Die ÖVP kündigt einen großen Wurf bei der Kinderbetreuung an. Familienministerin Susanne Raab präsentiert viele Zahlen, Ziele und Problemzonen. Es wird eine Art Herkulesaufgabe.
Die Zahlen sprudeln aus Susanne Raab, als hätte man die Familienministerin monatelang am Sprechen gehindert. Knackig erläuterte sie am Dienstag den geplanten Kraftakt der Regierung, den ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer am Vortag im ORF-„Sommergespräch“ überraschend verkündet hatte.
4,5 Milliarden Euro gibt es zusätzlich für die so große wie alte Problemzone Kinderbetreuungsplätze. Bis 2030 soll jede Familie, die es auch will, Kinder unterbringen können. Ab dem ersten Lebensjahr. Im Fokus vor allem die ganz Kleinen bis drei Jahre. Hier will man 50.000 zusätzliche Plätze. „Wichtig ist, dass Frauen die Wahlfreiheit haben, auch möglichst rasch Vollzeit zu arbeiten“, sagt Raab. Sie nennt bewusst die Frauen. Denn diese tragen nach wie vor die große Last der Kinderbetreuung. Und verlieren dabei Arbeitszeit und somit Pensionsansprüche.
Große Frage: Wer wird wie viel bezahlen?
„Wir werden das Tempo gegenüber den letzten Jahren noch verdoppeln.“ Die Grafik zeigt die Entwicklung (siehe unten). 2023 soll der Anteil an betreuten Kindern in VIF-konformen Einrichtungen - die also mit einer Vollzeitbeschäftigung vereinbar sind - 75 Prozent betragen. Das heißt: Wochenöffnungszeiten von mindestens 45 Stunden, täglich 9,5 an vier Tagen, mindestens 47 Wochen jährlich. Diese Einrichtungen erlauben es, Vollzeit zu arbeiten.
Wer soll das bezahlen? Und wie bekommt man idealerweise einheitliche Regeln, zumal die Kompetenz bei den Bundesländern liegt? Im Rahmen des Finanzausgleiches soll die Gleichung gelingen. „Bund, Länder, die wir seit 2008 unterstützen, und Gemeinden müssen gemeinsam eine Lösung finden.“ Die Zahl 4,5 Milliarden sei das Ergebnis einer Analyse, die man mit EcoAustria erstellt habe.
Kritik und Zuspruch für den Vorstoß
Das Institut verfeinere aktuell das Konzept. Das größte Problem aber darf Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) angehen. Ohnehin geplagt vom Lehrermangel, soll er nun auch die Pädagogen für die stürmische Betreuungsoffensive locken. Man müsse den Beruf attraktiver machen, sagt Raab. Geld genug wäre vorhanden. Einen Rechtsanspruch hält Raab wie Nehammer aber für nicht sinnvoll. „Erst braucht es die Rahmenbedingungen und die Pädagogen.“
Die Opposition hält die Ankündigung für „unglaubwürdig“ (NEOS-Familiensprecher Michael Bernhard). „Völlig absurd, Nehammer hat jahrelang keinen Finger gerührt“, sagt SPÖ-Geschäftsführer Klaus Seltenheim. Für die Gewerkschaft ist es ein „Marketingschmäh“. AK-Präsidentin Renate Anderl meint, es brauche mehr Geld. Und natürlich die Mitarbeit der Bundesländer. Grüne, Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer begrüßen hingegen den Vorstoß als wichtige Investition. Fest steht: Für den großen Wurf braucht es enorme Kraftanstrengung.
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