Außenminister Alexander Schallenberg ist überzeugt davon, dass ein Machtwechsel in Moskau keinen Frieden in der Ukraine bringen würde. Wer glaube, dass ein potenzieller Nachfolger des russischen Präsidenten Wladimir Putin ein „lupenreiner Demokrat“ sein würde, „der irrt gewaltig“, betont der 54-Jährige. Schallenberg warnt zudem: „Wir müssen sehr vorsichtig sein, was wir uns eigentlich wünschen.“
Es gebe zwar einen internationalen Haftbefehl gegen Putin, doch gehe es nicht darum, „dass Russland verliert, in Teile aufgebrochen wird, oder dass es dort zu einem Regimewechsel kommt“. Er sei jedenfalls nicht im „Business of Regime Change“, so Schallenberg im Interview mit der APA. Gerade der letztlich abgebrochene Marsch auf Moskau, den die von Jewgeni Prigoschin angeführte Söldner-Truppe Wagner im Juni lanciert hatte, und dessen kürzlich vermeldeter Tod bei einem Flugzeugabsturz bedeute aber auch, dass es in Russland „Risse im System“ gebe. „Es zeigt, dass nicht alles so homogen und aus einem Guss ist, wie man manchmal von außen den Eindruck haben könnte.“
Prigoschins Tod „nicht ganz überraschend“
Die Nachricht vom Tod Prigoschins stellt Schallenberg per se nicht in Frage. Schließlich sei dieser von Moskau offiziell bestätigt worden. Es wäre wohl „ein unglaublicher Gesichtsverlust für den Kreml, wenn Prigoschin plötzlich irgendwo in Afrika auftauchen“ würde. Zudem komme Prigoschins Tod „nicht ganz überraschend“, meint Schallenberg.
Eine wesentliche Gefahr, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine eskalieren und sich ausweiten könnte, sieht Schallenberg indes nicht. „Die Gefahr gibt es eigentlich immer, wenn man etwa die Situation im Schwarzen Meer beobachtet“, meint der Minister. „Aber man muss den Partnern der NATO und auch den Vereinigten Staaten sehr hoch anrechnen, dass sie eigentlich von Tag eins an sehr darauf geachtet haben, dass keine Situationen erzeugt werden, die eine Eskalation zur Folge haben.“ Das gelte aber auch für die russische Seite. „Also auch bei den brutalen Raketen und dem Drohnenbeschuss auf die Ukraine wird von russischer Seite sehr offensichtlich darauf geachtet, dass nichts auf NATO-Territorium, sprich zum Beispiel auf Polen, übergreift.“
„Putins nützliche Idioten“: Ärger über Artikel
Verärgert zeigt sich Schallenberg über ein vom britischen Magazin „The Economist“ im Juli veröffentlichtes Ranking von „Putins nützlichen Idioten“, wonach Österreich nach Ungarn unter dem rechtskonservativen Regierungschef Viktor Orbán der zweitwichtigste Handlanger des russischen Präsidenten Putin in Europa sei. „Diese Darstellungen sind völlig falsch und ärgern mich, weil sie auf Ereignisse der Vergangenheit zurückgreifen, zum Beispiel das Verhalten meiner Vorgängerin.“
Natürlich habe Österreich - „so wie Deutschland und andere Länder“ - auch historisch gesehen eine enge Beziehung zu Russland gehabt, seit dem 24. Februar 2022 - dem Tag des Überfalls Russlands auf die Ukraine - fahre die österreichische Bundesregierung aber einen ganz, ganz klaren Kurs in dieser Frage: „Wir sind zwar militärisch neutral, es gibt keine Waffenlieferungen an die Ukraine, es wird auch in der Zukunft keine geben, aber wir sind nicht gesinnungsneutral, wir sind nicht werteneutral.“
Österreich hilft weiter
Bei der humanitären Hilfe für die Ukraine liege Österreich pro Kopf global gesehen sogar auf den Spitzenplätzen. „Es täten daher auch diese Journalisten gut daran, sich die jetzige Linie Österreichs anzuschauen und nicht nur in der Vergangenheit zu wühlen“, richtet Schallenberg den Kritikern aus. Österreich werde der Ukraine jedenfalls weiter zur Seite stehen, auch die Hilfe bei der Entminung werde ein Riesenthema sein.
Angesichts der Versuche von Russland oder China, etwa in Afrika oder Lateinamerika an Einfluss zu gewinnen, oder der Formierung von Bündnissen wie jenem der BRICS-Staaten müsse Europa aufpassen, „dass wir nicht unsere europäische Wahrnehmung als die globale sehen“, warnt der Außenminister. Viele andere Staaten sähen nämlich eine fragmentierte Welt, wo es verschiedene Machtpole gibt: USA, EU, China, Russland und andere. Man könne zum Beispiel die afrikanischen Staaten nicht dazu zwingen, sich für den Westen oder China bzw. Russland zu entscheiden. Europa müsse akzeptieren, wenn diese Staaten sagten: „Wir werden mit China Handel treiben, wir werden in Russland Munition und militärische Güter kaufen, und wir werden mit euch Handel treiben.“
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