Seit 60 Jahren ist der Porsche 911 der Inbegriff des (zumindest deutschen) Sportwagens. Alle acht Generationen haben den Heckmotor gemeinsam. Ist das das Erfolgsgeheimnis der Ikone? Wohl kaum. Die wahre Essenz und das Alleinstellungsmerkmal ist ein anderes, wie ich auf einer Ausfahrt mit allen acht Generationen des Porsche 911 herausgefunden habe.
Dabei lief die ganze Tour gewissermaßen sinnbildlich für die Geschichte des Elfers ab: viel Sonne und mittendrin Nebel und Regen. Auf der Großglockner Hochalpenstraße fuhr ich bei Sonne ins Fuscher Törl hinein - und kam bei Nebel auf der Salzburger Seite wieder heraus. Geradezu wild-romantisch. Und das ausgerechnet im Porsche 911 der Baureihe 996. Zufall? Vielleicht eher sinnbildlich für die wirtschaftliche Krise, in die Porsche in den 90er-Jahren schlitterte.
Rettung und Zeitenwende
Die Verträge zum Verkauf an Mercedes waren bereits aufgesetzt, als Unternehmensboss Wendelin Wiedeking den Boxster aus dem Hut zauberte und die Papiere damit in den Reißwolf stecken statt zur Unterschrift vorlegen ließ. Dieser offene Zweisitzer wurde den Zuffenhausenern ab 1996 geradezu aus den Händen gerissen - und er war bis zur A-Säule praktisch identisch mit dem Porsche 996, dessen Entwicklung er dadurch mitfinanzierte und dadurch erst möglich machte.
Zunächst wegen des Scheinwerferdesigns als Spiegelei-Porsche verspottet, begann mit dem 996 im Jahr 1997 praktisch die Neuzeit des 911. Ab dieser Generation ragten die Pedale nicht mehr (wie früher beim VW Käfer) aus dem Boden empor, sondern kamen von oben. Seit dieser Generation gehen die traditionellen fünf Rundinstrumente ineinander über. Vor allem aber sind die traditionellen Boxermotoren seither wassergekühlt - der wegen der Abgasvorschriften eingeführte Vierventil-Zylinderkopf machte das notwendig. Damit änderte sich auch der Charakter: So geschmeidig war noch kein Elfertriebwerk gelaufen.
Die guten alten Zeiten
Vor allem der Ur-Elfer (1963-1973) und G-Modell (1973-1989) hatten einen charakteristisch-rauen Klang, den jedes Kind auf Anhieb erkannte. Diese beiden sind noch heute die beliebtesten Klassiker, obwohl sie ergonomisch für groß gewachsene Fahrer, nun, sagen wir, schwierig sind. Das Lenkrad steht zu weit weg und der Schalthebel ist so platziert, dass man ihn unter der Kniekehle bedienen muss. Das Getriebe an sich erinnert mich entfernt an das in meinem VW Käfer, den ich einst hatte, war aber deutlich besser zu schalten.
Im Porsche 964 (1988-1994) war noch immer das Lenkrad zu weit weg. Der Schalthebel war aber schon günstige positioniert, wobei mein Testexemplar mit der nicht sonderlich überzeugenden Viergangautomatik ausgestattet war. Im 993 (1993-1998) hatte meine Kniekehle aber keinen Kontakt mehr mit dem Schalthebel. Er war der letzte luftgekühlte 911 und auch seine Form hatte noch eine engere Verwandtschaft zu seinen Ahnen. Mit seiner Aluminium-Mehrlenkerhinterachse hob er sich aber auch schon ab.
Die guten neuen Zeiten
Mit dem 996 emanzipierte sich der 911 von seinen rauen Vorgängern. Er wuchs deutlich (18,5 Zentimeter!) und die Modellpalette wurde breiter (darunter der von Walter Röhrl mitentwickelte erste GT3). Obwohl größer und luxuriöser wiegt er rund 50 Kilogramm weniger als sein vergleichbarer Vorgänger. Mit 1450 kg wirkt der allradgetriebene 2001er-4S noch beinahe leichtfüßig. Umgestiegen war ich vom aktuellen 992 Turbo Cabrio, einem 580 PS starken Inbegriff von Kraft und Luxus, der trotz 1,7 Tonnen Leergewicht nichts Schwerfälliges hat.
Mit dem 997 (2004-2012) kommen das aktive Fahrwerk PASM und Doppelkupplungsgetriebe, außerdem Zahnstangenlenkung mit variabler Lenkübersetzung. Der 991 (2011-2019) brachte aktive Aerodynamik, variable Dämpfung und ein manuelles Siebenganggetriebe, im Innenraum ging es digital zu.
Und was haben sie nun gemeinsam?
Der Charakter des Porsche 911 hat sich über die Jahre verändert, vom wilden, leichten Sportwagen hin zu einem unfassbar schnellen Luxusboliden, der einen ambitionierten Fahrer glauben machen kann, ein Könner am Volant zu sein.
Damit nähern wir uns bereits der Essenz des 911ers, also der positiven Eigenschaft, die alle verbindet. Es ist nicht der Heckmotor. Den haben sie zwar alle, aber er ist per se nicht günstig fürs Fahrverhalten, weil er die Balance nach hinten schiebt.
Tatsächlich ist es diese unfassbar gefühlvolle Lenkung, die der Porsche 911 seit Anbeginn hat. Man spürt in jedem Moment, was am Asphalt vor sich geht. Fast wie wenn Auge, Ohren und Hände direkt mir den Rädern verbunden wären. Klar, schnelles Kurvenräubern war in den ersten Jahren noch viel mehr Handarbeit und dementsprechend anstrengender als in neueren Generationen, und natürlich hat sich die Technik weiterentwickelt. Doch dieses ganz spezielle Gefühl blieb erhalten.
Die einzige Generation, die ich nicht selbst fahren konnte, war das F-Modell, der Ur-Elfer. Porsche stellte nur ein RS-Modell als Führungsfahrzeug zur Verfügung, mit Porsche Werksfahrer Richard Lietz (u.a. Gesamtsieger des 24h-Rennens am Nürburgring 2018) am Steuer.
Er kennt den Porsche 911 in- und auswendig, hat seine gesamte Rennkarriere auf verschiedenen Modellen der Reihe bestritten und sie teilweise mitentwickelt. Er bestätigt mir meinen Eindruck auch für den Ur-Elfer. Und mehr noch: „Das ist sogar bei den Rennwagen so. Sie sind zwar wegen ihrer Gewichtsverteilung teilweise schwierig zu fahren, aber die Lenkung macht es einem leichter. Das sehen auch Fahrer anderer Marken so. Die kommen zwar mit dem Fahrverhalten vielleicht nicht klar, aber von der Lenkung sind sie alle begeistert.“
Also auch für Lietz ist ganz klar: „Die Essenz aller 911er ist die Lenkung.“
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