Massen auf der Flucht
Behörden: Bergkarabach wird am 1. Jänner aufgelöst
Nach der Niederlage der proarmenischen Kräfte gegen Aserbaidschan haben die Behörden in Bergkarabach die Auflösung der Region verkündet. In einem am Donnerstag veröffentlichen Dekret ordnete die Führung der örtlichen Behörden an, zum 1. Jänner 2024 „alle staatlichen Institutionen und Organisationen“ in der Kaukasusregion aufzulösen. Bergkarabach werde damit „aufhören zu existieren“. Mehr als die Hälfte der Armenier sind bereits aus der Region geflohen.
Mehr als 65.000 Armenier aus Bergkarabach seien bisher nach Armenien gekommen, sagte eine Sprecherin des armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan am Donnerstag. In Bergkarabach, das international als Teil Aserbaidschans anerkannt wird, lebten bisher knapp 120.000 ethnische Armenier, sie stellten so gut wie die gesamte Bevölkerung dar.
Vor allem Frauen, Kinder und Ältere unter den Flüchtlingen
Die meisten Vertriebenen Karabach-Armenier treffen in der armenischen Stadt Goris ein, der ersten Anlaufstelle hinter der Grenze. In der 20.000-Einwohnerstadt bildeten sich lange Schlagen vor Geschäften mit Telefonkarten. Unter den Flüchtlingen befanden sich vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen.
Menschen waren 9 Monate isoliert
„Die Menschen in dieser Region waren neun Monate lang isoliert und von lebenswichtigen Gütern, Nahrungsmitteln sowie medizinischer und humanitärer Hilfe abgeschnitten“, erklärte Franking Frias, Einsatzleiter in Armenien, in einer Aussendung.
„Sie saßen inmitten von Bombardements und Schüssen in der Falle und waren gezwungen, eine herzzerreißende Entscheidung zu treffen: entweder ihr Leben zu riskieren und zu Hause zu bleiben oder auf der Suche nach Sicherheit alles zurückzulassen.“
Mangel an lebenswichtigen Gütern
Der Latschin-Korridor war seit Dezember 2022 blockiert. Das führte zu einem gravierenden Mangel an lebenswichtigen Gütern wie Lebensmitteln, Medikamenten, Treibstoff und anderen lebensnotwendigen Gütern. „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Menschen, die das Gebiet verlassen wollen, eine sichere Ausreise aus Bergkarabach ermöglicht wird“, so Frias.
Die armenische Regierung hat versprochen, allen Flüchtlingen eine Unterkunft zu besorgen. In der Ortschaft Kornidsor sei ein Auffanglager eingerichtet worden, teilte die Pressesekretärin des armenischen Regierungschefs Nikol Paschinjan, Naseli Bagdasarjan, mit.
Österreichisches Rotes Kreuz hilft
Das ebenfalls an Ort und Stelle im Flüchtlingseinsatz befindliche Österreichische Rote Kreuz hat das Armenische Rote Kreuz in einem ersten Schritt mit 30.000 Euro Soforthilfe für Grundversorgung und Bargeldhilfe unterstützt. Laut Einsatzleiter Jürgen Högl geht es zunächst um die Registrierung und psychosoziale Betreuung, Erste Hilfe und Familienzusammenführungen.
Seit Jahrzehnten war die Region zwischen den beiden Ex-Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Armenien umstritten. Nach einem Krieg Anfang der 1990er-Jahre hatten die Armenier die Kontrolle. Ein auf dem Boden Bergkarabachs ausgerufener eigener Staat wurde international nicht anerkannt.
Gefahr von ethnischer Säuberung
Nach einem weiteren Krieg 2020 hatte Aserbaidschan Teile Bergkarabachs und besetzte aserbaidschanische Gebiete zurückerobert. Armenien wirft dem Nachbarn vor, nun eine „ethnische Säuberung“ zu planen, nachdem Aserbaidschan dort vergangene Woche eine groß angelegte Militäroffensive gestartet hatte.
Nach Beginn der Militäroffensive Aserbaidschans am 19. September mussten die proarmenischen Kämpfer von Bergkarabach bereits einen Tag später eine Waffenstillstandsvereinbarung akzeptieren.
Russland verliert weiteren Verbündeten
Russland als traditionelle Schutzmacht Armeniens hatte die Aserbaidschaner bei ihrer Militäroffensive gewähren lassen. Armeniens Regierungschef Paschinjan machte Moskau deshalb bittere Vorwürfe. Russland warf Armenien wiederum vor, mit seiner jüngsten Hinwendung zum Westen einen „großen Fehler“ zu begehen.
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