War „nicht gefährlich“

Nackter Klimaaktivist: Jetzt Urteil gegen Polizei

Wien
06.09.2023 13:21

Der Fall eines Wiener Klimaaktivisten, der sich im heurigen Frühjahr bei einer Durchsuchung durch die Polizei nackt ausziehen musste, schlug große Wellen. Nach einer Beschwerde der Letzten Generation gibt es nun ein eindeutiges Gerichtsurteil: Das Verhalten der Beamten war rechtswidrig - der Anwalt der Aktivisten spricht nun von einem Präzedenzfall.

Ein Beamter hatte den 24-Jährigen am 20. Februar gezwungen im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände seine Unterwäsche hinunterzuziehen. „Der BF (Beschwerdeführer) wurde wegen des Verdachts einer geringfügigen Verwaltungsübertretung nach dem Versammlungsgesetz festgenommen, leistete keinerlei Widerstand gegen seine Festnahme und wirkte an seiner Durchsuchung am Versammlungsort sowie der Feststellung seiner Identität mit“, hieß es in dem rechtskräftigen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts.

„Kein Grund, zum Ausziehen aufzufordern“
„Es lag kein Anlass vor, davon auszugehen, dass der BF gefährlich sei. Eine erste oberflächliche Durchsuchung des BF am Vorfallsort hatte bereits ergeben, dass er keine bedenklichen Gegenstände bei sich trug“, führt das Verwaltungsgericht aus. „Zusammengefasst bestand sohin keinerlei Grund dafür, den BF zum vollständigen Ausziehen aufzufordern und seinen unbekleideten Körper zu besichtigen.“

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Es lag kein Anlass vor, davon auszugehen, dass der BF gefährlich sei. Eine erste oberflächliche Durchsuchung des BF am Vorfallsort hatte bereits ergeben, dass er keine bedenklichen Gegenstände bei sich trug

Verwaltungsgericht Wien

Nach VwGH-Rechtsprechung sei eine derartige Aktion im Fall einer Festnahme zwar in jedem Fall erlaubt, jedoch nur um Eigen- oder Fremdverletzungen zu verhindern sowie einer Flucht vorzubeugen. Mit abnehmenden Gefährdungspotenzial wird „eine Maßnahme wie die Durchsuchung eines unbekleideten Körpers grundsätzlich unverhältnismäßig“.

Maßnahme des Beamten überbordend
Am Zweck sei auch die Intensität der Maßnahme zu messen, heißt es in Berufung auf das Höchstgericht. Bestehe der Verdacht, die festgenommene Person trage sicherheitsgefährdende oder fluchtbegünstigende Gegenstände am Körper, die klein genug seien, um übersehen zu werden, sei eine Aufforderung zum Ablegen der Unterwäsche zulässig. Generell sei aber immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzuwenden.

Immer wieder beschweren sich Mitglieder der Letzten Generation über den Umgang der Exekutive mit ihnen. (Bild: Petra Weichhart)
Immer wieder beschweren sich Mitglieder der Letzten Generation über den Umgang der Exekutive mit ihnen.

Darüber hinaus stehe das Erkenntnis in diesem Fall auch in Einklang mit der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrecht (EGMR).

Aktivist: „Wir sind keine Verbrecher“
Der betroffene Aktivist zeigte sich am Mittwoch erfreut über den Entscheid des Gerichts. „Wir sind keine Verbrecher, die gefährliche Gegenstände mit uns führen“, sagte der Student. Die „Letzte Generation“ teilte mit, es werde Zeit, „dass sich die Verantwortlichen den Gerichten stellen, die gerade mit dem Ausbau der fossilen Infrastruktur die Vernichtung unserer Gesellschaft vorantreiben“.

Anwalt sieht Wegweisendes Urteil
Clemens Lahner, der zuständige Rechtsanwalt des 24-Jährigen, betonte am Mittwoch, dass es sich hier um ein wegweisendes Urteil des Gerichts handle. „Die Entscheidung ist insofern ein Präzedenzfall, als klargestellt wird, dass gewaltfreier Protest keine entwürdigende Behandlung rechtfertigt“, sagte Lahner.

„Die Botschaft gerade an junge Menschen ist: Wenn euch ein Anliegen wichtig ist, dann könnt ihr dafür auf die Straße gehen, ohne dass eure Menschenwürde verletzt wird.“

Inspektor argumentierte mit „Standardprozedere“
Der damals zuständige Gruppeninspektor betonte vergangene Woche, bei diesem Vorgehen handle es sich um „Standardprozedere“. Er könne eine Eigen- oder Fremdgefährdung im Vorfeld nie ausschließen, selbst wenn es keine konkreten Anzeichen gebe, sagte der Polizist. Er habe zudem den Verdacht gehabt, möglicherweise Superkleber in der Unterwäsche des Mannes zu finden. „Es hätte sein können, dass sich jemand bei uns im PAZ anklebt und das brauchen wir nicht.“

Die Landespolizeidirektion Wien könne nun theoretisch außerordentliches Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen, das Urteil ist aber rechtskräftig.

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