Christoph Freund sitzt am Samstag in Gladbach zum ersten Mal auf der Betreuerbank des FC Bayern München. Mit der „Krone“ blickte er zuvor noch einmal zurück auf 17 Jahre Salzburg, seine Liebe zum FC Tirol und die schwierigste Phase seines Lebens.
„Ich will ganz nah dran sein an der Mannschaft“, hatte Christoph Freund bei seiner Vorstellung als Bayerns Sportdirektor gesagt. Das setzt er um, heute wird er beim Gastspiel des Bundesliga-Champions bei Borussia Mönchengladbach auf der Betreuerbank der Münchner Platz nehmen.
Bevor der Pinzgauer offiziell seinen neuen Job antrat, traf er sich mit der „Krone“ und begab sich auf eine Zeitreise. Der 46-Jährige, der 17 Jahre für die Bullen tätig war, blätterte im Fotoalbum und ließ die vergangenen Jahrzehnte noch einmal Revue passieren. Christoph Freund über ...
... seine Liebe zum FC Tirol:
Da war ich vorne drauf am FC-Tirol-Kalender mit Ernst Happel. Das war 1987, ich war gerade zehn Jahre alt und der größte Fan. Ich war dann einmal mit meinem Papa dort und durfte mit Happel und Peter Pacult eine Jause essen. Das war für mich als kleinen Buben legendär.
... sein Kurzgastspiel bei den Tirolern:
Ich war Kooperationsspieler, habe mich nach zwei Monaten leider schwer am Knöchel verletzt. Ich bin von Kundl nach Innsbruck gewechselt, Kurt Jara hat mich damals geholt. Für mich war das ein besonders cooler Schritt, weil ich als Kind riesiger FC-Tirol-Fan war. Das war mein Verein, daher war das ein Kindheitstraum. Ich habe dann leider nur Freundschaftsspiele absolviert und ein Trainingslager, trotzdem war es eine tolle Geschichte.
... die Mitarbeiter, die die Seele des Vereins bilden:
‘Der Staff ist die Konstante bei uns. Das ist auch sehr wichtig, denn das ist die Sicherheit und Stabilität, die es in Taxham braucht. Ob die Physios, Zeugwarte, Köche, Spielerbetreuung oder das Teammanagement, um Mark Lang- sie sind ein ganz wichtiger Faktor. Sie sind eine große Familie.
... die Bayern-Bosse:
Ich war vor dem ersten Treffen nicht nervös, aber doch positiv aufgeregt. Das sind Lichtgestalten im internationalen Fußball. Die Atmosphäre war von Beginn an sehr angenehm und wertschätzend, ich habe mich wohl gefühlt. Daher hat es nicht viel Überredungskunst gebraucht. Ich habe gespürt, dass sie sich sicher waren, dass sie mich wollen. Schön, dass ich sie jetzt besser kennenlernen darf. Sie waren sehr nahbar und freundlich. Sie haben in der Vergangenheit vielen Menschen und Vereinen geholfen, das zeugt schon von einem großen Herzen.
... den Tod seines Vaters und die Übernahme der Tischlerei in Leogang:
Ich war ein junger Bursche, der sorgenfrei gelebt hat. Als mein Papa verstorben ist, hat es mir den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Diese Zeit hat mich sehr geprägt. Erstens, weil mein Papa und ich eine sehr enge Beziehung hatten. Zweitens, weil wir eine Firma mit 25 Mitarbeitern hatten und ich nicht wusste, wie es weitergehen soll. Das war nicht einfach, viele dachten, die Firma würde es nach einem Jahr nicht mehr geben. Da habe ich gemerkt, dass du sehr viel schaffen kannst, wenn du zusammenhältst, obwohl dir Außenstehende das nicht zutrauen. Dass wir das gemeinsam mit den Mitarbeitern geschafft haben, sehe ich als größten Erfolg in meinem Leben. Das habe ich auch für meinen Papa gemacht. Ich bin überzeugt, dass er mein weiteres Leben mitgestaltet hat.
Es ist schön, dass es die Firma unter der Leitung von meinem Freund Alfred und vielen langjährigen Mitarbeitern immer noch gibt und sie super funktioniert. Ich bin froh, dass ich sie damals übernommen habe, obwohl das nicht meine Berufung war. Gleichzeitig bin ich froh, dass ich mich danach entschieden habe, wieder in den Fußball zurückzukehren . Heute wirkt alles ganz offensichtlich, damals war das aber nicht so. Ich habe bei Salzburg als No Name angefangen und hatte ja nichts außer der Firma. Es war eine Herzensentscheidung, die richtig war.
... die Nachfolge von Ralf Rangnick als Sportdirektor des FC Red Bull Salzburg:
Ich habe neue Facetten kennengelernt, es gab viel mehr Öffentlichkeit. Die Fußstapfen von Ralf Rangnick waren groß. Der Beginn war schwierig, wir sind international gleich ausgeschieden, haben uns im November auch von Trainer Peter Zeidler getrennt. Da war die Öffentlichkeit schon sehr skeptisch, Ralf hat uns aber voll vertraut. Es waren intensive Monate, die Medien haben mich kritisiert, für viele war klar, dass ich nur eine Übergangslösung bin, bis sie einen großen Namen finden. Ich habe zu meiner Familie gesagt: „Es kommt, wie es kommt. Ich gebe mein Bestes. Wenn ich Zeit bekomme, wird alles gut.“ Zum Glück ist es so geworden.
Natürlich gab es Gedanken, dass ich abgelöst werden könnte. Es war alles neu für mich, da war es nicht selbstverständlich, dass ich die Zeit bekomme, um in all das reinzuwachsen. Der Turnaround war dann im Winter, als wir Oscar Garcia geholt haben. Schon davor die zwei Spiele unter Thomas Letsch gegen Rapid und Mattersburg waren gut. Ich habe dann die Mannschaft immer besser gespürt, hatte einen guten Draht zu Kapitän Jonny Soriano. Im Frühjahr durften wir dann das Double feiern.
... die Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Stephan Reiter:
Es war eine jahrelange Lebensgemeinschaft. Stephan war ein Quereinsteiger und musste den Fußball erst kennenlernen. Wir sind ganz unterschiedliche Typen, ein bisschen wie Yin und Yang, haben uns aber super ergänzt. Es ist eine tolle Freundschaft entstanden, die mich noch einmal besser werden ließ, weil er ein super Manager ist mit einer tollen Struktur. Da konnte ich viel mitnehmen. Er wiederum versteht das Fußball Geschäft inzwischen viel tiefgründiger.
Zwischendurch hat es auch immer wieder mal gekracht zwischen uns. Stephan ist sehr direkt und hat eine klare Meinung. Es gab auch Tage, an denen es besser war, wenn wir uns mal nicht sahen (lacht). Das war aber immer okay, weil wir uns beide Gedanken gemacht haben, um den anderen zu verstehen. So haben wir dann oft die besten Entscheidungen getroffen. Wir haben uns oft und gut gerieben, dadurch ist aber auch eine gute Energie entstanden. Wir verstehen und vertrauen uns extrem.
... Freundschaften, die für ihn eine besondere Bedeutung haben:
Zum Bild: Ich war beim SC Interwetten, wir haben gegen Pammi (Manfred Pamminger, Anm.) und Austria Salzburg gespielt. Wir waren damals schon befreundet, weil wir ja gemeinsam im BNZ gespielt haben. Ein tolles Foto - zwei Freunde im Infight. Ich war ein Jahr, mäßig erfolgreich, in Untersiebenbrunn. Für mich als Bergmensch war das Flachland eine prägende Zeit. (Funfact: Freund war in Untersiebenbrunn Nachfolger vom langjährigen Salzburg-Pressesprecher Christian Kircher)
Es ist mir einfach wichtig, den Kontakt zu alten Freunden nicht zu verlieren. Auch wenn ich jetzt Sportdirektor bei Bayern München bin, soll sich unsere Beziehung nicht verändern. Neben der Familie sind Freunde für mich eine Wohlfühloase. Das soll sich nie ändern, denn als Mensch bin ich immer noch der Gleiche.
... Stars, die in Salzburg „kreiert“ wurden:
Erling Haaland war sicher der speziellste Transfer, den wir getätigt haben. Er war nur sehr kurz da, hat effektiv sogar nur ein halbes Jahr bei uns gespielt. Erling ist einfach ein positiv verrückter Typ. Dass er so explodieren würde, war nicht vorhersehbar.
Menschlich gab es einige, die mich besonders beeindruckt haben. Zu Andre Ramalho hatte ich aber schon ein sehr spezielles Verhältnis. Menschlich war er besonders. Er hat so ein großes Herz!
... den langjährigen Bullen-Mäzen Dietrich Mateschitz:
Wir hatten ein sehr wertschätzendes und respektvolles Verhältnis. Er war eine unglaubliche Persönlichkeit und ich bin froh, dass ich ihn kennenlernen durfte. Da sind zwei Lichtgestalten und Visionäre auf einem Bild. Auch Franz Beckenbauer durfte ich mal persönlich kennenlernen.
... seinen Abschied aus Salzburg:
Er hätte nicht schöner sein können. Ich habe gemerkt, dass mir die Leute das gönnen und trotzdem sind sie nicht froh, dass ich weg bin. Ich bin mit dem Rad zum Stadion gefahren, bin noch einmal alleine in die Kabine. Es war ein besonderer Moment, denn ich habe gewusst, es ist das letzte Mal. Dann sprichst du noch einmal mit dem Ordner, der seit vielen Jahren da ist, triffst viele Leute noch einmal. Ich wollte nicht so emotional sein, aber es überkam mich dann. Für mich war es ein perfekter Abschluss.
... das, wofür er dankbar ist:
Dass ich in Salzburg immer wieder die Chance für den nächsten Schritt bekommen habe. Und dass ich so toll Abschied nehmen durfte und so viel Liebe gespürt habe von den Mitarbeitern, den Spielern und den Fans. Dafür bin ich extrem dankbar!
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