Der Gewerkschaftschef und SPÖ-Politiker über die anstehenden Lohnverhandlungen in einem heißen Herbst, über eine „versagende Regierung“ und über den neuen Parteichef Andreas Babler.
„Krone“: Am 20. September gibt es eine Menschenkette um das Parlament. Ein Protest gegen die Teuerung. Was soll das bringen?
Wolfgang Katzian: Die Kette wird um 18 Uhr geschlossen. Es soll ein Aufrütteln der Regierung sein, endlich entscheidende, echte Maßnahmen gegen die Teuerung zu treffen. Wenige Tage danach beginnen die Kollektivvertragsverhandlungen, die Gewerkschaften werden dabei die Kaufkraft der Arbeitnehmer wieder sichern.
Sie meinen, dort wo die Regierung versagt, muss die Gewerkschaft einspringen ...die Regierung hat doch Maßnahmen gesetzt?
Ja, es gab Einmalzahlungen und dergleichen für besonders Betroffene, das ist ja gut, aber viel zu wenig, um gegen die Teuerung, die so viele belastet, ernsthaft etwas ausrichten zu können. Wir brauchen inflationsdämpfende Maßnahmen. Es muss einen Mietenstopp geben und ein iberisches Modell der Strompreisgestaltung. Wir wollen bei Gütern des täglichen Bedarfs das Aussetzen der Mehrwertsteuer. Energie und Wohnen sind die großen Preistreiber, sie heizen die Inflation an, da muss etwas passieren. Wir brauchen einen echten Deckel für alle Mieten. Nur weil die Inflation hoffentlich sinkt, heißt das ja nicht, dass die Preise sinken. Die Teuerung steigt eben nur langsamer. Leider wird das oft nicht so transportiert und die Regierung stellt ein Sinken der Inflation so dar und es fließen wieder Milch und Honig, aber das Gegenteil ist der Fall.
Einmalzahlungen - das ist viel zu wenig gegen die Teuerung.
Katzian übt Kritik an den Regierungsmaßnahmen.
Die Regierung will das letzte Drittel der aus dem Aus der kalten Progression an die unteren und mittleren Einkommen verteilen. Experten sehen diesen Schritt durchaus positiv. Sie nicht?
Da ist wenig Licht und viel Schatten. Dass unsere Forderung nach einer Erhöhung des Kindermehrbetrags erfüllt wird, ist gut. Viel mehr Positives gibt es aber über die Verteilung der Mittelnicht zu sagen. Bei fast 50 Millionen unbezahlter Mehr- und Überstunden pro Jahr hat es wenig Sinn, über eine Ausweitung der steuerlichen Begünstigung zu reden. Außerdem muss das Ziel eine Arbeitszeitverkürzung sein und nicht eine - oftmals unbezahlte - Verlängerung.
Energie ist ein zentrales Thema. Und wird es bleiben. Der Winter kommt …
Die Frage ist, wie wird Wärme zu welchen Kosten produziert? Wie kommt man bei den Stromkosten runter? Es kann nicht nur um billigen Strompreis für die Industrie gehen, es geht um ein Gesamtpaket für die Gesamtbevölkerung. Wir werden unabhängig von den Kollektivvertragsverhandlungen an der Forderung nach einem Wärmepaket festhalten. Wir haben Konzepte vorgelegt. Auch zur Gegenfinanzierung. Die Übergewinnsteuer ist unabdingbar, da ist aber noch mehr drin. Wir brauchen einen raschen Ausbau der Stromnetze, da muss viel investiert werden und das würde auch einer schwächelnden Konjunktur helfen. Es gibt eines für ganz Österreich, das Übertragungsnetz, das muss Stabilität haben und den Transport gewährleisten.
Zudem droht eine Rezession …wie sollte man entgegenwirken?
Die Frage ist, warum gibt es sie und was kann man dagegen tun. Rezession tritt auf, wenn die Nachfrage im eigenen Land sinkt und der Export schwächelt. Auch die Nationalbank sagt, dass die Kaufkraft gesteigert werden muss. Lohnzurückhaltung ist der völlig falsche Weg. Und das werden wir auch nicht zulassen. Ein weiterer Grund ist natürlich die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank, die Investitionen bremst und damit dämpfend für die Wirtschaft wirkt.
Es dürfte punkto Lohnverhandlungen ein heißer Herbst werden. Wie weit werden Sie gehen?
Die Gewerkschaften haben sich sehr gut vorbereitet. Die Herbstlohnrunde startet mit einem Riesenbereich im Metallsektor und betrifft die Industrie. Sie wird wegweisend für weitere Verhandlungen sein. Unsere Basis ist immer die rollierende Inflation. Diese liegt derzeit bei 9,6 Prozent für die vergangenen zwölf Monate, das ist die Gesprächsbasis. Es wäre auch wirtschaftspolitisch falsch, unter der Inflation abzuschließen. Wir rechnen mit sehr intensiven Verhandlungen. Zunächst gilt es, die Inflation außer Frage zu stellen und dann muss man über die Produktivität und die Situation in der jeweiligen Branche reden. Es sollte im Idealfall mehr als die rollierende Inflation herauskommen.
Die Pensionisten haben 9,7 Prozent plus erhalten ...
Das ist gut und wichtig, aber da muss man noch nacharbeiten. Denn wer heuer nicht in Pension geht, sondern nächstes Jahr hat dauerhaft einen Realverlust von 300 Euro. Der Anpassungsfaktor ist jetzt niedriger, dadurch verlieren die Leute viel Geld. Für den Übergang braucht es eine verlässliche Sonderregelung und eine Schutzklausel für alle Pensionsarten. Da liegt jetzt ein Vorschlag vor, aber der reicht noch nicht.
Ihr Parteichef Andreas Babler fordert eine Arbeitszeitverkürzung auf 32 Stunden. Sie auch?
In diese Richtung soll es gehen. Von heute auf morgen geht das aber nicht, das hat auch niemand gefordert. Aufgrund der Entwicklungen wie Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz wird mittelfristig weniger Arbeit nötig sein. Aber wir haben auch jetzt schon Berufe, etwa in der Pflege, wo der Druck physisch und psychisch schon sehr groß ist, und allein deshalb muss die Arbeitszeit verkürzt werden. Das werden wir uns für alle Branchen anschauen. Berücksichtigen müssen wir auch, dass heute viele Menschen unterschiedliche Lebenskonzepte haben. Es gibt jene, die wollen weniger arbeiten oder können auch nicht so viel arbeiten, weil die Arbeitsbedingungen so hart sind. Ich denke da etwa an die Pflege. Das ist Schwerarbeit. Dann gibt es andere, die sagen, ich will eine Auszeit haben, wieder andere wollen eine Vier-Tage-Woche. Wir haben außerdem die Themen Jahresarbeitszeit und Lebensarbeitszeit. Es gibt jetzt schon große Industriebetriebe mit 180 Arbeitszeitmodellen - flexible Einteilung nach den Bedürfnissen. Viele Unternehmen nehmen da schon darauf Rücksicht. Bei der 4-Tage-Woche gibt es Studien, die höhere Produktivität zeigen.
Wir haben nicht vergessen, dass uns der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche aufs Aug gedrückt wurden. Umso wichtiger sind die Kollektivverträge. Wir haben viele Branchen, in denen es jetzt schon deutlich unter 40 Stunden sind. Es geht nach unten und wird weiter nach unten gehen. Was wir nicht zulassen ist, Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung gegeneinander auszuspielen. Es braucht gerade in Zeiten der enormen Teuerung beides.
Braucht es einen gesetzlich fixierten Mindestlohn?
Das ist Angelegenheit der Wirtschaftspartner. Es ist schwer genug, wenn zwei an einem Tisch sitzen, wenn dann noch die Regierung als Dritter dazukommt, wird es zu kompliziert. In Deutschland haben nur 45 Prozent aller Arbeitnehmer einen Kollektivvertrag, da war es schon wichtig, auf gesetzlicher Ebene etwas zu tun, wir haben in Österreich 98 Prozent Abdeckung mit Kollektivverträgen. Da braucht es keinen gesetzlichen Mindestlohn. Aber wir fordern den kollektivvertraglichen Mindestlohn von 2000 Euro. In vielen Branchen haben wir den schon umgesetzt, aber einige haben wir noch vor uns.
Ungerecht verteiltes Vermögen, braucht es Erbschafts- und Vermögenssteuern?
Fordern wir seit Jahren. 80 Prozent des Steuer- und Abgabenvolumens kommen von Massensteuern, von Arbeitnehmern und Pensionisten. Daher sollen die ganz großen Vermögen auch einen ordentlichen Beitrag leisten.
Mit der ÖVP wird sich das aber nicht umsetzen lassen ...
Schauen wir mal …
Es gab turbulente Zeiten in der SPÖ. Jetzt ist Babler auf Ö-Tour. Wie sehen Sie ihn?
Ich komme gut mit ihm aus, das war auch vorher schon so. Er macht tolle Arbeit als Bürgermeister in Traiskirchen. Er hat es gut gemacht und hat große Zustimmung. Die Rückmeldung von der Tour aus den Bundesländern ist sensationell. Es geht jetzt darum, den Einigungsprozess in der Partei weiterzuführen und das sollte auch am Parteitag im November sichtbar werden.
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