Interview Kay Voges

Volkstheater: Alte Quotenfeger als Theaterbringer?

Kultur
14.09.2023 16:22

Direktor Kay Voges beschwört die große Samstagabend-Show auf der Theaterbühne: Am Freitag hat seine Meinungsshow „Du musst dich entscheiden“ im Wiener Volkstheater Premiere. Das Publikum kann per Handy abstimmen!

Hans Rosenthal, Michael Schanze, Frank Elstner, „1,2 oder Drei, „Dalli Dalli“ und „Wetten dass..?“ Wer erinnert sich noch daran, als selbst für die Kleinen große TV-Unterhaltung angesagt war und am Samstagabend Unterhaltungsshows Quotenrekorde brachen? Volkstheater-Direktor Kay Voges möchte zum Saisonbeginn im nostalgischen TV-Blick zurück die brennenden Themen der Gegenwart auf die Bühne bringen.

Krone: Sind Sie ein Spieler?
Kay Voges: Natürlich muss man ins Spiel verliebt sein, wenn man ein Theaterspiel leitet. Ich meine jedoch nicht das Glücksspiel und Gesellschaftsspiele hasse ich. Fantasiespiele zu spielen, das ist mein Leben.

Und wie sieht es mit Fußball aus?
Ich liebe es, bei Fußballspielen zuzuschauen, bin ein leidenschaftlicher Fußballfan. Daher habe ich auch ein bisschen meine Probleme mit dem österreichischen Fußball. Das muss ich schon zugeben.

Kay Voges inszeniert (Bild: Marcel Urlaub)
Kay Voges inszeniert

Wie kamen sie auf die Idee mit der Gameshow auf der Volkstheaterbühne?
Johan Frederik Hartle, der Rektor der Akademie der bildenden Künste, und ich haben uns über die Erregungszustände der jetzigen Gesellschaft unterhalten. Jeder muss zu allem eine Meinung haben. In den letzten Jahren sind immer mehr Glaubens- und Meinungskriege ausgebrochen, ob das jetzt die Antikorona-Demonstrationen sind, was man gerade in Amerika mit Trump und den Amerikanern mitbekommt oder der Shitstorms über Karl May, jeder hat eine Meinung und meint sie laut in die Welt hinauszuschreien. Meinungen sind zu einer Währung geworden.

Meinung als Währung?
Früher hatte man einen Mercedes als Statussymbol, heute hat man eine Meinung. Diese Meinung schafft auch Spaltung und Abgrenzungen, Identitätsstiftung. Was wäre also, wenn man diesen Meinungsfetischismus auf die Schippe nimmt und ein Spiel daraus macht: Wer hat die richtige Meinung, welche Meinung ist konsensfähig? 1, 2 oder 3, du musst dich entscheiden, drei Felder sind frei!
Österreich hat einen besonderen Schwerpunkt auf Meinungsumfragen in den letzten Jahren gelegt. Daher führen wir die Meinungsumfragen im Theater weiter. Jede Zuschauerin, jeder Zuschauer kann seine über Smartphone kundtun, die Darsteller müssen dann herausfinden, was die Mehrheitsmeinung ist.

Welche Meinung zählt? (Bild: Marcel Urlaub)
Welche Meinung zählt?

Was sind die Themen, die Sie durchspielen?
Alles, was wir tagtäglich in den Kommentarspalten diskutieren: Was ist kulturelle Aneignung, wie gehen wir mit Rammstein-Sänger Till Lindemann um, wie möchte man zeitgenössisches Theater sehen und wie viel Prozent Erbschaftssteuer sollte man bezahlen. Aber im Grunde ist es ein Abend für Ambiguitätstoleranz (Mehrdeutigkeit, Anmerkung). Denn wir sind eine pluralistische Gesellschaft, die lernen muss, mit anderen Meinungen und Widersprüchen umzugehen und trotzdem konstruktiv zu bleiben. Ich befürchte aber, dass wir eher eine Spaltung vorantreiben. 

Wie läuft das Spiel ab?
So wie Politiker versuchen, Stimmen zu kriegen, so versuchen unsere Kandidaten auf der Bühne, ihre Bälle zu bekommen und Punkte zu sammeln, damit sie dann der mehrheitsfähige Star des Abends werden. Man bekommt Bälle für jede richtige Antwort, aber was ist richtig?
Es ist ein sehr unterhaltsamer, ein satirischer Abend und zugleich ein philosophischer Abend, der sich darüber Gedanken macht, wie ein Miteinander funktioniert.

Wer darf mitspielen, welche Rollen haben sie dafür kreiert?
Unsere Kandidaten kommen aus allen Bereichen. Wir haben einen Kandidaten aus Kärnten, eine junge Aktivistin der Letzten Generation, ein homosexuelles Paar aus Graz, einen Ostdeutschen und eine Musikerin aus der Hochkultur, aus der Staatsoper. Ein buntes Panoptikum. Ich hoffe, dass das Theater ein Ort der Multiperspektivität ist, und wir vielleicht spielerisch eine andere Perspektive auf die Welt bekommen.

Das Volkstheater hat ein sehr spezifisches Publikum. Sie spielen, wenn man so will, für ihre eigene Meinungsbubble. Wie viel Sinn macht das?
Es ist schon so, dass wir niemals die Mehrheit Österreichs an einem Abend zu Worte kommen lassen können. Ich glaube trotzdem, dass eine Frage wie „Was halten sie von der Letzten Generation?“ auch in einem Theater wie dem Volkstheater Diskussionen auslösen könnte.

1, 2 oder 3? Das Publikum entscheidet mit! (Bild: Marcel Urlaub)
1, 2 oder 3? Das Publikum entscheidet mit!

Das Kamerakind, das sie versprechen, kommt aus dem Publikum?
Es wird ein bisschen gemogelt, aber es gibt ein Kamerakind, so wie in „1, 2 oder 3?“. Das war als Kind tatsächlich meine Lieblingsshow. „Wetten, dass..?“ ist auch ein Kultding für alle, die in den 70er Jahren aufgewachsen sind. Es wird Zitate aus verschiedenen Shows geben. Ich kann auch eine Außenwette versprechen. Und natürlich, wie es zu jeder großen Show gehört, gibt es auch Showacts und ein Sofa.
Das ist zeitgemäßes Theater, das auch gleichzeitig den ironischen Blick zurück auf die großen Fernsehunterhaltungsabende wirft.

Apropos Satire. Wird die nicht längst von der Wirklichkeit überholt?
Diese Frage stellt sich sicher seit einigen Jahren: Wie machen wir zeitgenössisches Theater, wenn so viel Theater um uns herum gemacht wird. Vielleicht kommt man so teilweise zu einer neuen Ernsthaftigkeit. Wie viel Fake packen wir auf die Bühne, wenn wir sehen, dass Fake News eine der größten Gefährdungen für unsere Gesellschaft sind? Aber das Theater ist geschult, sich immer wieder neu zu hinterfragen und neue Erzählweisen zu finden.
Ein Weg zur Erkenntnis ist und bleibt das Lachen. Das ist seit Jahrtausenden so. Ich hoffe, dass wir das mit „Du musst dich entscheiden!“ schaffen. Im Lachen zur Erkenntnis - Das wäre doch schön!

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