Der Civic ist sich in seiner neunten Generation selbst (genauer gesagt der achten Generation) treu geblieben. Die Keilform ist weiterhin ungewöhnlich, aber geglättet und nicht mehr so verstörend wie bei der Premiere 2006. In der extrem flachen Front sitzen jetzt LED-Tagfahrleisten; schade, dass sie wirken wie aus dem Zubehörprogramm. Der durch die Heckscheibe verlaufende Heckspoiler bleibt erhalten (er wächst jetzt aus den Heckleuchten), dennoch wurde die Sicht nach hinten deutlich verbessert, die Scheibe ist jetzt komplett beheizbar und obenauf thront ein Scheibenwischer wie eine Galionsfigur. Die dicken C-Säulen fallen beim Einparken auf, aber immerhin ist eine Rückfahrkamera im Angebot.
Viel Platz für Mensch und Ladung
Dass der Neue geduckter wirkt als früher, täuscht nicht: 4,5 cm länger ist er, 1 cm breiter und 2 cm flacher. Dieses Wachstum kommt überproportional den Insassen zugute, ist die Schulterfreiheit auf den Vordersitzen doch um 4,5 cm gewachsen. Man fühlt sich wohl, vor allem in der ersten Reihe. In Reihe zwei sollte man nicht allzu groß gewachsen sein, sonst stößt man sich den Kopf, während die Beine adäquat untergebracht werden.
"Raumschiff" ist durchaus wörtlich zu verstehen: Der neue Civic bietet mit 477 Liter mindestens 100 Liter mehr Kofferraumvolumen als jeder andere Kompaktklässler, 1.378 Liter schluckt er bei umgeklappter Rückbank – mehr als mancher Kombi. Einzigartig sind die "Magic Seats" genannten Rücksitze, die sich wie Kinosessel hochklappen lassen und so Platz machen für große Gegenstände, etwa ein Fahrrad.
Sehr spezielle Cockpitgestaltung
An ein Raumschiffcockpit fühlt man sich auch am Fahrerplatz erinnert: Dieses bunte Farbenspiel und die übersichtlichen Informationen in mehreren Ebenen macht dem Civic so leicht keiner nach. Der Drehzahlmesser sitzt ganz klassisch analog in der Mitte, der digitale Tacho jedoch befindet sich in einem Extrabogen direkt unterhalb der Windschutzscheibe. Durch diese Position macht er ein Head-Up-Display unnötig. Direkt daneben ist das Multifunktionsdisplay platziert, dessen Logik angeblich nach Kundenwünschen aufgebaut ist, mir aber etwas zu umständlich ist (gilt nur für Ausstattungsversionen ohne Navi).
Das Farbenspiel rund um die Geschwindigkeitsanzeige hat durchaus seinen Sinn: Es zeigt dem Fahrer, ob seine Fahrweise gerade mit seinem Umweltgewissen vereinbar ist. Wer es ganz gut meint, drückt den grünen ECON-Knopf und polt die Systeme (inklusive Klimaanlage) auf Nachhaltigkeit.
Wertiger Eindruck, aber ...
Auf den ersten Blick macht der Innenraum einen sehr hochwertigen Eindruck. Nicht zuletzt durch die Armaturenkonsole, die (wenn auch mit einer leichten Stufe) in die Seitentüren übergeht und die Insassen dadurch gleichsam umfängt. Auf den zweiten entdeckt man zu viele verschiedene schwarz/graue Kunststoffflächen, die zudem teils nicht ideal zusammenpassen. Besonders störend: Manche sind so kratzempfindlich, dass sie als per Fingernagel beschreibbares Memoboard taugen. Und oberhalb des Schalthebels befindet sich ein Schmutz und Münzen sammelnder Spalt, den ich mir eher als Ablagefach wünschen würde. Insgesamt passt die Ablagensache aber: ein großes Fach in der Mittelarmlehne (samt 12-V-Buchse, USB-/iPod-, Video- und AUX-Anschluss), ein kleines davor, das sich per Klipp zum doppelten Becherhalter umfunktionieren lässt, und dazu richtig große Türfächer.
Genug geschaut, ein Civic ist zum Fahren da. Zum Testen stand die Dieselversion bereit, die jetzt 150 PS aus 2,2 Liter Hubraum holt (ein 120-PS-Diesel folgt im Herbst). Alle Achtung, der Motor geht besser, als es das Datenblatt vermuten lässt: 350 Nm sollen ab 2.000/min. zur Verfügung stehen, aber die Maschine zieht schon ab 1.500/min. nahtlos rauf, unterstützt sportliche Ambitionen und nervt auch nicht, was die Geräuschkulisse betrifft. 8,3 Sekunden sind für den Standardsprint zu veranschlagen, der Normverbrauch liegt bei günstigen 4,2 l/100 km).
Stark gereiftes Fahrwerk
Am Fahrwerk ist vor allem die Verbundlenkerhinterachse hervorzuheben, die verstärkt wurde und jetzt hydraulisch statt per Gummibuchsen gelagert ist. Das dankt man den Entwicklern vor allem auf unebener Straße, weil man jetzt viel harmonischer über und durch Schlaglöcher fährt. Trotz dieses Komfortgewinns liegt das Fahrzeug straff, aber erwachsen auf der Straße. Und wenn es noch so holprig ist: Da klappert nix. Elektrische Lenkung und Sechsgangschaltgetriebe sind gleichermaßen präzise zu bedienen, Kurven sind eine Freude im Civic. Dazu trägt auch das griffige, dicke Lenkrad bei. Einziger Wermutstropfen ist die Sitzposition, die für mich und meine 1,88 Meter zu hoch ist (die Oberkante des Drehzahlmessers wird vom Lenkrad verborgen). Per Sitzhöhenverstellung geht es nur noch höher.
Auch in Sachen Sicherheit will der neue Honda Civic premiummäßig punkten. Gegen Aufpreis ist ein Abstandstempomat erhältlich, ebenso das präventive Fahrassistenzsystem CMBS (Collision Mitigation Brake System), das Auffahrunfälle verhindern soll.
Drei Motoren und eine sportliche Zukunft
Zum Marktstart im März stehen drei Motoren stehen zur Wahl; der genannte 2,2-Liter Diesel mit 150 PS (ab 21.990 Euro), dazu zwei 1,4 und 1,8 Liter große Benziner mit 100 bzw. 142 PS (17.990 bzw. 19.990 Euro). Im Herbst kommt der für das Dieselland Österreich so wichtige kleinere Diesel mit 1,8 Liter Hubraum und rund 120 PS. Und Freunde der zügigen Fahrt können sich schon mal auf den "Type R" freuen. Bis der kommt, wird es allerdings 2012 werden. Zunächst will sich Honda neue Renn-Sporen verdienen: Der Civic wird mit einem 1,6-Liter-Turbo in der WTCC starten.
Nach dem Krisenjahr 2011 mit Erdbeben und Tsunami, in dem nur die Produktsparte, in der sich benzingetriebene Wasserpumpen befinden, Zuwächse verzeichneten (insgesamt minus 13% weltweit), dürfte und sollte es jetzt wieder aufwärts gehen für Honda. Der Civic soll die Speerspitze sein. Ehrgeiziges Ziel: Auf lange Sicht sollen 70 Prozent der Civic-Käufer anderen Marken abspenstig gemacht worden sein.
Warum?
Warum nicht?
Oder vielleicht …
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