Ein irreparabler Hörschaden hat nicht nur das berufliche Leben der amerikanischen Sängerin K.Flay ordentlich durchgerüttelt. Ein knappes Jahr später hat sie sich vom Schock erholt und kommt mit dem neuen Album „Mono“ live ins Wiener Flex. Wir werfen einen genaueren Blick auf die zweifache Grammy-nominierte Künstlerin, die Hip-Hop, Punk und Alternative Rock wie selbstverständlich vereint und mit authentischer Offenheit überzeugt.
Die Richtung ist schon im ersten Song ziemlich klar vorgegeben - „Are You Serious?“ fragt Kristine Meredith Flaherty aka K.Flay titelgebend und meint damit vor allem das Schicksal, das ihr übel mitspielte. Vor einem knappen Jahr wachte sie morgens auf und war plötzlich auf dem rechten Ohr taub. Eine seltene Erkrankung, irreparabel, lebensverändernd. Was schon im herkömmlichen Sinne vor unglaubliche Probleme stellt, potenziert sich für jemanden, der mit Musik sein Geld verdient. Von Beginn weg ging die 38-Jährige offen und öffentlich mit der Krankheit um, adaptierte ihr geplantes neues Album und stürzte sich für das nun vorliegende Werk „Mono“ so weit aus ihrer Komfortzone wie noch nie zuvor. Doch K.Flay wäre nicht sie selbst, würde sie sich auf Albumlänge nur im persönlichen Schmerzkreis drehen.
Kreativität ist politisch
Ihr fünftes Album steckt voller stilistischer Sprünge und inhaltlicher Spielereien. So konterkariert sie etwa ihre harte Kritik an den vielen Drogen-Toten und Opioid-Abhängigen in den USA mit einer fast schon kindlich wirkenden, fröhlichen Pop-Punk-Melodie. Die Vermischung des nur scheinbar nicht Zusammenpassenden sorgt dabei immer wieder für überraschende Wendungen im musikalischen Korsett. „Ich habe mal politischere, mal weniger politische Alben“, erzählt sie der „Krone“ im Interview, „für mich ist aber jede ehrliche Form von Kreativität politisch. Ob man das will oder nicht. Sehr viele grauenhafte Verhaltensweisen - vornehmlich unter weißen, männlichen Personen - sind in meiner Heimat über die Jahre Usus geworden. Dagegen muss man sich auflehnen und einschreiten.“
K.Flay startete ihre musikalische Karriere vor exakt 20 Jahren, als der Hip-Hop noch misogyn und männlich dominiert war. Vom anfänglichen Rap hat sie sich schnell Richtung Alternative, Pop, Rock und flottem Indie weiterentwickelt. Grenzen einreißen, neue Sounds aufbauen. Ihre Kindheit war schwierig. Ihre Eltern ließen sich scheiden als sie sieben war, der biologische Vater starb ein paar Jahre später an seinem Alkoholismus. Viele ältere Songs und Erinnerungen drehen sich um ihn. Nicht zuletzt von daher kommt ihr großes Humorverständnis und der Hang zur Ironie in ihren Texten. „Mich hat Humor in meiner Kindheit oft vor Verzweiflung gerettet“, öffnet sie ihr Herz, „die Welt ist schlimm genug, wir brauchen auch Spaß.“ Ihrer Verantwortung in der Öffentlichkeit ist sich die Sängerin durchaus bewusst.
Die Freiheit nutzen
„Wenn man authentisch und echt ist, dann scheint man den Leuten automatisch etwas vorzupredigen, aber das liegt mir völlig fern. Ich habe aber auch einen Job, wo ich ganz offen und frei meine Meinung sagen kann, ohne die Angst zu haben, gekündigt zu werden. Egal ob als Musiker, Schriftsteller oder Visual Artist - es ist ungemein wichtig, diese Freiheit zu nutzen. Die Welt ist an einem Scheitelpunkt angelangt, wo die Klimakrise, Rechtspopulisten und die endlose Gier Tribut fordern. Ich will bewusst aufstehen und Dinge benennen, meinen Finger auf Themen halten, die mir wichtig sind. Auch wenn man als Indie-Musikerin nicht viel ausrichten kann, jedes Bisschen verändert am Ende die Norm in der Gesellschaft. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass man drinnen nirgends mehr rauchen darf? Das wollten so viele, dass es irgendwann zum Gesetz wurde.“
K.Flay changiert geschickt zwischen gelösten, lockeren Momenten und einer gesellschaftlichen Ernsthaftigkeit. Gerade weil ihre Musik und ihr Zugang zu den wichtigen Themen von einer gewissen Leichtfüßigkeit durchzogen ist, verschafft sich die zweifach Grammy-nominierte Musikerin ausreichend Gehör. „Ich bin im Grunde meines Herzens eine unverbesserliche Optimistin. Ich liebe Barack Obama. Noch viel mehr als Mensch, denn als Politiker. Er ist unheimlich eloquent, weise und intelligent. Ich sah einmal ein Interview mit ihm, wo er die Progression unserer Gesellschaft erklärte. Dass es immer in Wellenbewegungen nach vorne geht und Rückschläge normal sind. Es wird immer Konflikte geben und es wird in vielen Bereichen krachen, aber es ist notwendig, all diese Konflikte zu führen, denn nur so können die Dinge langfristig verändert werden.“
Rückschläge wegstecken
„Mono“ mag sich auf die eingeschränkten Hörfähigkeiten der Künstlerin berufen, doch wer in die musikalische Welt der sympathischen Amerikanerin eintauchen möchte, macht das am besten voll aufgedreht in Stereo. Dabei erkennt man auch die dazugewonnene Reife und die vielen Facetten, aus denen ihr Sound nach zwei Dekaden Erfahrung mittlerweile besteht. Von Rückschlägen wie diesen lässt sich die Powerfrau nicht unterkriegen. Als sie im November 2019 zuletzt eine Soloshow im Wiener Flex spielte, brach sie sich kurz davor auf Tour die Nase. Anstatt abzusagen, machte sie mit ihrer Crew ein lustiges „Prügel-Fotoshooting“ für die Social-Media-Kanäle. „Ich hatte ja einen Mediziner dabei, der das kontrollierte und meine Stimme war davon nicht angegriffen“, lacht sie, „was soll’s, man muss einfach weitermachen.“
Live in Wien
Am 28. September kehrt K.Flay ins Wiener Flex zurück und wird dabei nicht nur die starken Songs ihres neuen Albums „Mono“ präsentieren, sondern auch einen bunten Querschnitt ihrer bisherigen Karriere. Eine Show, die man nicht verpassen sollte. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und alle weiteren Informationen zu dem Event.
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