zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, scheitert in Wien gerne am bloßen Unwillen, sich mit Veränderungen oder Modernisierungen zu befassen.
Wer etwa in den meisten Konzertlocations zwischen Gürtel und Simmering auf die Scheine vergisst, wird sein Abendprogramm dehydriert genießen. Vor allem dann, wenn ein One-Way-System herrscht und kein Bankomat in der Nähe ist. Im Ernst-Happel-Stadion wunderten sich noch bis letzten Sommer Eventtouristen aus dem Osten, warum sie ihr überteuertes Bier nicht mit der Kreditkarte bezahlen konnten, diese Scharte wurde zumindest in dieser Saison ausgewetzt. Weiter östlich rühmt sich eine traditionelle Institution stolz damit, „only cash“ zu akzeptieren, bietet für dieses Vorhaben aber auch keinen Bankomaten am - bei Veranstaltungen oft geschlossenen - Gelände an. „Wien ist in vielerlei Hinsicht eine Servicewüste“, redet sich ein guter Freund in Rage, „es wirkt so, als will man sich und anderen das Leben gar nicht leichter machen. Bloß am Althergebrachten festhalten und nur ja nicht daran rütteln.“
Ein Zunftskollege wiederum gilt als Verfechter von Barmittel und pocht vehement auf diese Zahlungsmethode. „Man bleibt mit Bargeld anonymer und muss sich auch nicht davor fürchten, dass es einen digitalen Blackout geben könnte und man mit Karte nicht mehr zahlen kann.“ Die Debatte um Bargeld oder nicht, ist schon in ihrem Kern fehlgeleitet. Es geht nicht um entweder/oder, sondern um sowohl/als auch. Hätte man, wie es in anderen Ländern längst Usus ist, die Möglichkeit, in unterschiedlichen Varianten zu bezahlen, würden viele Ungereimtheiten im Keim erstickt werden. Dafür müsste man sich aber von veralteten Traditionen und sturen Haltungen lösen, sich aufeinander zubewegen und neue Optionen zulassen. Das ist möglich, nur muss man es auch wollen.
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