Chaotische Zustände
Migranten-Ansturm: Lampedusa ruft Notstand aus
Angesichts der beispiellosen Migrationswelle versinkt die süditalienische Insel Lampedusa im Chaos. Allein seit Montag sind rund 9000 Migranten auf der Insel gelandet - fast um ein Drittel mehr als die Gesamtzahl der Einwohner, die bei 6300 liegt. Der Stadtrat der Mittelmeerinsel hat am Mittwochabend den Ausnahmezustand ausgerufen. Damit fordert Bürgermeister Filippo Mannino mehr Unterstützung für die kleine Insel, die unter „großem Druck“ stehe.
„Wir fordern eine strukturelle Lösung, denn wir können diese Migrationsströme allein nicht mehr bewältigen“, sagte Mannino. Er drängt auf die sofortige Verlegung der Migranten nach Sizilien und aufs italienische Festland. Er forderte auch den Einsatz von Marineschiffen, die Migrantenboote vor der Küste Lampedusas aufgreifen sollen, bevor sie die Insel erreichen können.
„Situation ist außer Kontrolle“
Mehr als 6000 Personen befinden sich derzeit in der vom Roten Kreuz verwalteten Flüchtlingseinrichtung der Insel, die eigentlich für maximal 400 Personen ausgelegt wäre. Bei der Verteilung von Lebensmitteln kam es am Mittwochabend zu chaotischen Zuständen. „Die Situation ist außer Kontrolle“, klagten Sicherheitsbeamte. Am Donnerstag sollen 3000 Migranten die Insel verlassen.
Am Hafen spitzte sich die Lage am Mittwochnachmittag zu. Hunderte Migranten versuchten, den Hafen zu verlassen und Absperrungen zu durchbrechen. Wie auf Videos zu sehen war, drängte die Polizei die Menschen zurück (siehe Tweet unten).
Scharfe Töne von Salvini
Der italienische Vizepremier und Verkehrsminister Matteo Salvini betrachtet den Migrantenansturm in Richtung Lampedusa als „Kriegsakt“ gegen Italien. „Wenn 120 Boote zur gleichen Zeit auf Lampedusa ankommen, ist dies kein einzelner Vorfall, sondern ein Kriegsakt. Das führt nicht nur Lampedusa, sondern die gesamte italienische Gesellschaft zum Zusammenbruch“, so Salvini, Vorsitzender der rechten Regierungspartei Lega.
„Ich bin davon überzeugt, dass hinter diesem Exodus eine Regie steckt. Wir werden innerhalb der italienischen Regierung darüber diskutieren, aber wir dürfen nicht Zeuge weiterer ähnlicher Szenen werden“, sagte Salvini. Die Regierung werde „keine Art der Intervention ausschließen“, um den Migrationsstrom zu stoppen. „Wenn man allein gelassen wird, kann man nicht anders handeln“, erklärte Salvini.
Italiens Opposition attackiert Meloni
„Lampedusa bricht zusammen und verzeichnet neue Rekorde bei den Anlandungen, die sich im Vergleich zu vor einem Jahr verdoppelt haben. Wegen Meloni ist Italien jetzt in Europa isoliert: Berlin und Paris schlagen uns in Sachen Einwanderung die Tür vor der Nase zu. Der Notstand lässt sich nicht mit Slogans oder Flop-Abkommen wie dem mit Tunesien regieren“, kritisierte Dolores Bevilacqua, Senatorin der oppositionellen Fünf-Sterne-Bewegung und Mitglied des Ausschusses für EU-Politik.
„Das Thema Migration ist zwar sehr kompliziert, aber die Bilder von Lampedusa, das Scheitern der europäischen Vereinbarungen und das völlige Fehlen eines nationalen Plans für eine umfassende Aufnahme sind klar vor Augen“, kommentierte Pierfrancesco Majorino, Leiter der Migrationspolitik der oppositionellen Demokratischen Partei. Ähnlich sieht die Lage der Ex-Europaminister Vincenzo Amendola. „Lampedusa bricht zusammen, aus Tunesien werden tausende Migrantenankünfte gemeldet. Diese Regierung ist gescheitert“, kommentierte Amendola.
Meloni bei Orban
Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni reist unterdessen am Donnerstag nach Budapest zu Gesprächen mit ihrem ungarischen Amtskollegen Viktor Orban. Die rechtspopulistische Politikerin nimmt am sogenannten Demografie-Gipfel in Budapest teil. In der Migrationsfrage sind Meloni und Orban Verbündete, Streit hat die italienische Regierungschefin dagegen mit Deutschland: Die Regierung in Berlin hat die Aufnahme von Migranten aus Italien bis auf Weiteres ausgesetzt, weil die italienische Regierung die Rücknahme von Flüchtlingen nach den Dublin-Regeln verweigert.
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