„Die Basis“ soll laut Innsbrucks Vizebürgermeister Johannes Anzengruber entscheiden, wer Spitzenkandidat der ÖVP bei der Wahl im Frühjahr wird. Mit Geschenken an selbige hat er schon mal vorgebaut. Auch andere Organisationen wurden versorgt - in Summe soll er mehr als 4000 Freizeit-Erlebniskarten verteilt haben. Andere Parteien sind empört!
Eine Mitgliederbefragung verlangt Anzengruber innerhalb seiner Partei, um zu entscheiden, wer Bürgermeisterkandidat der ÖVP in Innsbruck wird. In einem Schreiben an LH Anton Mattle hat er ihm das auch ganz klar ausgerichtet.
Idee erscheint in neuem Licht
Einmal abgesehen davon, dass in den Statuten der ÖVP derartiges gar nicht vorgesehen ist, erscheint Anzengrubers Idee vor dem Hintergrund seiner jüngsten Verteilaktion in einem neuen Licht. Denn zuerst 1100 Freizeitkarten an Institutionen zu verteilen, für die er politisch zuständig ist, und gleichzeitig die Einbindung von Wählern in strategische Entscheidungen zu fordern, ist ein Manöver, das nicht sehr schwer zu durchschauen ist.
Für Vize-Posten keine Basis verlangt
Interessant auch in diesem Zusammenhang, dass Anzengruber bei seiner eigenen Bestellung zum Vize-Bürgermeister großzügig auf die Mitsprache der Basis verzichtet hat. Da waren die allein getroffenen Entscheidungen der Parteigremien offenbar noch gut genug.
Affäre weitet sich aus
Am Mittwoch tauchten weitere Meldungen auf, wonach es nicht bei diesen 1100 an Feuerwehrleute und Pflegekräfte verteilten Karten geblieben ist: Auch Mitarbeiter der Innsbrucker Soziale Dienste (kolportiert 1400), Wasserrettung, Rotes Kreuz und Bergwacht wurden offenbar reich beschenkt - jeweils mit Bild des lächelnden Vizes Anzengruber. In Summe sollen angeblich rund 4000 Karten verteilt worden sein. Fakt ist: Die Aktion zieht Kreise, auch politisch.
Auch Grüne auf Distanz
Denn die anderen Parteien sind nicht gewillt, die Verteilaktion kritiklos hinzunehmen. Auch die Grünen, die bislang Anzengruber immer gegen seine eigene Partei verteidigt haben – was allein schon ein Gustostückerl für sich ist –, gehen auf Distanz.
Anstatt an eine ausgewählte Gruppe Sachen zu verteilen, sollte Anzengruber in das große Ganze investieren.
Grünen-Klubobmann Dejan Lukovic
Bild: Birbaumer Christof
Sie fühlen sich vor den Kopf gestoßen: „Anstatt an eine ausgewählte Gruppe Sachen zu verteilen, sollte Anzengruber in das große Ganze investieren. Die Innsbruck Aktiv Card, wie von uns vorgeschlagen, würde soziale Teilhabe für ressourcenschwache Menschen bedeuten“, sagt Grün-Klubobmann Dejan Lukovic. Darüber hinaus erwarte man sich vom Bürgermeister-Stellvertreter „eine gute Erklärung, wie es zu diesen Verteilungen kam“.
Rechtsausschuss-Vorsitzender: „Problematisch“
SPÖ-Stadtparteichef Benjamin Plach, selbst Jurist, sieht „den Ablauf der gesamten Aktion aus rechtlicher Sicht äußerst problematisch“. Er erwarte sich hier „volle Aufklärung“. Die Weitergabe geschenkter Karten sei „keine Formalität, hier sind ganz klar die entsprechenden Gremialbeschlüsse zu fassen“. Plach ortet „klare Kompetenzüberschreitung“.
Aus meiner Sicht müsste der Bürgermeister als Bezirkshauptmann aktiv werden.
Neos-GR Julia Seidl
Bild: zvg
Neos: „Schamlose Aktion“
„Eine völlig abgehobene, schamlose Aktion“, urteilt Neos-GR Julia Seidl: „Aus meiner Sicht müsste der Bürgermeister als Bezirkshauptmann aktiv werden und die Sache rechtlich überprüfen lassen, denn als Mandatsträger ist der Vize ein Bediensteter der Stadt Innsbruck. Wir behalten uns jedenfalls weitere rechtliche Schritte vor.“
Kontrollpartei Liste Fritz: Schaden für alle
„Die bekannt gewordenen Vorwürfe wiegen schwer“, sagt Liste-Fritz-GR Tom Mayer: „Die Vorgehensweise von ÖVP-Vize Anzengruber ist für uns als Kontroll-Partei intransparent und aufklärungsbedürftig, nicht nachvollziehbar und undemokratisch. Er schadet damit den Beschenkten, sich selbst und dem Ansehen der Stadt Innsbruck.“
Keine Krisenfeuerwehr in Sicht
Von der ÖVP rückte am Mittwoch niemand zur Verteidigung der Aktion aus. Auch Anzengruber selbst nicht – obwohl er sonst bei jeder Gelegenheit Transparenz und „saubere Politik“ einfordert.
Von Deeskalation ist bei der Stadt-ÖVP nichts zu sehen. Im Gegenteil, die Zeichen stehen auf Sturm. Und niemand will als Krisenfeuerwehr einschreiten.
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