Resümee Almsommer

„Herdenschutz wird nie eine Massenbewegung sein“

Tirol
21.09.2023 12:00

Als einen „Almsommer mit Licht und Schatten“ beschreibt LHStv. Josef Geisler die zu Ende gehende Tiroler Almsaison. Helles Licht wirft eindeutig die deutlich gesunkene Zahl an Rissen von großen Beutegreifern. Auf den drei Pilotalmen mit Herdenschutz gab es keinen einzigen Raubtierangriff, dafür hohe Kosten!

Der Almsommer ist so gut wie gelaufen. Und laufend werden auch die Risszahlen der großen Beutegreifer aktualisiert und dies ist gleichzeitig das Positive an der heurigen Tiersommerfrische: Mit 183 getöteten Nutztieren wird sich die Anzahl, die zurzeit noch vorläufig ist, trotz zunehmender Wolfspräsenz deutlich verringern. 2022 fielen nämlich 413 Schafe und Ziegen den Großraubtieren zum Opfer. 450 Tiere wurden heuer aber vorzeitig ins Tal gebracht. Und in diesem Jahr wurde mit den Rissen von acht Rindern und sogar einem Pferd eine neue, schockierende Liga eröffnet.

Das schockierendste Wolfsopfer in diesem Jahr: eine Stute in Söll (Bild: Zvg)
Das schockierendste Wolfsopfer in diesem Jahr: eine Stute in Söll

„Der Rückgang könnte auch auf den erhöhten Jagddruck zurückzuführen sein“, mutmaßt LHStv. Josef Geisler, der nach Landeck kam, um das Resümee 2023 zu präsentieren. Bereits im Frühjahr schaffte man mit einem juristischen Schachzug die Voraussetzungen für eine rasche, nicht beeinspruchbare Entnahmeerlaubnis. Und die wurde gleich 16 Mal genutzt, wobei drei Wölfe tatsächlich erlegt wurden.

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Wir haben hier im Bezirk Landeck drei Pilotalmen, auf denen seit 2021 gelenkte Weideführung mit ständiger Behirtung und wolfsabweisend gezäunten Übernachtungsplätzen erprobt werden.

Josef Geisler (Bild: Birbaumer Christof)

Josef Geisler

Öffentlichkeit muss für die Kosten aufkommen
Parallel zum Kampf für eine ganzjährige Bejagung testet das Land die Möglichkeit des Herdenschutzes. „Wir haben hier im Bezirk Landeck drei Pilotalmen, auf denen seit 2021 gelenkte Weideführung mit ständiger Behirtung und wolfsabweisend gezäunten Übernachtungsplätzen erprobt werden“, so Geisler weiter. Risse oder direkte Begegnungen mit Großraubtieren gab es auf allen drei Projektalmen im heurigen Almsommer keine. Ein Sieg also für die Naturschützer, die den Herdenschutz als die Lösung für eine Koexistenz preisen?

Die Risse durch so genannte große Beutegreifer gingen heuer deutlich zurück. (Bild: Honorar)
Die Risse durch so genannte große Beutegreifer gingen heuer deutlich zurück.

Solange die Öffentlichkeit für die Kosten aufkommt - zur Hälfte ja, zumal die andere Hälfte der 400 Schafalmen für den Herdenschutz kaum geeignet ist. 430.000 Euro musste das Land immerhin berappen. Auf den Almen Spisser Schafberg, Lader Heuberg und Verwall kamen nämlich sechs Hirtinnen und Hirten, sieben Hütehunde und zwei Herdenschutzhunde zum Einsatz. „Da liegt genau das Problem“, präzisiert Ferwall-Obmann Alfons Falch, „es gibt viel zu wenig Almpersonal. Heuer hatten wir mit den zwei spanischen Schäferinnen Glück, wir hoffen stark, dass sie mit ihren zwei Herdenschutzhunden im nächsten Jahr wieder für uns arbeiten.“

Schafschied in St. Leonhard. Zwei Schafe im Juni waren die einzigen Wolfsopfer im Pitztal. (Bild: Daum Hubert)
Schafschied in St. Leonhard. Zwei Schafe im Juni waren die einzigen Wolfsopfer im Pitztal.

„120 Euro Kosten pro Schaf, 130 Euro Ertrag“
Für Geisler hat auch nach einem „Jahr mit Licht und Schatten“ die Bewirtschaftung der 2100 Tiroler Almen höchste Priorität, auch wenn die wirtschaftliche Rechnung ernüchtert: Herdenschutz kostet heruntergebrochen auf ein Schaf über 120 Euro, der Erlös liegt im Durchschnitt bei 130 Euro. Den Herdenschutz muss die Öffentlichkeit tragen, aber: „Er wird sicher nie eine Massenbewegung, weil ganz einfach das Personal fehlt.“ Auf den drei Oberländer Almen hingegen werde das Projekt auch nach den fünf geplanten Jahren „in irgendeiner Form weitergehen, sonst wäre ja der Riesenaufwand umsonst gewesen.“

(Bild: APA/dpa/Julian Stratenschulte)

Aus Brüssel ist gar nichts zu erwarten 
Die 30 Jahre alte Fauna-Flora-Habitatsrichtlinie der EU räumt dem Wolf den strengen Schutzstatus ein. Tirol möchte diesen aufweichen und fand auch jüngst im Rahmen des Forum Alpbach in Schweden einen Verbündeten. In einem Interview für den „Landwirt“, eine der führenden Fachzeitschriften, zerstreute allerdings Humberto Delgado Rosa, EU-Direktor für Naturkapital und Biodiversität, im August alle Hoffnungen. Möglicherweise auch die von LH Geisler, der „Bewegung in Brüssel“ ortet.

Der derzeitige EU-Kommission sei schon bewusst, dass die Rückkehr des Wolfes eine besondere Herausforderung für die Bauern darstellt, sagte Delgado Rosa. Die Tierhaltung auf einer Alm bringe viele Vorteile und Werte für die Gemeinschaft. Daher sei man in Brüssel der Ansicht, dass die Tierhalter angemessen unterstützt werden müssen.

Keine Überarbeitung der FFH-Richtlinie geplant
Die Einwanderung des Wolfes in Österreich sei eine natürliche, andere EU-Staaten würden weitaus höhere Wolfszahlen aufweisen. Auf den Almen müsste Herdenschutz möglich sein, die Kosten dafür sollte die Gesellschaft tragen. Die derzeitige EU-Kommission plane keine Überarbeitung der FFH-Richtlinie. Den Schutzstatus herunterzustufen nütze ohnehin nichts. Auch wenn der Wolf nur „geschützt“ statt „streng geschützt“ ist, sei eine Bejagung meist unmöglich, wenn der „günstige Erhaltungszustand“ noch nicht erreicht ist. Die allgemeine Definition dafür finde sich in der FFH-Richtlinie.

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