Flucht in London

Debatte über miserable Haftbedingungen

Ausland
12.09.2023 09:58

Vergangene Woche schlich sich ein 21-jähriger Häftling aus der Küche, band sich mit Streifen aus seiner Bettwäsche unter einem Lieferwagen fest und entkam so aus einem der bekanntesten Gefängnisse Großbritanniens (siehe Video oben). Inzwischen ist er zwar bereits wieder hinter Gittern, aber die Debatte über die Haftbedingungen hält an.

Überfüllung, Rattenplagen, Bandengewalt, Personalmangel - Die Gefängnisse Großbritanniens gelten als völlig marode. Ein Teil der Gebäude stammt noch aus dem 19. Jahrhundert und wurde nie recht modernisiert. So beschrieb beispielsweise der deutsche Ex-Tennisstar Boris Becker (55) schwierige hygienische Bedingungen und Konflikte unter den Gefangenen. „Es war sehr brutal, eine sehr, sehr andere Erfahrung als das, was man im Fernsehen sieht und in Geschichten hört“, sagte er im April der BBC.

Er habe sehr schnell gelernt, dass er Schutz brauche, und sich mit „harten Jungs“ umgeben müsse. Man kämpfe jeden Tag ums Überleben. In Wandsworth habe ihn ein Häftling erpressen wollen, Mitgefangene hätten ihn beschützt. Erst am Sonntag wurde ein Häftling von einem anderen niedergestochen und schwer verletzt.

Häftlinge verlegt
Genau aus diesem Gefängnis in Wandsworth entkam vergangene Woche auch ein 21-Jähriger. Seine filmreife Flucht schickte Schockwellen durch das Land. Tagelang suchten Beamtinnen und Beamte nach dem Ex-Soldaten, der unter anderem Bombenattrappen auf einer Militärbasis platziert haben soll. Schließlich nahm ihn ein Zivilpolizist fest. Nun droht ihm ein Prozess wegen Ausbruchs - ein Straftatbestand, den es in einigen anderen Ländern gar nicht gibt. Nach der Flucht wurden vorsichtshalber 40 Häftlinge in andere Gefängnisse verlegt.

Doch Fragen bleiben. Der Terrorverdächtige war nicht in einem Hochsicherheitsgefängnis untergebracht worden, sondern in einem, das als Durchgangsstation gilt. Erst Ende Juli hatte Wandsworth die niedrigste mögliche Bewertung von Behörden erhalten. Bei Inspektionen wurde wiederholt festgestellt, dass bis zu 80 Prozent mehr Häftlinge untergebracht waren als vorgesehen. Die meisten Gefangenen teilen sich eine Einzelzelle, die zuständige Aufsicht fehlt. Die lokale Parlamentsabgeordnete Rosena Allin-Khan kritisierte, in einer Nacht seien lediglich sieben Justizbeamte für 1500 Gefangene zuständig gewesen. Ein anderes Mal habe es sechs Tage lang kein fließendes Wasser gegeben.

Menschenrechtsorganisationen und staatliche Aufsichtsbehörden prangern die Zustände schon seit langem an.

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