Schauspielstar Philipp Hochmair ist Meister der selbstentäußernden Solo-Performance. Mit Adalbert Stifters Novelle „Der Hagestolz“ zeigt er jetzt neue Facetten. Am 1. und 2. Oktober gastieren er und die Band „Die Elektrohand Gottes“ damit im Wiener Musikverein - samt Signierstunde der „Hagestolz“-CD. Die Krone traf ihn kurz vor seinem 50. Geburtstag zum Interview.
Er ist bei Gott nicht Jedermann - und doch hat Hofmannsthals Archetyp eines Sterblichen Wegmarken in der Karriere von Philipp Hochmair gesetzt. In Salzburg hat er überrascht und begeistert, als er 2018 für Tobias Moretti als Jedermann eingesprungen ist. Er hat den Jedermann „reloaded“ und als Einpersonendrama gemeinsam mit der Dresdner Band „Elektrohand Gottes“ herzhaft kraftvoll gegen den Strich gebürstet, genauso wie Goethes Werther und Schillers Balladen.
Aus den „Vorstadtweibern“ kennt ihn auch Fernseh-Österreich als schwulen Minister Dr. Joachim Schnitzler. Zuletzt hat er sich den guten „alten“ Adalbert Stifter vorgenommen. Die Erzählung „Der Hagestolz“, wo ein junger Mann, der nicht ans Heiraten denkt, zum alten Oheim kommt - und ihn am Ende mit dem Wunsch nach Zweisamkeit verlässt.
„Krone“: Der „Hagestolz“ ist ein Text über einen Clash der Generationen - Jung gegen Alt. Wie sehr beschäftigt Sie selbst das Älterwerden?
Philipp Hochmair: Ich habe dieses Jahr einen runden Geburtstag und freue mich darauf. Ich bin also diesbezüglich ganz gelassen und heiter. Mit Freude altern, ist doch auch eine Qualität.
Anhand des Hagestolz Textes kann ich verstehen, dass ich mich gerade zwischen den beiden Positionen, dem alten Oheim und dem jungen Viktor, befinde. Der Text gibt mir die Chance, diese beiden Perspektiven gut zu spüren, auf eine gewisse Art auch die Unterschiedlichkeiten zu respektieren und beide Qualitäten wahrzunehmen.
Als Zivildienstleistender habe ich in einem Altersheim gearbeitet und mit Menschen im hohen Alter zu tun gehabt. Ich kann diese Verzweiflung, die im Oheim steckt, sehr gut nachvollziehen, obwohl ich selbst von diesem Punkt noch weit entfernt bin.
Keine Klischees, um zu rebellieren
Eine Pressestimme zum „Hagestolz“ meinte: „Er schreit nicht, reißt sich nicht das Gewand vom Leib, hüpft nicht - er sitzt einfach und liest.“ Erleben wir einen neuen, abgeklärten Philipp Hochmair?
Der Text eignet sich nicht zum Springen. Ich habe großen Respekt davor und genieße es, dem Text in Ruhe zu begegnen.
Die Wildheit, die in dem Text steckt, spielt sich in der Sprache ab. Das muss jetzt nicht unbedingt aufgebrochen werden. Beispielsweise Jedermann oder Goethes Werther wollte ich aufreißen, weil es da ja bereits genug gängige Lesarten, ja fast Klischees gibt, gegen die ich rebellieren wollte. Hier geht es mir aber vielmehr um ein Hörbarmachen des Textes, ein Vorstellen.
Wie klingt die Neuvertonung mit Ihrer „Elektrohand Gottes“?
Neu an dieser Version ist die Orchestrierung, eben kein Rockn‘Roll oder Techno-Set, sondern Elektro-Jazz. Das Studioalbum ist, wie bei meinen anderen Projekten auch, der Beginn einer neuen Reise. Work in Progress.
Sein Leben leben und nichts versäumen!
Was gibt uns der Hagestolz heute noch mit? Was fasziniert Sie daran? Eine Anleitung zum Heiraten?
Mich faszinieren die Sprache, diese unglaublichen Beschreibungen der Natur und der menschlichen Seele. Das geht sehr schön in die Tiefe. Der Text trifft bei mir einen ganz persönlichen Nerv meiner Seele. Er beschreibt in gewisser Weise, was auch ich erlebt habe. Ähnlich wie bei Werther oder Jedermann, handelt es sich hier für mich um Mosaiksteine, die beschreiben, was mich umtreibt - in der jeweiligen Entwicklungsphase meines Lebens. Ich stehe genau zwischen dem sehr harten und weisen Oheim und dem naiven Jüngling Victor, dem noch das ganze Leben bevorsteht. Und diese Zwischenposition finde ich spannend.
Und bezüglich Ehe: Es geht um viel mehr als ums Heiraten. Das ist nur ein Aspekt der ganzen Geschichte. Die Grundidee ist, dass man sein Leben leben und nichts versäumen soll. Und daher schenkt der Oheim Viktor die Freiheit. Er stellt Viktor auf eine harte Probe und befreit ihn gleichzeitig. Und weil der Oheim selbst unter seiner Ehe- und Kinderlosigkeit leidet, rät er ihm dazu. Man muss das auch im zeitlichen Kontext sehen, die Erzählung stammt aus dem Jahr 1844 - da haben die Menschen eben auch ganz anders gelebt.
Wie halten Sie es, hielten es mit den älteren Generationen?
Ich habe mit meiner Großmutter viel Zeit in Oberösterreich verbracht. Das war ein besonderer Lebensabschnitt für mich. Ich habe mich immer zu älteren Menschen hingezogen gefühlt, weil mich ihr Wissen und ihre Lebenserfahrung angezogen hat.
„Meine Begeisterung weitergeben“
Eine Frage für die jungen Generationen: Wer liest heute noch Stifter, warum sollte man ihn lesen?
Ich wurde in der Schule dazu gezwungen und das war im Endeffekt gut so. Vielleicht kann ich durch unser neues Album und meine moderne Lesart meine Begeisterung weitergeben.
Ein Beispiel: Ich sehe einige verzweifelte Eltern in meinem Freundeskreis, die Teenager haben und nicht wissen, wie sie mit ihnen umgehen sollen. Ich denke, dass dieses Hagestolz-Buch durchaus auch eine Orientierung geben kann. Ich setze auf einen Dialog, wie er im Buch vom Oheim ja auch gefordert wird, denn beide haben etwas zu geben, sie müssen es nur schaffen sich zuzuhören.
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