Die Regierung will noch im Herbst das Informationsfreiheitsgesetz verabschieden, mit dem das Amtsgeheimnis abgeschafft werden und Gemeinden verpflichtet werden sollen, relevante Informationen von sich aus zu veröffentlichen. Nun ist ein Arbeitsentwurf durchgesickert, der vorsieht, dass Gemeinden unter 10.000 Einwohnern von dieser aktiven Informationspflicht ausgenommen sein sollen. Das sind in Österreich 2006 Gemeinden mit mehr als 4,7 Millionen Einwohnern - für rund die Hälfte der Bevölkerung würde die völlige Informationsfreiheit damit auf kommunaler Ebene nicht gelten.
Um das lang angekündigte Informationsfreiheitsgesetz wird auch schon lange gerungen. Gemeinden sollen damit verpflichtet werden, ihren Bürgern und Bürgerinnen Informationen automatisch zur Verfügung zu stellen. Dagegen gab es vielfach Widerstände aus Ländern und Gemeinden, die Überforderung und einen Kollaps der Verwaltung befürchten.
Weitreichende Ausnahmen
Die ÖVP, die zahlreiche Bürgermeister in ganz Österreich stellt, hat diese Bedenken immer wieder zur Sprache gebracht, herausgekommen ist offenbar ein Kompromiss mit weitreichenden Ausnahmen, wie das Ö1-„Morgenjournal“ berichtet. „Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern sind nicht zur Veröffentlichung verpflichtet“, heißt es demnach in einem Arbeitsentwurf, Stand Mitte Juni 2023. Diese Gemeinden „können“ Informationen „nach Maßgabe dieser Bestimmung veröffentlichen“, zitiert Ö1 aus dem Entwurf.
Maurer: „Amtsgeheimnis wird abgeschafft“
Damit müssten nur 87 Gemeinden in ganz Österreich alle für die Öffentlichkeit relevanten Informationen von sich aus freigeben. „Offensichtlich versuchen Länder und Gemeinden in einem letzten Aufbäumen die Abschaffung des Amtsgeheimnisses zu verhindern“, kommentierte Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer den zitierten Entwurf. Das heiße aber nicht, dass das Amtsgeheimnis bleibt: Dieses werde „ausnahmslos für alle Gemeinden abgeschafft“, betonte sie gegenüber der „Krone“. Jeder Bürger könne künftig Informationen von der Gemeinde anfordern, so Maurer. Die Ausnahmen würden nur die aktive Informationspflicht betreffen, da kleine Gemeinden mit nur wenigen Bediensteten das personell nicht schaffen würden.
Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit hält nichts von derartigen Ausnahmen: „Ein signifikanter Teil der Bevölkerung könnte auf lokaler Ebene die Entscheidungsträger damit schlechter kontrollieren“ und hätte weniger Zugang zu Information als Einwohner größerer Städte. Österreich wäre damit weiter Schlusslicht bei der Transparenz, so Huter.
Das ist ein Zeichen, dass man die Amtsverschwiegenheit nicht abschaffen will.
Verfassungsjurist Heinz Mayer
Verfassungsjurist Heinz Mayer sieht in dem Entwurf eine Augenauswischerei: „Das ist ein Zeichen, dass man die Amtsverschwiegenheit nicht abschaffen will. Das ist eine heilige Kuh und die will man pflegen, weil man sich offenbar damit gut eingerichtet hat.“ Mayer ortet ein „Rückzugsgefecht“, denn die meisten Gemeinden Österreichs sind sehr klein. Wenn nur Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern ausgenommen wären, würde die Veröffentlichungspflicht noch immer für 1819 nicht gelten.
„Eine Mogelpackung nach der anderen“
Mayer, der auch Initiator des Antikorruptionsvolksbegehrens ist, findet, besser gar kein Informationsfreiheitsgesetz als eines mit so vielen Ausnahmen. „Es ist besser, man lässt das Thema liegen und gesteht sich ein, es geht nicht“, richtet der Verfassungsjurist der türkis-grünen Regierung aus. „Das wäre ehrlich. Aber das, was jetzt probiert wird, ist eine Mogelpackung nach der anderen.“
Die Büros von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), die bei der Erarbeitung des Informationsfreiheitsgesetzes federführend sind, wollten den Arbeitsentwurf nicht kommentieren. Gegenüber der „Krone“ wurde lediglich betont, dass die Abschaffung des Amtsgeheimnisses ein „wahrer Paradigmenwechsel“ sei. Bei den Gesprächen mit Stakeholdern sei es den Koalitionspartnern ein großes Anliegen gewesen, Bedenken anzuhören und ernst zu nehmen. Man befinde sich bei der Erarbeitung eines neuen Entwurfs „in den letzten Zügen“. In den nächsten Wochen soll dieser an das Parlament übermittelt werden.
NEOS: „Dunkeldörfer drohen“
Alarmiert über den Arbeitsentwurf mit den Ausnahmen für kleinere Gemeinden zeigte sich unterdessen NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Dieser sehe „derart viele Ausnahmen vor, dass ganze Dunkeldörfer drohen“, warnte sie in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Die NEOS wollen nun in der kommenden Nationalratssitzung erneut ihr seit Jahren fertig ausformuliertes „echtes Informationsfreiheitsgesetz“ auf die Agenda setzen, „denn was wir brauchen ist maximale Transparenz und Offenlegung“.
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