Reichensteuer & Co.

IV-Boss im “Krone”-Interview: “Zahlen schon genug”

Österreich
07.02.2012 17:00
Im Nervenkrieg um das Sparpaket mahnt Industriellen-Chef Veit Sorger im "Krone"-Interview mit Conny Bischofberger Mut und Solidarität an. Auch von den Reichen, die er "Leistungsträger dieses Landes" nennt.

Das stolze "Haus der Industrie" am Wiener Schwarzenbergplatz. Ein mit goldenen Griffen ausgestatteter Paternoster – eine Art Wahrzeichen des 100-jährigen Hauses – führt zum Büro des Präsidenten im ersten Stock. "Diesen Paternoster mögen, hegen und pflegen wir", betont Veit Sorger (69), der selbst auch nicht die Treppen nimmt. Beim Interview sitzt der Industrie-Kapitän vor einem Bild von Erwin Bohatsch in Schnee- und Eisfarben. 

"Krone": Sie lesen in der Früh immer viele internationale Zeitungen. Welche Nachricht hat Sie heute am meisten berührt?
Veit Sorger: Das Suchen und Ringen Griechenlands nach Lösungen in der Finanzkrise. Wenn sogar Jean-Claude Juncker, der Chef der Eurogruppe, ernsthaft zu zweifeln beginnt, dann läuten bei mir die Alarmglocken: Um Gottes willen, lass uns nicht dorthin kommen! Wir brauchen Wachstum, wir brauchen Beschäftigung, wir brauchen kluge Konzepte. Und manchmal, wie im Fall von Portugal, helfen nicht einmal die.

"Krone": Vizekanzler Spindelegger hat aufhorchen lassen, als er sagte, es werde beim Sparpaket "Hämmer" geben. Sind Sie auch erschrocken?
Sorger: Nein, ich verstehe das, die Politiker verhandeln jetzt Tag und Nacht, da kommen halt etwas stärker ausgeprägte Worte. Aber ich zeige Ihnen jetzt einmal den Hammer. – Präsentiert eine bunte Grafik des Staatshaushalts. 

"Krone": Das sieht nicht gut aus, stimmt's?
Sorger: Stimmt. Wir haben rund 230 Milliarden Schulden. 148 Milliarden nehmen wir ein, 158 Milliarden geben wir aus. Umgelegt auf die 3,7 Millionen österreichischen Haushalte bedeutet das...

"Krone": Die Bank würde sofort das Konto sperren.
Sorger: Genau. Jeder private Haushalt, der mehr ausgibt, als er einnimmt, kann definitiv keine neuen Schulden mehr machen. Der Hammer ist: Wir hätten uns das alles leicht ersparen können, wenn wir – wie die Skandinavier oder auch die Niederländer – früher die nötigen Maßnahmen gesetzt hätten. Wir kommen plötzlich drauf: Unser gesamter Wohlstand wurde nur über Schulden finanziert. Das Sparpaket ist ein Anfang. Aber wir haben immer gesagt: Es sollte größer und intensiver sein.

"Krone": Sind Sie unzufrieden mit der Regierung?
Sorger: Ich denke, die Politik ist sich schon im Klaren, dass hier wirklich Entscheidendes geschehen muss.

"Krone": Wie gerecht kann denn Sparen sein?
Sorger: Für mich heißt Gerechtigkeit, dass unsere Wirtschaft und unsere Industrie so stark sind, dass wir unser Lohnniveau – eines der höchsten in Europa – halten und damit unseren Wohlstand sichern können. Ich halte es nicht für gerecht, wenn man Menschen dazu einlädt, sich vorzeitig von der Arbeit zu verabschieden. Man muss einfach auch die demographische Entwicklung sehen: Wir sind insgesamt älter geworden, der Wohlstand ist gestiegen, die Sozialnetze und die Pflege sind teurer geworden, das heißt, die vielen Töpfe, die bisher gereicht haben, reichen eben nicht mehr.

"Krone": Ist das Ende der Klientelpolitik von SPÖ und ÖVP gekommen?
Sorger: Ich glaube schon. Und ich glaube vor allem, dass mit etwas Mut und Bemühen der gesamte Haushalt über die Ausgaben konsolidiert werden kann.

"Krone": Als Vertreter der Reichen...
Sorger: Ob ich der Repräsentant der Reichen bin, weiß ich nicht. Ich bin auf jeden Fall ein Repräsentant der Leistungsträger dieses Landes.

"Krone": Und als solcher hören Sie Reichensteuer und Erbschaftssteuer nicht gern.
Sorger: Nein, ich höre das nicht gern. Je höher der Steuersatz, desto intensiver die Beratung der Steuerberater und desto höher oft die Weigerung, Steuer zu zahlen. Das geht völlig am Ziel vorbei. 

"Krone": Aber was ist der Beitrag der Besserverdienenden zum Sparpaket?
Sorger: Jeder, der in Österreich Geld verdient, zahlt schon hohe Steuern, deutlich mehr als beispielsweise in den USA, der Schweiz oder auch in unseren östlichen Nachbarländern, wo der Steuersatz zum Teil nur bei 17 Prozent liegt. Wenn aber am Ende des Paktes sichtbar ist, dass in der Verwaltung, bei der Gesundheit, bei den Pensionen – in allen Bereichen, die der Rechnungshof bereits dargelegt hat – ausgabenseitig gespart wird, dann können wir uns auch nicht verschließen, wenn über einen Beitrag von unserer Seite diskutiert wird.

"Krone": Sind Sie auch dafür, dass zum Beispiel die Privilegien bei der Nationalbank abgeschafft werden?
Sorger: Diese Sonderstellungen sind einfach nicht mehr zeitgemäß, das sollte man sich wirklich sehr genau anschauen.

"Krone": Was ist Ihre Mahnung Richtung Ballhausplatz?
Sorger: Gestalten wir, solange wir es noch können, solange wir es auch finanzieren können. Und verfallen wir danach nicht in Traurigkeit, denn wir sind ein großartiges und wettbewerbsfähiges Land.

"Krone": Wenn Sie die Macht hätten, jetzt sofort etwas zu ändern: Was wäre das?
Sorger: Ich würde sofort das Vorwahlpaket 2008 – Verlängerung der Hacklerregelung, Abschaffung der Studienbeiträge – rückgängig machen. Die damaligen "Zuckerl" kosten fast genau unseren heutigen Konsolidierungsbedarf. 

"Krone": Herr Präsident, Sie tanzen nächste Woche wieder am Opernball. Wie viele Orden hängen da an Ihrem Frack?
Sorger: Nur einer.

"Krone": War es richtig von Bundespräsident Fischer, Heinz-Christian Strache das Goldene Ehrenzeichen der Republik zu verweigern?
Sorger: Er wird sich das sicher wohl überlegt haben. Straches Ausdrücke waren entbehrlich, und er hätte sagen können: "Wenn ich mich falsch ausgedrückt habe, dann tut es mir leid."

"Krone": Ihre Amtsperiode als Präsident der Industriellenvereinigung endet bald. Machen Sie sich darüber Gedanken?
Sorger: Ja. Ich höre im Juni auf. Aber ich werde dann sicher nicht Tauben füttern.

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