Es hätte das größte Ansiedelungsprojekt in der Geschichte Niederösterreichs werden sollen. Hätte werden sollen. Denn das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim wird sich nun doch nicht im niederösterreichischen Bezirk Bruck an der Leitha ansiedeln.
Anfang des Vorjahres wurde die Katze aus dem Sack gelassen: Das weltweit forschende Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim wollte seine Präsenz in Österreich weiter ausbauen und nach der Eröffnung einer großen biopharmazeutischen Produktionsanlage am Standort Wien eine weitere Anlage im niederösterreichischen Bruck an der Leitha errichten.
Mehr als 800 neue Mitarbeiter sollten dem „neuen Hightech-Standort“ Leben einhauchen, 1,2 Milliarden Euro in das Projekt fließen. Daraus wird nun aber doch nichts. „Boehringer Ingelheim hat sich entschieden, das Projekt zur Errichtung einer neuen biopharmazeutischen Produktionsanlage in Bruck an der Leitha nicht weiterzuverfolgen“, heißt es aus dem Konzern. Die wachsende und vielversprechende Produktpipeline erfordere eine klare Fokussierung und Priorisierung. Eine Beschleunigung der Entwicklung von neuen Arzneimitteln in Therapiegebieten mit derzeit ungedecktem medizinischem Bedarf stehe dabei demnach im Mittelpunkt.
Bekenntnis zum Standort Österreich
Bis 2030 strebe man die Markteinführung von rund 25 neuen Wirkstoffen an. Deren Produktion wird auch die Einführung neuer Herstelltechnologien erforderlich machen. Demgegenüber sei der erwartete künftige Bedarf für Produktionskapazitäten in der Biopharmazie - nicht zuletzt durch die kürzlich in Betrieb genommene Zellkulturanlage in Wien - mit den bestehenden Produktionsanlagen abgedeckt, wird argumnetiert. Gleichzeitig bekräftigt Boehringer Ingelheim sein Bekenntnis zum Standort Österreich. In den vergangenen zehn Jahren hat Boehringer Ingelheim mehr als eine Milliarde Euro in den Standortausbau investiert, für 2024 ist die Eröffnung eines neuen Krebsforschungsgebäudes am bestehenden Standort geplant.
„Ein herber Schlag“
„Wir wurden soeben von der Konzern-Führung informiert, dass Boehringer Ingelheim seine Konzernstrategie geändert hat und das Investment in Bruck an der Leitha nicht weiterverfolgen wird. Wir müssen diese Konzernentscheidung mit großem Bedauern zur Kenntnis nehmen“, betont Jochen Danninger, Aufsichtsratsvorsitzender der Ecoplus, der im Vorjahr in seiner damaligen Funktion als Wirtschaftslandesrat dieses Ansiedlungsprojekt noch intensiv begleitet hat. Die Entscheidung sei ein herber Schlag für den Wirtschaftsstandort Österreich. Gemeinsam mit der Bundesregierung habe man sich massiv für diese Produktionsanlage in Bruck eingesetzt und sich in einem aufwendigen Standortwettbewerb gegen die USA, Deutschland und Spanien durchgesetzt.
„Schmerzhafter Warnschuss“
„Wir werden uns aber weiter mit vollem Einsatz dieser prosperierenden Wirtschaftsregion rund um Bruck an der Leitha widmen. Am Biotech-Campus Hainburg halten wir daher selbstverständlich fest. Die in der Region ansässigen Biotech-Firmen wie Takeda und Pfizer haben großen Bedarf an Fachkräfte im Bereich der Biotechnologie. Daher investieren wir weiterhin in den Campus und setzen den geplanten FH-Lehrgang und das neue Gymnasium um. Mit diesem Schritt stärken wir diese Region als Wirtschaftsregion auch in herausfordernden Zeiten“, unterstreicht Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Laut Danninger ist diese Konzernentscheidung als „äußerst schmerzhafter Warnschuss“ für den Wirtschaftsstandort Österreich zu begreifen.
Naturgemäß enttäuscht zeigt sich auch der Brucker Bürgermeister Gerhard Weil und meint: „Ich bin maßlos enttäuscht über die Entscheidung des Konzerns. Wir haben viele Vorarbeiten bereits geleistet. Ich muss die Entscheidung aber zur Kenntnis nehmen. Und ich bin auch überzeugt: Der Wirtschaftsstandort Bruck an der Leitha bietet vor allem auch im Wirtschaftspark der Ecoplus weiterhin perfekte Voraussetzungen für Betriebsansiedlungen.“
Hergovich (SPÖ): „Neubewertung notwendig“
„Der Rückzug von Boehringer-Ingelheim aus Bruck an der Leitha ist eine Katastrophe für den Wirtschaftsstandort Niederösterreich. Die Absage der größten Betriebsansiedelung Niederösterreichs macht eine komplette Neubewertung der Wirtschaftspolitik notwendig: Die Investitionen von mehr als einer Milliarde Euro, die 800 Arbeitsplätze, aber auch die Steigerung des Lohnniveaus in der Region hätten sich massiv positiv auf die Region ausgewirkt. Nun braucht es Maßnahmen des Landes, um Schaden vom Wirtschaftsstandort Niederösterreich abzuwenden“, sagt Sven Hergovich, selbsternannter Kontrolllandesrat und Vorsitzender der SPÖ Niederösterreich. Eine schleichende Deindustrialisierung müsse laut Hergovich „mit aller Kraft“ verhindert werden.
Der neue ÖVP-Parteimanager Matthias Zauner kontert: „Die Region muss aufgrund einer alleinigen Konzernentscheidung von Boehringer Ingelheim, die in Deutschland getroffen wurde, eine herbe Enttäuschung hinnehmen. Dass die SPÖ, die seit Wochen und Monaten eine wirtschaftsfeindliche Forderung nach der anderen aufstellt, die Nachricht dazu nutzt, um mit dem Finger auf andere zu zeigen, ist doppelzüngig und ganz einfach nur schäbig“.
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