Wahlen in Russland
Westlicher Beobachter: „War absurdestes Erlebnis!“
Angesichts massiver Repressionen gegen Oppositionelle in Russland bezeichnen unabhängige Experten die Abstimmungen vom vergangenen Wochenende als die unfreiesten Wahlen seit Beginn der Herrschaft von Präsident Wladimir Putin vor rund 24 Jahren. krone.at hat mit einem ehemaligen unabhängigen Wahlbeobachter in Russland gesprochen, der aufgrund von Sicherheitsbedenken anonym bleiben möchte. Ihm zufolge versucht der Kreml, der Welt mit sogenannten „Wahlen“ Normalität vorzugaukeln und damit die in Wirklichkeit herrschende Diktatur zu verschleiern.
Die Bewegung zum Schutz der Wählerrechte Golos (deutsch: Stimme) berichtete am Samstag auf Telegram von Druck, der auf Wähler ausgeübt werde, und davon, dass Golos-Beobachter teils keinen Zugang zu Wählerverzeichnissen erhielten. Unabhängige Wahlbeobachter gibt es in Russland mittlerweile keine mehr. krone.at hat mit einem Experten gesprochen, der die letzte große Wahl in Russland - die Präsidentschaftswahl 2018 - hautnah mitverfolgen konnte. Heute ist so etwas unvorstellbar. Aber auch damals, wird uns erzählt, sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen.
Putin-Apparatschik zeigte „vorbildliche Wahlen“
Es war ein typischer kalter russischer Wintertag mit Schnee und Eis, so weit das Auge reicht. Unser Gesprächspartner war als unabhängiger Wahlbeobachter zur Präsidentschaftswahl 2018 nach Moskau gereist. Sie fand am 18. März 2018 statt - am vierten Jahrestag der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim durch Russland. In Begleitung eines sogenannten „Putin-Apparatschiks“, eines dem russischen Präsidenten Wladimir Putin besonders hörigen und loyalen Staatsdieners, ging es von Wahllokal zu Wahllokal. Für den Experten war es ein Versuch, jemandem aus dem Westen zu zeigen, wie vorbildlich und demokratisch Russland sei.
Manipulation war offensichtlich
Dabei sei damals schon alles offensichtlich manipuliert gewesen, gesteht er gegenüber krone.at. Der Apparatschik habe versucht, abzulenken. Für ihn sei der russische Präsident Putin wie ein Gott gewesen, schildert der Insider. Etwa habe er ihm im Wahllokal mit Begeisterung erzählt, dass er sogar das Rauchen und Trinken aufgegeben habe, weil Putin das nicht gut fände.
Lobeshymnen auf Putin
Mit dieser Indoktrinierung ging es durch den Tag. Immer wieder sei ihm versichert worden, dass Putin der „beste Kandidat auf der ganzen Welt“ sei, so der Experte. Das Volk gehe „unglaublich gerne“ wählen, schwadronierte der Apparatschik. Es sei früher schon „so eine Farce“ und mit Abstand sein „absurdestes Erlebnis“ gewesen, so der Insider. Denn während der Lobeshymnen des Beamten sei es nicht möglich gewesen, nach links oder rechts zu schauen. Kritische Stimmen seien keine zugelassen gewesen.
Expertin war „undercover“ mit dabei
Eine weitere westliche Expertin, die anonym bleiben möchte, schilderte gegenüber krone.at, dass sie zweimal „undercover“ bei russischen Wahlen dabei gewesen sei. Sie habe sich als Russin ausgegeben und sei aufgrund ihrer Sprachkenntnisse nicht aufgefallen. Auf den ersten Blick habe alles „wie bei uns gewirkt“, berichtet sie. Es habe eine Wahlkabine gegeben, eine Kommission und eine Urne. Unschlagbar sei der Schmäh gewesen. Beim Einwerfen des Stimmzettels meinten ihr zufolge ein paar anwesende Russen mit Augenzwinkern: „Es ist eh egal, die werden eh nie ausgezählt.“
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.