Scholz am Telefon
Wirbel um antideutschen Wahlkampfspot in Polen
Immer wieder gibt die polnische Regierungspartei PiS antideutsche Töne von sich. Diese dürfen offenbar auch im laufenden Parlamentswahlkampf nicht fehlen. Aktuell befindet sich Bundeskanzler Olaf Scholz im Visier.
Am Montag ist ein Videoclip auf der PiS auf X (vormals Twitter) veröffentlicht worden. Zunächst sieht man eine Satellitenaufnahme von der Erde, langsam zoomt die Kamera an die polnische Hauptstadt Warschau heran - bis zur deutschen Botschaft. Ein fiktiver Botschafter greift zum Telefon und ruft den PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski an. In holprigem Polnisch mit starkem deutschen Akzent erklärt der vorgebliche Diplomat, er wolle ein Gespräch mit dem Kanzler an Kaczynski durchstellen.
Scholz wolle klären, dass das Pensionsantrittsalter in Polen wieder erhöht werde - so wie zu Zeiten von Kaczynskis politischem Widersacher, dem früheren Regierungschef Donald Tusk. Kaczynski sagt: „Tusk ist weg und diese Angewohnheiten sind vorbei.“ Dann legt er auf (siehe Tweet unten).
Der Angriff richtet sich sowohl gegen eine mutmaßliche deutsche Einmischung in die polnische Politik als auch gegen Tusk selbst. Diesem wird immer wieder vorgeworfen, im Auftrag Berlins zu handeln. Hintergrund des skurrilen Videos: Parallel zur Parlamentswahl am 15. Oktober will die PiS-Regierung die Wählerinnen und Wähler in einem Referendum unter anderem über das Pensionseintrittsalter abstimmen lassen. Dieses war unter der liberalkonservativen Regierung Tusks heraufgesetzt worden, die seit 2015 regierende PiS hatte dies aber rückgängig gemacht.
Tusk will Regierungschef werden
Tusk ist Vorsitzender der größten polnischen Oppositionspartei, der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO). Nach seiner Regierungszeit in Polen war er bis 2019 EU-Ratspräsident. Inzwischen ist er wieder zurück in der polnischen Innenpolitik. Mit einem Sieg bei der Parlamentswahl will Tusk die PiS-Regierung von der Macht verdrängen und zahlreiche Mitglieder anschließend vor Gericht bringen.
Die PO fordert, dass Politiker der Regierungspartei für eine Reihe von Skandalen zur Rechenschaft gezogen werden sollten, bei denen es um angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Beschaffung medizinischer Ausrüstung während der Covid-19-Pandemie sowie um einen kostspieligen gescheiterten Versuch ging, während der Abriegelung ausschließlich Briefwahlen abzuhalten. „Verstöße gegen die Verfassung und die Rechtsstaatlichkeit werden schnell aufgedeckt und geahndet“, heißt es in einer von der PO am Samstag online veröffentlichten Liste von 100 Maßnahmen für die ersten 100 Tage im Amt. Tusk wirft der PiS auch vor, demokratische Standards zu untergraben, indem sie die politische Kontrolle über die Gerichte ausweitet und das Staatsfernsehen in ein Propagandamagazin verwandelt.
Zum jüngsten Wirbel wollte das deutsche Außenministerium keinen Kommentar abgeben. „Deutschland und Polen, als Partner in der Mitte Europas, haben eine gemeinsame Verantwortung für gutnachbarschaftliche Beziehungen und eine erfolgreiche grenzüberschreitende und europäische Zusammenarbeit“, erklärte ein Sprecher knapp.
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