Bernhard Seonbuchner trat bei Serienmeister Red Bull Salzburg das schwere Erbe von Christoph Freund als Sportdirektor an. Wie er die ersten Wochen seiner Amtszeit beurteilt, an welchen Hebeln er drehen möchte und wie er die Chancen auf ein Weiterkommen in der Champions League betrachtet, verriet der 40-jährige Bayer im großen „Krone“-Interview.
„Krone“: Herr Seonbuchner, Sie sind seit wenigen Wochen im Amt. Wie haben sich diese gestaltet?
Bernhard Seonbuchner: Grundsätzlich bin ich Feuer und Flamme für diesen Job. Es war bisher eine abwechslungsreiche, spannende und sehr positive Zeit. Es war ein Übergang für mich, um in neuer Rolle anzudocken. Ich glaube, dass ich ganz gut dabei bin, Dinge kennenzulernen und Informationen einzuholen, um dann auch Entscheidungen treffen zu können.
Wie waren die ersten Gespräche?
War für Sie sofort klar, dass Sie diesen Job machen wollen? Stephan (Reiter, Anm.) hat mich darüber informiert, dass Christoph (Freund) den Klub verlassen wird und es ganz klar die Absicht ist, dass ich seine Position übernehmen soll. Meine Bereitschaft war immer da. Man führt ja im Laufe der Jahre öfter mal Gespräche und weiß, worum es geht.Daher musste ich da nicht lange darüber nachdenken. Für mich war klar, dass ich diese Aufgabe übernehmen möchte.
Sie hatten vorab deponiert, dass Sie Interesse an diesem Job haben?
Der Klub geht immer in Austausch mit seinen Mitarbeitern und bespricht mögliche Entwicklungsschritte. Ich hatte in diesem Klub immer viel Spaß in unterschiedlichen Rollen. Meine Herangehensweise war immer die, dass ich meinen Job bestmöglich mache – bei all dem Privileg, hier arbeiten zu dürfen. Was die Gespräche angeht, wohin man sich entwickeln möchte, sehe ich diese sehr wertschätzend den Mitarbeitern gegenüber, da gab es auch immer einen Austausch mit Christoph Freund und Stephan Reiter.
Haben Sie von jemandem Rat eingeholt?
In erster Linie ist meine Frau klarerweise ein wichtiger Ansprechpartner, dazu weitere Familienmitglieder, die mir sehr nahestehen. Grundsätzlich war ich aber sehr klar und habe keine Unterstützung benötigt. Ich kenne den Klub ja sehr gut und wusste, was auf mich zukommen würde.
Was war bisher die größte Herausforderung als Sportdirektor?
Ich durfte ein Stück weit noch in der Transferphase andocken. Da gab es einige Prozesse und Gespräche, die sehr spannend waren – neben den Spielen und dem Austausch mit der Mannschaft.
Haben Sie sich von Christoph Freund Tipps geholt?
Unser Austausch war ja immer sehr intensiv und offen. Daher gab es auch nicht diesen einen Moment, ab dem wir intensiver kommuniziert haben. Es war ein fließender Übergang, er hat mir aber noch mehr Einblick gewährt als ohnehin.
Was sind die größten Unterschiede zur Arbeit als sportlich Verantwortlicher in der Akademie?
An den Spielern von Red Bull Salzburg wird mehr Interesse gezeigt als an jenen aus Liefering oder in der Akademie. Das muss man entsprechend handeln, wenn es etwa darum geht, dass ein Spieler Interesse auf sich zieht, wir diesen aber nicht gleich verkaufen wollen.
Wie sehen Sie es, wenn ein Spieler wie Maurits Kjaergaard im Rahmen seiner Länderspiel-Abstellung dänischen Medien gegenüber erklärt, dass er plant, den Klub 2024 zu verlassen?
Mau hat oft genug gesagt, dass er sich hier sehr wohlfühlt. Er ist auch schon lange da und ein Paradebeispiel dafür, welchen Weg man hier machen kann: vom talentierten Jugendspieler hin zum Profi, der auf höchstem Niveau spielt. Er ist eine tragende Säule und gleichzeitig noch U21-Nationalspieler, das sagt viel aus. Dass jemand wie er darüber spricht, was er sich vorstellen kann, ist nicht unnatürlich .
Gibt es Spieler in Salzburg, die Sie besonders begeistern?
Das ist nicht leicht zu beantworten, weil einen oft eine lange gemeinsame Geschichte verbindet. Es gibt Spieler hier, die ich selbst in der Akademie trainiert habe. Einige waren schon hier, als sie noch auf Kleinfeldern spielten. Wir haben Höhen und Tiefen miteinander durchgemacht. Ich habe manchem vielleicht auch mal ein Stopp-Schild hingehalten, weil wir einen anderen Weg einschlagen mussten. Es macht mir aber große Freude, wenn ich die Jungs heute auf dem Platz sehe und erlebe, wie sie mithalten und vielleicht sogar dominieren können. Daher kann ich diese Frage nicht auf einen Einzelnen reduzieren. Was ich weiß, ist, dass alle das Herz am rechten Fleck haben.
Sie waren in unterschiedlichen Positionen tätig. Was macht den Reiz des Sportdirektors aus?
Man kann den Klub ein Stück weit in eine Richtung bewegen. Ich kann das Spiel aus einer anderen Perspektive betrachten und mithelfen, dass wir die Voraussetzungen schaffen, damit die Mannschaft auf dem Platz die entsprechende Leistung zeigen kann.
Haben Sie ein Vorbild in Ihrer Funktion?
Meine Vorgänger waren mit Ralf Rangnick und Christoph Freund nicht die schlechtesten. (lacht) Die beiden haben mich schon sehr inspiriert. Daran orientiere ich mich, um gleichzeitig meinen eigenen Weg zu finden. Im Laufe der Zeit soll immer mehr Bernhard Seonbuchner reinkommen, trotzdem sollen die Werte und die Kultur des Klubs weitergelebt werden.
Christoph Freund war 17 Jahre hier und genießt bei den Fans Legendenstatus. Wie schwierig ist es, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen und gleichzeitig selbst Spuren zu hinterlassen?
Ich habe den Vorteil, dass ich den Klub bestens kenne. Ich habe all die Erfolge miterlebt und weiß, welche Ziele Salzburg national und international hat. In erster Linie geht es immer darum, Erfolge zu bestätigen und Nachhaltigkeit sicherzustellen. Dann entwickeln sich Dinge automatisch. Ich schaue da weniger auf die Fußstapfen von Christoph Freund, dafür aber mehr auf den Weg, den der Klub eingeschlagen hat und meine persönlichen Vorstellungen, um mich noch enger mit dem Verein zu verbinden.
Das Werkl läuft in Salzburg. In welchen Bereichen würden Sie den Verein dennoch gerne in eine etwas andere Richtung lenken?
Die ganz großen Faktoren hier sind Titel und Verkaufserlöse. Da hat der Verein einen exzellenten Job gemacht. Dass wir da anschließen wollen, ist klar. Was das in Zahlen bei Transfererlösen bedeutet, muss man sich anschauen. Wir wollen weiterhin und nach Möglichkeit noch mehr Spieler aus der Akademie im Kader von Salzburg integrieren und sie zu Spielzeit bringen, um sie dann im Idealfall in die große Fußballwelt entlassen zu können.
Wie schwierig ist es mittlerweile für Österreicher – und noch mehr für Salzburger -, bei den Bullen Fuß zu fassen?
Das ist eine enorme Herausforderung. Das Schöne hier ist aber, wenn man das Beispiel Dijon Kameri hernimmt, dass man mit der Aufgabe mitwachsen kann. Vom regionalen über das nationale Scouting gibt es wachsende Konkurrenz, es bietet sich aber auch die Möglichkeit, sich selbst weiterzuentwickeln. Es gibt Hürden, die man nehmen muss. Klar ist, dass es nicht jeder schaffen kann. Aber Nicolas Seiwald ist etwa das perfekte Beispiel, wie es gelingen kann. Und ich bin überzeugt, dass das wieder der Fall sein wird.
Wie sehr profitiert das Nationalteam, in dem viele (Ex-)Salzburger spielen, von der Red Bull Akademie?
Der österreichische Fußball hat sich grundsätzlich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt. Das sieht man auf Nationalteam- wie auf Vereinsebene. Es ist schön, wenn im Nationalteam viele Spieler auflaufen, die bei uns waren oder noch sind. Der eine oder andere macht ja sogar eine Weltkarriere. Daher macht es uns sehr, sehr stolz, wenn man die Nationalmannschaft verfolgt.
Wie würden Sie den bisherigen Saisonstart bilanzieren, vor allem auch bezogen auf die Art des Fußballs unter Gerhard Struber?
Der Saisonstart hätte kaum besser sein können. Wir sind fleißig und wachsam, damit wir weiter die Voraussetzungen schaffen, damit das so bleibt. Beim Spielstil sieht man, dass wir häufiger aufs gegnerische Tor zulaufen. Wir hatten einige knappe Abseitstore, die auch ein gutes Signal sind. Wir sind angriffslustig, ich sehe die Entwicklung sehr positiv. Jeder konnte zeigen, dass er vom Trainer berücksichtigt und gesehen wird. Jetzt gilt es, alle drei Tage eine entsprechende Performance auf den Platz zu bringen.
Die Champions League steht vor der Tür, am Mittwoch wartet das erste Spiel bei Benfica, das Sie als Highlight auserkoren haben. Warum?
Benfica Lissabon ist für mich ein unglaublich großer Verein, der mich beeindruckt. Das tut er noch mehr, seit Roger Schmidt dort Trainer ist. Zusätzlich zur ohnehin vorhandenen Qualität gibt er der Mannschaft eine entsprechende Handschrift mit. Ich hatte das Glück, ihn während seiner Zeit in Salzburg kennenzulernen, daher habe ich einen guten Eindruck davon, wie er Dinge angeht. In der letzten Saison waren sie im Viertelfinale, da hat man gesehen, dass sie eine europäische Topmannschaft sind. Ich bin auf ihren Weg in dieser Saison gespannt. Gepaart mit ihrem Stadion und der Fußball-Euphorie in Portugal wird das für uns alle ein Erlebnis und eine echte Herausforderung.
Was löst die Champions-League-Hymne in Ihnen aus?
Ich habe sie ja schon oft gehört, aber noch nie in dieser Rolle. Es ist ein Stück weit Freude und Stolz, den ich empfinde, weil ich dabei sein kann. Es verpflichtet aber auch, top vorbereitet zu sein, um den Klub und das Fußball-Land Österreich entsprechend gut zu vertreten.
Es ist ein Stück weit Freude und Stolz, den ich empfinde, weil ich dabei sein kann. Es verpflichtet aber auch, top vorbereitet zu sein, um den Klub und das Fußball-Land Österreich entsprechend gut zu vertreten.
Bernhard SEONBUCHNER über das Gefühl, wenn die Champions-League-Hymne ertönt
Auch wenn ein Gigant wie etwa Manchester City in der Gruppe fehlt, ist sie sportlich sehr attraktiv. Wie schätzen Sie ganz nüchtern betrachtet die Chancen auf ein Überwintern im Europacup oder gar einen Aufstieg ins Achtelfinale der Königsklasse ein?
Ganz realistisch und nüchtern betrachtet reden wir nicht über die Plätze eins, zwei, drei oder vier. Wir fahren nach Lissabon und hauen alles raus. So machen wir das sechs Mal und dann gehen wir davon aus, dass wir mehr Punkte als eine andere Mannschaft geholt haben. Das ist unser Ziel, dann wären wir auch im Frühjahr noch international dabei. Alles darüber hinaus nehmen wir gerne mit. So gehen wir es an, weil es einen hundertprozentigen Fokus auf den Moment braucht, um an diesen Mannschaften vorbeizukommen.
Auch wenn Sie seit vielen Jahren im Salzburger Land wohnen, hört man Ihnen den Bayer an. Was können Salzburger von Bayern lernen und umgekehrt?
In Bayern sagen Sie, dass sie den Salzburger hören, hier ist es umgekehrt. Irgendwie gehöre ich nirgends ganz dazu (lacht). Im Ernst: Über Österreich kann ich nur sagen, dass es ein unglaubliches Land ist und die Lebensqualität in allen Bereichen beeindruckend ist. Ich schätze die Leute hier sehr, die Offenheit, die Art und Weise, wie man miteinander umgeht. Daher fühle ich mich mittlerweile als echter Salzburger, auch wenn auf dem Reisepass was anderes steht.
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