Das neue Kinderbetreuungsgesetz, das am 1. September in Oberösterreich in Kraft getreten ist, ruft nun Betroffene auf den Plan: Gegen die geänderte Regelung für Tageseltern begehren sowohl diese als auch besorgte Eltern auf. Sie wünschen sich einen Dialog mit der Landesregierung - und ein neues Gesetz.
Die oö. Tageseltern wollen Nachschärfungen bei der kürzlich im Landtag beschlossenen Novelle des Kinderbildungsgesetzes. Diese sieht vor, dass, sobald mehr als zwei Kinder in einer Gemeinde Betreuung brauchen, die Kinder in den Kindergarten oder Hort gehen und die Betreuung bei Tageseltern nicht mehr gefördert wird. Wie berichtet, kritisieren auf politischer Ebene vor allem die Neos diese Regelung - sie haben der Novelle als einzige Fraktion im Landtag nicht zugestimmt.
„Alltagsfragen nicht bedacht“
Die Vorstandsvorsitzende des Vereins Aktion Tagesmütter OÖ (VTM), Jasmin Chansri sagte am Freitag, es sei zwar prinzipiell gut, wenn die Kinderbetreuung ausgebaut werde. Man habe aber „Alltagsfragen nicht bedacht“. Zum Beispiel: Mit den regulären Öffnungszeiten der Kindergärten und Krabbelstuben würden viele berufstätige Eltern nicht das Auslangen finden.
Tagesmutter kostet 1800 Euro im Monat
Das bestätigt Johanna Fürweger aus Wartberg/Krems, alleinerziehende Mutter zweier Kinder, darunter eine fünfjährige Tochter: „Der Kindergarten ist eine halbe Stunde weg von meinem Arbeitsplatz. Wenn der um 16 Uhr schließt, kann ich nicht einfach um 15.30 Uhr alles stehen und liegen lassen, um meine Tochter abzuholen. Ohne Tagesmutter würde ich meinen Job verlieren.“ Die Alternative, die Tagesmutter selbst zu bezahlen sei keine Option, sagt die Automobilkauffrau: „Das kostet mich 1800 Euro im Monat.“
Als ich von den geplanten Streichungen der Förderungen erfuhr, wurde mir klar, dass ich bald keine Betreuung mehr haben würde und miene derzeitige Lebenssituation gefährdet ist
Johanna Fürweger, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern
Einkommensunsicherheit
VTM-Betriebsratsvorsitzende Michaela Breuer macht sich Sorgen um den Erhalt der Arbeitsplätze der derzeit rund 200 Tagesmütter- und -väter in Oberösterreich, die rund 400 Kinder betreuen. Denn wenn plötzlich drei statt zwei Kinder im Ort einen Betreuungsplatz brauchen, müssten die bisher bei Tageseltern betreuten Kleinen in den Kindergarten wechseln - und bei den Tageseltern würde plötzlich Einkommen wegfallen. „Dass Tageseltern durch das Gesetz in eine Einkommensunsicherheit gebracht werden, ist im Jahr 2023 eine Schande“, urteilt Chansri.
Sie fordert, dass das Gesetz noch einmal aufgemacht, überarbeitet und neu beschlossen wird. Große Erfolgsaussichten hat sie allerdings nicht: In Oberösterreich würden Gesetze umgesetzt und dazu stehe man, heißt es auf Anfrage aus dem Büro der zuständigen LH-Stellverterterin Christine Haberlander (ÖVP). Die Novelle sei einige Wochen in Begutachtung gewesen, in dieser Zeit hätte der VTM Gelegenheit für Einwände gehabt - es habe aber keinerlei Rückmeldung gegeben.
Härtefälle werden „kulant behandelt“
Seitens der Bildungsdirektion versucht man, die Bedenken der Eltern zu zerstreuen: „Kinderbetreuung in Oberösterreich hat dem Bedarf der Eltern zu entsprechen, und Einrichtungen sind bei einem solchen Bedarf auch bis am Abend zu öffnen.“ Härtefälle - wie etwa jener von Johanna Fürweger - bei denen zusätzlich zur Betreuung im Kindergarten einzelne Tageseltern-Stunden nötig sind, würden „von der Behörde jedenfalls kulant behandelt“. Sprich: Hier werden die Förderungen nicht rigoros gestrichen.
Bemerkenswerte Doppelrolle
Interessant ist in der Causa übrigens die Rolle von VTM-Geschäftsführerin Doris Margreiter. Sie sitzt für die SPÖ im Landtag und hat im Juni für die jetzt von ihrem Verein kritisierte Novelle gestimmt. Für die Pressekonferenz am Freitag ließ sie sich kurzfristig entschuldigen.
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