Opernkrittik: „La clemenza di Tito“ von Mozart gelingt der Wiener Staatsoper zum Saisonstart musikalisch vor allem enttäuschend. Konsequent: das Ganze spielt in der schon zur Premiere wenig erfreulichen Inszenierung von Jürgen Flimm.
Während Dominique Meyer als Chef der Mailänder Scala seine starbesetzte neue Saison in Wien stolz präsentierte, arbeitet die Staatsoper offenbar die Reste seiner nicht ganz so glanzvollen Wiener Direktions-Ära ab. Diesmal sogar zum Saisonstart mit Mozarts „La clemenza di Tito“, diesem Altes Rom-Dynasty, das Mozart 1791 zur Krönung Kaiser Leopolds II. zum König von Böhmen komponiert hat.
Fiel schon bei Premiere durch
Die als „Wiederaufnahme“ firmierende 17. Aufführung hätte es am Montag eher nicht gebraucht. Diese „La clemenza di Tito“-Inszenierung von Jürgen Flimm, Jahrgang 2012, fiel schon bei der Premiere durch. Ein Bärendienst am verdienten Theatermann Flimm, seine mit Abstand schwächste Wiener Inszenierung aus dem Fundus zu glauben.
Genau dort fühlt man sich auch, wenn die zerschlissenen Kulissen-Hänger von Ausstatter George Tsypin, auf denen Architektur von Barock bis irgendwann collagiert ist, über die Bühne geschoben werden, um immer wieder neue Räume zu bilden. In denen spielen dann weitgehend sinnbefreit heutige Menschen in heutiger Kleidung - nur Titus trägt eine Jacke, die nach Fantasie-Polizei-Uniform aussieht -, die Opernhandlung nach.
Wobei der in „La clemenza“ durchaus nicht ganz unwichtige Chor für seine Auftritte mit Pult und Noten herbeischleicht, sich in einer Reihe aufstellt und vom Blatt singt - diesmal so, als wäre es tatsächlich die erste Probe der Saison.
Als Dirigent ist der am Haus bisher nur bei Monteverdi am Pult des Concentus Musicus eingesetzte Pablo Heras-Casado aufgeboten, der soeben in Bayreuth ein sensationelles „Parsifal“-Dirigat abgeliefert hat. Doch die Mozart-Chemie scheint zwischen ihm und jenen Musikern, die im Staatsopernorchestergraben sitzen, nicht zu stimmen. Warum man das allerdings einen Abend lang auch hören muss, bleibt unverständlich. Von einem professionellen Klangkörper möchte man sich nicht vorspielen lassen, dass man Mozart lieber anders spielen würde.
Am Rande der Spielbarkeit
Ein gerütteltes Maß an Einsatz und Präzision nicht nur in den Streichern oder den unelegant mauzenden Bläsern darf sein. Natürlich fordert Heras-Casado vor allem zu Beginn teils aberwitzige Tempi am Rande der Spielbarkeit, setzt aber schließlich auf einen kontrastreichen höchst eloquenten, historisch informierten Mozartklang. Das könnte für großartige Momente sorgen, und gibt den Sängern die Möglichkeit, ihre Arien über schöne Phrasen hinaus ausdrucksstark, lebendig zu gestalten.
Wenn man - und hier offenbart sich das nächste Problem - auch die richtigen Kräfte dafür hätte. Denn Mozart fordert vor allem von den Damen Enormes. Kate Lindsey als Sesto gelingen immerhin zarte, anrührende Momente, während man sich sonst deutlich mehr Strahl- und Durchschlagskraft erwarten dürfte.
Ob das gut geht?
Federica Lombardi arbeitet sich mutig, aber weit über ihre Verhältnisse hinaus an den stimmlichen Zumutungen der Vitellia ab. Da klingt vieles gefährdet, von der gedrückten Tiefe bis zur forcierten Höhe. Ob das gut geht?
Matthew Polenzani gibt einen allzu milden, recht kehligen Herrscher Titus. Als Publio ist ihm Peter Kellner mehr brav als Bass mächtig zu Diensten. Zwei stimmliche Lichtblicke können die müde Mozart-Angelegenheit auch nicht mehr putzen: Slávka Zámečníková überzeugt als Servilia mit leuchtendem Sopran, und vor allem Patrizia Nolz zeigt als fast perfekter Annio mit ihrem leuchtenden Mezzo bis in höchste Höhen, wie Mozart an einer Wiener Staatsoper klingen sollte!
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