G‘riss um Info-Pflicht

Die Gemeinden und ihre „Transparenzprobleme“

Politik
15.09.2023 18:30

Die langwierigen Verhandlungen zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses befinden sich laut türkis-grüner Regierung in der Zielgeraden. Im Herbst soll das lang angekündigte Informationsfreiheitsgesetz fertig sein - und einen „Paradigmenwechsel“ einläuten, wie betont wird. Es gibt aber noch Stolpersteine und Befürchtungen, dass konkrete Vorhaben verwässert werden.

Im Raum stehen Ausnahmen für Tausende kleine Gemeinden. Dort soll zwar, wie auch in Bund, Ländern und größeren Orten, das Amtsgeheimnis abgeschafft werden. Für Gemeinden unter 10.000 Einwohnern soll laut einem durchgesickerten Entwurf von Juni 2023 aber die aktive Veröffentlichungspflicht nicht gelten. Die Kommunen müssten also Informationen von allgemeinem Interesse nicht von sich aus preisgeben.

Endgültig sind die weitreichenden Ausnahmen noch nicht, „das letzte Wort“ ist laut den Grünen noch nicht gesprochen. Die kolportierte Regelung ist aber bereits ein Kompromiss, denn der Gemeindebund hätte am liebsten gar keine Veröffentlichungspflicht, wie Generalsekretär Walter Leiss zuletzt im ORF-Radio deutlich sagte.

„Viele Transparenzprobleme
„Viele Transparenzprobleme, insbesondere auf Gemeindeebene“, ortet Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit im Gespräch mit krone.at. Für Aufregung sorgten zuletzt die Grundstück-Deals von Alfred Riedl (ÖVP), Gemeindebund-Chef und Bürgermeister von Grafenwörth. Die Marktgemeinde mit 3291 Einwohnern wäre übrigens von der aktiven Veröffentlichungspflicht ausgenommen, wenn die Ausnahmen kommen wie geplant.

Huter sieht deshalb die Veröffentlichungspflicht als zentral für ein funktionierendes Informationsfreiheitsgesetz an. „Es braucht diese automatische Öffentlichkeit, weil man nicht immer weiß, wonach man fragen soll“, betont Huter. So könnten Gemeinderatssitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden und dabei Grundstücksankäufe beschlossen werden, von denen man nichts erfährt, „bis es zu spät ist“. 

„Alle Parteien könnten ein Interesse an Transparenz haben“, betont Transparenzaktivist Mathias Huter. (Bild: Barbara Loschan / SEPA.Media / picturedesk.com)
„Alle Parteien könnten ein Interesse an Transparenz haben“, betont Transparenzaktivist Mathias Huter.

Was müsste veröffentlicht werden?
Weitere Beispiele für Informationen von allgemeinem Interesse sind größere Auftragsvergaben, etwa, wenn eine neue Schule gebaut wird, oder Studien und Untersuchungen, die auf Gemeindekosten durchgeführt werden. Für kleinere Gemeindeämter sei die Anzahl von Dokumenten, die veröffentlicht - sprich, auf die Website der Gemeinde gestellt - werden müssen, somit „überschaubar“, meint der Transparenzaktivist, der seit Jahren für ein Informationsfreiheitsgesetz trommelt.

Angst vor zu viel Verwaltungsaufwand
Dennoch wehren sich Bürgermeister vehement gegen die Veröffentlichungspflicht und begründen das mit dem Verwaltungsaufwand, der mit zwei, drei Mitarbeitern nicht zu stemmen sei. Solche Einwände lässt Huter nicht gelten. „Wenn eine Gemeinde Kapazitäten hat, um eine Auftragsvergabe abzuwickeln, ist es dann wirklich die große Hürde, ein Dokument dazu online zu stellen?“

Die Sorgen der Bürgermeister entkräften könnte eine unabhängige Clearingstelle auf Bundesebene, argumentiert Huter. Diese könnte die Gemeinden anleiten, was und wie genau veröffentlicht werden soll. Einen solchen unabhängigen Informationsbeauftragter, der auch bei Streitfällen entscheiden kann, gibt es in vielen Ländern, etwa Deutschland, bereits. Das Forum Informationsfreiheit und die NEOS fordern eine solche Stelle. Die ÖVP lehne sie seit Jahren ohne Angabe von Gründen ab, so Huter.

Federführend verhandeln Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) das Gesetz. (Bild: APA/BKA/REGINA AIGNER)
Federführend verhandeln Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) das Gesetz.

Recht auf Information statt Auskunftspflicht
Bei den Gemeinden nachfragen und Auskunft erhalten, kann man übrigens schon länger. Genauer seit 1987, als die Auskunftspflicht eingeführt wurde. Dokumente mussten aber bisher nicht übermittelt werden. Das soll sich mit dem geplanten Gesetz ändern. Durch die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit soll es dafür sorgen, dass Bund, Länder und Gemeinden Anfragen von Bürgern beantworten und ihnen Informationen erteilen müssen. Zudem soll die Frist - bisher zwei Monate - verkürzt werden.

Mathias Huter bleibt aber skeptisch, denn in den vergangenen Jahren habe er „so viele Ankündigungen gehört“. Die letzte ist, dass der Entwurf für das neue Gesetz laut Grünen-Klub in den kommenden Wochen an das Parlament übermittelt werden soll. Dort braucht es dann eine Zweidrittelmehrheit. Ein großer Schritt wäre die Abschaffung des Amtsgeheimnisses ohne Zweifel, die NGO Transparency International spricht von einem „Schlüsselelement in der Entwicklung einer offenen Gesellschaft“. In ganz Europa ist Österreich die letzte Demokratie, die kein Informationsfreiheitsgesetz hat.

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